Ich hatte einen Traum

Ich träumte von einer Kirche,
zu der Menschen aller Rassen
und Nationen gehörten,
viele Völker,
Priester und Laien,
einfache Menschen und Gebildete –
nicht gegeneinander,
sondern miteinander, füreinander.
In ihr waren die Worte
„ich, er, sie, ihr, die,“
Fremdworte. –

„Du“ und „wir“,
das war die Umgangssprache,
so gingen sie miteinander um.
Da gab es keine Machtkämpfe,
stand nicht einer gegen den anderen,
ging es nicht ums Rechthaben,
sondern um die Sache,
„die Sache Jesu“ – wie sie sagten
in der Kirche.

Ich träumte von einer Kirche,
in der sie sich
nicht bedienen ließen,
nicht von Laien,
nicht vom Priester,
in der sie dienten,
einer dem anderen,
in der sie es gut miteinander
und voneinander meinten.
Da sprachen sie offen,
nicht übereinander,
sondern miteinander,
geschwisterlich,
nicht herr-lich,
einfach so.

Ich träumte von einer Kirche,
da überließen sie die Seelsorge
nicht dem Priester,
machten ihn
nicht zum Allround-Mann
zwischen Frühschicht
und Dämmerschoppen,
sondern sorgten sich mit,
nicht um Zahlen und Gelder,
um Gesetze und Ordnungen,
sondern um Menschen
und bestellten die Priester
für die Menschen,
weils um die Sache ging,
die Sache Jesu“ –
wie sie sagten
in der Kirche.

Ich träumte von einer Kirche,
in der sie nicht nur
vom Gestern sprachen,
sondern mehr
vom Heute und vom Morgen,
weil ER morgen kommen,
ER, auf den sie warten.
Da hieß es nicht:
„Es war immer so“,
sondern:
„Was müssen wir heute tun?“ und
„Was wird morgen sein?“

So schritten sie mutig aus
in die Zukunft,
weils um die Sache ging,
„die Sache Jesu“ –
wie sie sagten,
in der Kirche.

Ich erwachte –
und ich sah eine Kirche,
in der vieles,
fast alles nicht so ist.
Ich verzweifelte,
resignierte.
Wollte zurück in meine Traumwelt –
da wurde ich belehrt:
Dein Traum ist alt;
zweitausend Jahre alt:
aufgeschrieben
von Markus und Matthäus,
Lukas und Johannes,
Paulus und Petrus,
in vielen Kapiteln und Versen.

Und ich sah:
Mein Traum stand da geschrieben:
„Die Zeit ist erfüllt,
das Reich Gottes ist nahe.“

Und ich fragte mich,
wann tun wir endlich das Unsrige,
damit der Traum
sichtbar, erlebbar
Wirklichkeit wird.

(c) Wilfried Schumacher

Die Sehnsucht – ein Stern, der aufbrechen lässt!

Ein Meister Gislebertus hat für die Kathedrale von Autun zu Beginn des 12.Jahrhunderts dieses Kapitell mit den schlafenden „Königen“ geschaffen. Ein Engel berührt zärtlich einen von ihnen und verweist auf den Stern.
Eine alte Geschichte, die wir alle von Kindesbeinen an kennen. Lesen wir sie nicht als einen Text aus längst vergangenen Tagen, sondern als unsere Geschichte.

  • Der Stern

„Wir haben seinen Stern aufgehen sehen“ sagen die Weisen aus dem Morgenland dem König Herodes – mehr verraten sie uns nicht über diesen Stern und haben damit ganze Generationen von Sterndeutern in Atem gehalten, die immer noch versuchen, nachzuweisen, daß damals in jenen Jahren ein besonderer Stern sich gezeigt habe, der Halleysche Komet, oder ein besonders helle Kombination von Jupiter und Saturn im Sternbild der Fische. Damit ist unsere ach so wissenschaftsgläubige Welt dann zufrieden.

Der Stern hat die Menschen immer schon fasziniert. Aber: was veranlasst Menschen eigentlich, einem Stern zu folgen? Aufzubrechen – ohne Ziel? Fortzugehen, ohne zu wissen, wie lange?

Man wird sich wundlaufen an der Antwort, wenn man nicht gleichzeitig von der Sehnsucht des Menschen spricht. Jeder von uns trägt eine Sehnsucht im Herzen, die ihn suchen lässt, nicht nur einen Moment, sondern vielleicht ein ganzes Leben lang. Eine Sehnsucht, die Kraft gibt, nicht nachzulassen bei der Suche. Sie kann ganz unterschiedlich ausschauen, aber immer gleicht sie einem Stern, der einen aufbrechen lässt.

Alles beginnt mit der Sehnsucht.“ sagt Nelly Sachs und von Exupéry stammt das Wort: „Wenn du ein Schiff bauen willst, suche nicht Holz und Handwerker, sondern suche Männer, die die Sehnsucht nach dem weiten Meer im Herzen tragen.“ Die Sehnsucht ist der Motor, der mich beginnen lässt.

Die Geschichte der Drei Könige (Weisen?, Magier?)  fragt nach als Erstes nach unserer Sehnsucht? Nach dem Stern in unserem Leben.

  • Herodes

Wer sich in der Geografie Israels auskennt, weiß, das Jerusalem nicht weit entfernt liegt von Bethlehem. Jerusalem ist der Herrschaftsort des Herodes!  In unseren Weihnachtskrippen hat er keinen Platz hat, obwohl er dazu gehört.

Er war einerseits ein Schöngeist mit sehr viel Interesse an Architektur und Kunst, ein genialer Bauherr und in wirtschaftlichen Belangen sehr erfolgreich. Während seiner Herrschaft erreichte Judäa einen vorher nicht gekannten Glanz. Auf der anderen Seite war er ein tyrannischer Herrscher, der seine Macht und Kraft nur zur Durchsetzung eigener Kräfte verwendet. All seine Aktivitäten kreisen letztlich um sein eigenes Ich. Paläste, Frauen, Nachwuchs – alles dient seiner Verherrlichung.

Er vernichtet alles und jeden, was und wer sich ihm in den Weg stellt. Seine eigenen Söhne müssen sterben, weil sie ihm gefährlich werden können.

Bevor wir den Stab über ihm brechen, müssen wir feststellen: es gibt die Dimension des Herodes auch in uns. Herodes ist nicht ausgestorben, immer wieder macht er sich in uns bemerkbar: wenn wir andere nicht sein lassen, wenn wir nur ums uns selbst kreisen, selbstgenügsam sind in unserem Handeln, zu Opfern unserer Leidenschaft werden.

Wer seinen Sehnsüchten folgt, wird immer auch den eigenen Schattenseiten, dem Dunklen auf seinem Lebensbild begegnen.

  • Anbetung

„Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter, da fielen sie nieder und huldigten ihm“

Das klingt so einfach, aber es ist ein großer Schritt. Ein Kind und seine Mutter zu finden, das ist nichts Besonderes – und doch zu wissen, das ist die Erfüllung meiner Sehnsucht – dazu bedarf es schon der Hilfe eines Sterns.

„Gott ist verwechselbar“ – ihn zu finden, ist nicht so einfach – das kennen wir aus unserem eigenen Leben. Wir stellen oft fest, dass wir an ihm vorbeigelaufen sind.

Wenn ich diese Geschichte höre, werde ich erinnert an eine Szene aus dem Kleinen Prinzen von A.d.S.Exupery. Nach einem langen Weg kommt der kleine Prinz endlich an den Brunnen in der Wüste. Er trinkt und stellt fest: „Dieses Wasser war etwas ganz anderes ein Trunk. Es war entsprungen aus dem Marsch unter den Sternen, aus dem Gesang der Rolle des Brunnens, aus der Mühe meiner Arme.“

So ähnlich stelle ich mir das auch vor: Der ganze Weg schwingt mit in diesem Augenblick der Anbetung – die eigene Sehnsucht, der Aufbruch, die Ungewissheit, die Begegnung mit Herodes, die Zuverlässigkeit des Sterns.

Die Hoffnungen und Sehnsüchte der Männer werden erfüllt, nicht mit einer abstrakten Theorie, nicht mit einer Lehre, nicht mit einer Vision, sondern mit einem Kind.

Sie knien nieder, stehen nicht mehr breitbeinig, mächtig auf ihren Füßen.  Sie finden ein Kind und erkennen darin, den Sinn ihres Lebens, die Mitte ihres Lebens, erkennen darin Gott.

 

So ist die Geschichte eine Ermutigung für uns alle, der Sehnsucht in uns Raum zu geben, sie nicht zu ersticken. Aufzubrechen wie die Männer aus dem Morgenland, dem Herodes, dem Dunklen in uns zu begegnen – aber nicht dabei zu bleiben, sondern von Neuem dem Stern folgen und schließlich, Gott zu finden – nach einem langen, langen Weg.

Es ist keine alte Geschichte, es ist immer wieder auch unsere Geschichte. Ich finde mich darin wieder.

Sie nimmt uns aber auch in die Pflicht: Ich kenne Menschen, denen kein Stern leuchtet bzw. geleuchtet hat. Die anklagend fragen, wo war der Stern als ich Orientierung gebraucht hätte?

Sie sind so verbittert, so enttäuscht, dass sie den Kopf nicht mehr heben, dass sie den Stern, der ihnen vielleicht jetzt leuchtet, nicht erkennen wollen oder können.

Unsere ausgestreckte Hand „dort“ wird ihnen nicht helfen, allenfalls unsere zärtliche Hilfe, ihren Kopf zu heben.

Wir sind auch in die Pflicht, diesen Stern anderen zu zeigen, sie behutsam an die Hand zu nehmen, damit sie finden, was sie in der Tiefe ihres Herzens suchen