„Mon dieu…!!!!Die Kirche brennt…“

(c) Paroisse de la Cathedrale Saint Denis – France- Facebook

„Mon dieu…!!!!Die Kirche brennt…was für eine grausige Symbolik“, so schrieb gestern abend Stephan Wahl auf Facebook unter dem ersten Eindruck der Bilder aus Paris. Mit Millionen Menschen auf der Erde habe ich in der Nacht die Berichte aus Paris verfolgt (leider nicht im Deutschen Fernsehen), habe ich gesehen, wie das Feuer sich immer weiter vorwärts fraß, hörte ich die entsetzten Schreie als erste Flammen in den Haupttürmen sichtbar wurden. Es ist eine Tragödie!
Ein auch kulturelles Denkmal der Menschheit wird nach und nach beschädigt. Ganz abgesehen von den Gefühlen, die gläubige Menschen in Paris und an vielen Orten der Welt angesichts der Bilder umtreiben. Kirchen sind keine normalen Häuser – sie sind Gottes-Häuser wie die Synagogen und Moscheen, wie die Tempel der Hindus und der Buddhisten. Wenn man sie brennen sieht, spürt man, da brennt mehr als nur brennbares Material.

Deshalb hat mich das Wort von Stephan Wahl nicht los gelassen in dieser Nacht! „Mon dieu…!!!!Die Kirche brennt…“ Die ganze Kraft des Symbols wurde mir schmerzvoll bewusst. Wir erleben in den vergangenen Jahren und Monaten wie die Kirche brennt, die Flammen der Zerstörung sich immer weiter vorwärts fressen. Der Mißbrauch an Tausenden, der Machtmißbrauch und der Klerikalismus, die Uneinsichtigkeit vieler Amtsträger, die nicht wahrhaben wollen, was unter ihren Augen geschieht, aber alle Welt sieht.

Aus Paris hört man heute morgen, dass wohl die Grundsubstanz des Gebäudes Bestand hat und der französische Präsident hat versprochen, die Kathedrale wieder aufzubauen. Ob und wie das gelingt, wird man sehen. Es fehlt gewiss nicht an Handwerkern und Ingenieuren; aber es fehlt an dem mittelalterlichen Geist, der solche Gebäude zustande brachte. „Ein Steinhaufen hört auf Steinhaufen zu sein, sobald ein einziger Mensch ihn betrachtet, der das Bild einer Kathedrale in sich trägt“ schreibt Antoine de Saint-Exupery.

„Mon dieu…!!!!Die Kirche brennt…“ – auch bei unserer Kirche hat die Grundsubstanz Bestand. Wie in Paris wird man das Verkohlte und Verbrannte hinausschaffen müssen. Aber anders als dort brauchen wir keinen Neubau des Alten, keine Kopie des Vergangenen, sondern unsere Kirche muss eine Kirche von heute sein. „Aggiornamento“, sagt der hl. Johannes XXIII. Nicht dem Zeitgeist angepaßt, aber in der Zeit von heute!

Da werden dann die Frauen tragende Säulen sein und nicht mehr nur „Säulenheilige“; in ihren stützenden Funktionen gleichberechtigt mit den Männern.  Es wird eine große Vielfalt der Liturgie geben, an der (auch verheiratete ?) Priester und Laien beteiligt sind. Das neue Haus wird bunt sein, gefärbt von den unterschiedlichen Konfessionen, die immer mehr zueinander finden. Es gibt viele Ideen, wie die Kirche der Zukunft aussehen könnte und müsste.

„Mon dieu…!!!!Die Kirche brennt…“- die Bilder aus Paris bekommen jenseits ihrer realen Tragik eine ungeheure symbolische Kraft – passend zur Karwoche und zum Osterfest, zur Tragödie und zur Auferstehung.

Nachtrag: Ein Leser macht mich aufmerksam auf den Brief des Züricher Generalvikars vergangene Woche: „Die Kirche steht in Flammen!“