Nur ein Zubrot – aber immerhin

Eines meiner Lieblingskapitel des Neuen Testament ist das 21.Kapitel des Johannes-Evangeliums. In den Versen  1-14 wird berichtet von den Jüngern, die meinen, in die Vergangenheit zurückkehren zu können. „Habt Ihr nicht etwas zu essen“, fragt sie ein Unbekannter am Ufer des See Genezareth. Was es damit auf sich hat, beantwortet der Videoclip aus dem Jahre 2018.

Wenn der Berg predigt

Am 1. Mai eröffnet der Eifelverein Dernau die Wandersaison mit einem Fest auf dem Krausberg. Es beginnt traditionell mit einer Messe in der Kathedrale aus Bäumen. Wir wurden erinnerst an ein Wort von Rabindranath Tagore „„Wer Bäume setzt, obwohl er weiß, dass er nie in ihrem Schatten sitzen wird, hat zumindestens angefangen, den Sinn des Lebens zu begreifen“.
Die Predigt im Gottesdienst hielt der Krausberg:

Ich möchte heute diesen Ort sprechen lassen. Vielleicht hat er uns etwas zu sagen über diese Stunde hinaus.

Berg

 Wir stehen auf einem Berg. Berge haben die Menschen schon immer fasziniert. Nicht nur die Berge der Alpen und des Himalaya-Gebirges. Auch die Berge in unserer Heimat waren oft schon in keltischer und römischer Zeit besondere Orte.

Wer einen Berg besteigt, verläßt den Alltag des Tals. Je höher man steigt, je kleiner wird das, was man zurücklässt: die Häuser, hier die Weinberge, die Menschen. Vieles, was uns unten im Tal aufgrund seiner Größe Respekt abverlangt, verliert von hier oben gesehen an Bedeutung.

Interessant ist, dass in der Bibel die Berge Orte waren, wo Menschen auf besondere Weise Gott erfuhren: Mose steigt auf einen Berg und empfängt die 10 Gebote, Jesus wird auf einem Berg verklärt und immer wieder hört man von Jesus, dass er sich auf einen Berg zurückzieht, bevor er etwas entscheidet –  zum Beispiel die 12 Apostel auswählt.

Wer einen Berg besteigt, dessen Horizont erweitert sich. Plötzlich kann man weit sehen, man sieht Orte, man sieht Gegenden, auf die man vom Tal aus nicht schauen kann. Vom Krausberg-Turm kann man bei entsprechender Witterung sogar den Kölner Dom sehen. Für uns mag das nichts Besonderes sein, aber für Menschen früherer Generationen, die in der Enge des Tales aufwuchsen, waren das ganz neue Horizonte.

Berge sind nicht selten auch Orte der Einsamkeit, Orte, die helfen, nachzudenken, neue Einsichten und Aussichten zu gewinnen.

Aber wir haben nicht immer die Zeit und die Gelegenheit, einen Berg zu besteigen.
In der Hektik unseres alltäglichen Lebens, in einer Zeit, wo wir immer und überall erreichbar sind, wo es scheint, dass wir die ganze Welt im Handy in unserer Hosentasche tragen, könnte es uns manchmal gut tun, wenn wir uns wenigstens innerlich auf einem Berg zurückziehen, wenn wir uns um genau das bemühen, was der Berg uns schenkt, Abstand vom Alltag,
eine Stimmung, in der die alltäglichen Sorgen in den Hintergrund treten, eine Möglichkeit unseren Blick zu weiten, gelassen auf unser Leben zu schauen.
Der Krausberg ruft uns heute zu: schafft euch solche Momente, damit ihr im Alltag nicht untergeht.

Gehen

Rafal Chudoba/pixabay

Einen Berg besteigen kann man nur indem man geht. Sie werden sagen, das ist eine Binsenweisheit. Trotzdem veranlasst sie mich, über das Gehen nachzudenken.
Das Gehen ist die wichtigste Bewegung im menschlichen Leben. Eltern können davon erzählen, wie wichtig es war als die Kinder ihre ersten Schritte taten und damit eine neue Welt entdecken konnten. Am Ende unseres Lebens gibt es den Moment, wo wir nicht mehr gehen können, sondern getragen werden.

Für unseren verstorbenen Papst Franziskus war das Wort „gehen“ eine ganz wichtige Vokabel. Nur der Mensch, der geht, kann seine Welt erobern, nur der Mensch der geht, erlebt, dass sich mit jedem Schritt die Perspektive ändert.

Der Mensch, der geht, muss bereit sein, sich auf Neues einzulassen. Das Wort: „alles schon einmal dagewesen“ gilt nicht für den, der geht, denn mit jedem Schritt verändert sich die Welt um ihn herum.

Papst Franziskus sprach immer wieder von den sogenannten „Sofa Christen“. Das sind Menschen, die das Leben, die die Welt vom Sofa aus betrachten. Menschen, die oft alles besser wissen, die alles kommentieren, aber die sich selbst nicht engagieren. Menschen, die sich jedem Fort-schritt im wahrsten Sinne des Wortes verweigern, Menschen, deren Leben mit der Zeit so eintönig und staubig wird wie das Sofa, auf dem sie sitzen.

In der katholischen Tradition ist der Mai Monat der Marienmonat. Das Leben Marias, das Leben der Gottesmutter war ein Leben in Bewegung. Angefangen von ihrem Gang zu Elisabeth bis hin zu dem Weg unter das Kreuz.

Nun weiß ich von vielen von Ihnen, dass Sie oft gehen, wandern, dass sie oft unterwegs sind. Wahrscheinlich sind Sie nicht in der Gefahr, ein Sofa Christ zu werden und trotzdem:
lassen Sie Ihr Gehen auch zu einem Bild für Ihre geistige Beweglichkeit werden.

Rainer Sturm/pixelio.de

Gemeinsam

Und ein letzter Gedanke hier auf dem Berg: gehen kann man allein, aber bei höheren Bergen, erst recht bei alpinen Gipfeln ist es nicht angeraten , sich alleine auf den Weg zu machen.

Das gemeinsame Unterwegssein ist für mich auch ein Sinnbild dafür, dass man die wichtigsten Wege im Leben gemeinsam zurücklegt. Und so wie in einer Wandergruppe die Partner wechseln, die neben mir gehen, so wechseln auch in unserem Leben die Menschen, die mit uns gehen. „Ich wünsch, dass einer mit mir geht, der das Leben kennt und es versteht“ heißt es in einem modernen Kirchenlied. Es stimmt, jeder Weg, bei dem einer mitgeht, ist leichter zu gehen.

Vielleicht ist Ihnen das gar nicht so bewusst, wenn sie gemeinsam unterwegs sind, wie wichtig die anderen sind. Nicht mit allen ist man gleich begeistert verbunden. Und doch vereint einen der gleiche Weg.
Deshalb wäre es vielleicht hin und wieder einmal eine schöne Übung , die andern, die mit mir unterwegs sind, einmal in den Blick zu nehmen, dankbar zu sein für ihre Gesellschaft, neugierig zu sein auf ihre Situation, Verständnis zu haben für das, was einzelne mit sich herumtragen.
So wird das gemeinsame Wandern, das viele von Ihnen pflegen, zum Sinnbild dafür wie wir unser Leben besser meistern können: GEMEINSAM.

Auferstandene sind wir! Goldstücke sind wir!

Nächte können verdammt lang sein. Das weiß jeder schwer Kranke, der nachts von Schmerzen geplagt wird. Das weiß jeder, der schlaflos die Nacht verbringt. Jeder, der in der Nacht auf dem Dach hockt während die Flut immer weiter steigt. Jeder, den etwas beschäftigt, weil ihn irgendeine Sorge plagt.
In der Nacht kann man nicht handeln, nicht aktiv sein. Sie wird zu einem Synonym der Ohnmacht, ja zu einem Bild für den Tod.

Ich erinnere mich noch gut an eine Osternacht, die ich mit Studierenden am See Genezareth feiern konnte. Wir hatten uns in der Nacht versammelt und uns gegenseitig Nacht-Geschichten erzählt.
Vielleicht könnten Sie auch eine solche Geschichte jetzt beisteuern: dazu gehört gewiss die Nacht der Flut, aber auch andere Erfahrungen in ihrem Leben voller Ohnmacht, Ausweglosigkeit, Geschichten von Gewalt und Lüge, von Trauer und Schmerz, eben Nachtgeschichten.
Ich glaube, es ist nicht vermessen, wenn ich sage: jedes Menschenleben kennt solche Nachterfahrungen.

Nächte können verdammt lang sein – heute allerdings feiern wir, dass unsere Nächte nicht endlos sind, besonders nicht die Nächte der Seele.

Im Glaubensbekenntnis bekennen wir: ich glaube an Jesus Christus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten. Orthodoxe Bilder zeigen dieses Reich des Todes, jenes dunkle schwarze Loch, jene endlose Nacht, wo stellvertretend für die ganze Menschheit Adam und Eva ihre Hände Christus entgegenstrecken, damit er sie befreie von diesem Ort der Einsamkeit, der Beziehungslosigkeit, der Gottesferne. Sie mit hinauf nehme zum Vater.

Paulus sagt in seinem Zeugnis über die Auferstehung: „Erster ist Christus; dann folgen, wenn Christus kommt, alle, die zu ihm gehören.“ (1 Kor 15,22) Ich fand dazu bei einem Theologen ein passendes Bild: es ist so wie wenn in einer Seilschaft der Anführer den Gipfel als erster erreicht. Dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, dass auch die übrigen nachkommen; sie werden vom Anführer abgesichert und wenn nötig mitgezogen und nachgezogen.

Auferstehung ist also nicht etwas, was Jesus allein betrifft. Seine Auferstehung gilt auch uns! Deshalb feiern wir heute: „Auferstandene sind wir!“
Christen sind nicht Zeugen des Todes, sondern Zeugen des Lebens.

Sie stehen nicht auf der Seite derer,
die meinen, alles selbst machen zu können,
die glauben, ohne Gott und gegen die anderen ihr Leben führen zu können und im Teufelskreis von Gewalt und Lüge gefangen sind.

Alles, was Leben zerstört, was Hoffnungen tötet und was Angst macht, passt nicht zu denen, die glauben: Auferstandene sind wir!

Das gilt für jeden einzelnen von uns, dort wo wir leben in unseren Familien, in unserem Beruf in unserer Freizeit müssen wir deutlich machen: Alles, was das Leben zerstört, alles was die Hoffnungen tötet und was Angst macht, dient nicht dem Leben.

Dazu haben wir uns verpflichtet. Als wir getauft wurden, haben wir uns vom Tod abgewandt und dem Leben zugewandt: „Wir wurden mit Christus begraben durch die Taufe auf den Tod; und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben.“ (Röm 6,4).

Wir gehören zu Christus. Am Gründonnerstag haben wir die Eucharistie den großen Schatz, das Goldstück genannt, das der Kirche geschenkt wurde. Als Getaufte sind auch wir kleine Goldstücke, dazu bestimmt, das Dunkle, das Graue dieser Welt mit Goldglanz, mit Leben zu erfüllen.
Dieses neue Leben, diese neue Menschsein wurde bei der Taufe symbolisiert durch das Taufkleid – das neue Gewand. Auch wenn wir diesem Taufkleid längst entwachsen sind, wir tragen es ein Leben lang. Es ist wie eine unsichtbare Uniform der Christen, das immer dann sichtbar wird, wenn wir aus Liebe handeln, wenn unser Tun anderen die Zukunft nicht verbaut, sondern gewährt, wenn Menschen dadurch neue Hoffnung schöpfen.

Unser Taufkleid ist das Pilgerkleid jedes Christen, der unterwegs ist in den Nächten dieser Welt mit der glaubenden Gewissheit: Auferstandene sind wir ! Goldstücke sind wir!


Am Ende des Gottesdienstes erhielten die Mitfeiernden ein süßes Goldstück mit der Botschaft: „Du bist ein Goldstück“.

Goldstücke unterm Kreuz

Predigt vor der Passion

Ich hoffe, Sie sitzen alle gut oder haben einen festen Stand. Denn jetzt geht es zur Sache! Die ganze Welt drängt sich jetzt hinein in die Kirche von Dernau – besonders die leidende Welt.
Die Geschlagenen, die Verleugneten, die Enttäuschten, die Verratenen, die Opfer von Gewalt und Verleumdung, falscher Anklagen und schnellen Prozessen.
Und mittendrin, Sie und ich – niemand kann sich drücken und verdrücken – jetzt wird die Geschichte erzählt von dem, der allen wohl getan hat und dem man doch übel mitspielte.

Ich weiß, Sie kennen die Geschichte. Je nachdem wie alt Sie sind, haben Sie sie schon Dutzend Male gehört; aber schalten Sie jetzt bitte nicht ab, bleiben Sie bitte dran. Nein, bleiben Sie bitte drin in der Geschichte.

Entsetzen Sie sich bitte über das, was da geschickt, erschrecken Sie über das Verhalten der Menschen, gehen Sie mit Jesus seinen Weg – und sehen Sie in seinem Gesicht die Gesichter der Leidenden dieser Welt.

Für den Evangelisten Johannes ist der Kreuzweg nicht nur ein Leidensweg, sondern der Weg zu einer Thronbesteigung. Johannes hat lange nachgedacht über dieses Ereignis, das nicht nur ihm unverständlich ist.

Ein souveräner Jesus begegnet uns in seiner Passion. Das Aufrichten des Kreuzes, seine Erhöhung ist eine königliche Thronerhebung. „Wenn ich über der Erde erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen“, hat er zu Nikodemus gesagt.

Sagen Sie bitte nicht, dass Sie das sofort verstehen. Ein König, der ans Kreuz geheftet wird. Ein König, der nicht von oben herab regiert, sondern der alle an sich zieht.
Alle, nicht nur die Frommen, nicht nur die Erfolgreichen, nicht nur die auf der Sonnenseite des Lebens. Vor allem jene, die ihre Wunden scheu vor den anderen verbergen, die leiden und weinen in den stillen Nächten des Lebens. Alle, auch Sie und mich.

Ein geistlicher Lehrer (Ignatius von Loyola) empfiehlt uns, Christus unsern Herrn sich gegenwärtig und am Kreuz hängend vorzustellen und ein Gespräch zu halten, so „wie ein Freund zum anderen spricht“ (EB 53+54).

Kommen Sie also bitte mit bis unter das Kreuz: hier fällt aller Egoismus in den Abgrund des Todes.
Hier wird mir bewusst, wie sehr die Gewalt der Sünde jedem den Weg in die Zukunft verstellt – die eigene Sünde wie auch die Sünde der anderen, die mir schadet.
Hier werden die selbstverständliche Lüge und das Böse der Gewalt offenbart.Hier sehe ich, was der Apostel Paulus meint, wenn er schreibt: „Christus Jesus war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.“ (Phil 2,6-8)

Und dies nicht anonym, für die Menschheit schlechthin, sondern für Sie und für mich.

Wer dessen gewahr wird, wer erkennt – der hängt da am Kreuz für mich – der kann sich nicht abwenden und teilnahmslos von dannen ziehen. Der muss sich fragen lassen, was tue ich denn? Trete ich ein in diese Zuneigung Gottes zu den Menschen?

Mutter Theresa hat einmal gesagt: „Lieben, bis es weh tut!“
Ja es gibt Liebe, die weh tut, Liebe, die anstrengt.
Die Liebe in schlechten Tagen, in Krankheit, in Krisen.
Es gibt den Schmerz der Liebe, die keine entsprechende Gegenliebe findet und auch die Liebe, die nach der Liebe Gottes ruft und anscheinend keine Antwort erfährt.
Lieben, bis es weht tut! – wer mit dieser Absicht unter dem Kreuz steht, wird erleben, dass der Tod am Kreuz Anfang eines österlichen Triumphes ist. Aber zuerst gilt es unter dem Kreuz auszuharren. Lassen wir uns jetzt darauf ein – gemeinsam mit allen, die Jesus an  sich zieht.

Zur Kreuzverehrung

Du wolltest alle an Dich ziehen –
deshalb bringe ich Dir jetzt alle zum Kreuz –
alle, die mir lieb und teuer sind, alle, die mir etwas bedeuten, allen, denen ich dankbar bin.
Sie sind Goldstücke meines Lebens.

 

„Mein“ Abendmahl

Gründonnerstag 2025 in Dernau

Die bekannteste Darstellung des Abendmahl in der Kunst ist gewiss die von Leonardo Da Vinci. 1494-1498 hatte er dieses Monumentalgemälde für die Stirnwand des Dominikaner Klosters in Mailand geschaffen. Viele Künstler haben sich in diesem Thema versucht. In den gemalten Personen spiegelt sich die Deutung des Künstlers wider, der versucht, eigentlich Unfassbares in Formen und Farben wiederzugeben.

Letztlich wird das auch von uns in diesen Stunden verlangt: wir müssen „unser“ Abendmahl „malen“, so wie wir dieses Ereignis für uns ganz persönlich deuten. Keine Angst, nicht mit Leinwand und Pinsel: „Mein“ Abendmahl muss in meinem Herzen Gestalt annehmen, so dass es dort Spuren für mein Leben hinterlässt.

Versuchen wir ein paar Details wahrzunehmen, die uns helfen können, unseren ganz persönlichen Zugang zu finden:

Es ist eine Stunde großer Intimität: der Herr ist nicht in der Menge, nicht unter vielen Menschen, wie es oft im Evangelium beschrieben wird. Er ist mit den zwölf Aposteln allein, selbst die Frauen die noch in den letzten Tagen – etwa bei der Salbung in Betanien eine Rolle spielten – sind außen vor – was aus heutiger Perspektive ärgerlich ist.
Es ist eine Stunde voller Zeichen und Symbole: zwölf Jünger hat der Herr um den Tisch versammelt. Genauso viele Jünger wie es Stämme im Volk Israel gab, an dessen Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens dieses Mahl erinnert.
Es ist nicht irgend ein Paschamahl, ein Pessach-Mahl, wie so oft in der Geschichte des Volkes Israel; sondern es ist das eine Mahl, das den Beginn des neuen Gottesvolkes markiert.

Es ist die Stunde, in der der Herr selbst seinen Jüngern hilft, zu verstehen, was in den nächsten Stunden geschieht.
Die Fusswaschung beschreibt seine Sendung, seinen Dienst für andere. Die Herrlichkeit Gottes offenbart sich, indem er dem Geschöpf die Füße wäscht. Nur wer das versteht, begreift, was in den nächsten Stunden geschieht.

Obwohl zwölf am Tisch versammelt sind, ragen drei aus der Schar heraus: der Lieblingsjünger, Petrus und Judas.

Der Lieblingsjünger, den man oft mit dem Hl.Johannes gleichgesetzt hat, dessen Platz unmittelbar neben Jesus war. Der, der ihn wohl auf Anhieb verstand.  Er ist nach dem Ausweis des Johannes-Evangeliums der ideale Zeuge, weil er alles genau gesehen hat – und zwar in der richtigen Perspektive.[1]

Petrus, der intuitiv spürt, was die Fußwaschung für ihn bedeutet: letztlich ist er Geschöpf, das seine Existenz seinem Schöpfer verdankt. Ist er doch eher der Typ, der bestrebt ist, alles aus eigener Kraft lösen und zu erlösen. Er soll zulassen, dass sein Herr und Meister an ihm handelt.

Und schließlich Judas, ein Mensch voller Widersprüche. Zuerst von diesem Jesus so überzeugt, dass er alles verlässt, um ihm nachzufolgen, und schließlich von ihm so enttäuscht, dass er ihn für 30 Silberlinge verrät, so viel wie man damals für einen Sklaven bezahlte.

Drei Gestalten, die mir zeigen, was es mit dem Abendmahl, was es mit der Eucharistie auf sich hat:

  • es ist die Speise derer, die sich in einer besonderen Beziehung zum Herrn wissen. Die versuchen, ihn zu verstehen, die auch heute seine Zeugen sind.
  • es ist die Speisen derer, die wissen, dass sie sich dem Herrn verdanken, die wissen dass sie die Kraft dieser Speise benötigen, um den Alltag zu bestehen.
  • es ist die Speise der Sünder, die alle einmal „Ja“ gesagt haben und von ihrem „Nein“ eingeholt wurden.

Wir verdanken es Papst Franziskus, dass er uns diesen letzten Aspekt in Erinnerung gerufen hat: „Die Eucharistie ist […]nicht eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen.“ „Häufig verhalten wir uns wie Kontrolleure der Gnade und nicht wie ihre Förderer“, sagt er uns. „Doch die Kirche ist keine Zollstation, sie ist das Vaterhaus, wo Platz ist für jeden mit seinem mühevollen Leben.“ [2]

Mit diesem Wort hat der Papst die Herzen vieler Menschen getroffen. Jene, die sich lange Zeit ausgeschlossen erlebten, fühlen sich plötzlich wieder eingeladen.
Nicht, dass sie sich nicht bewusst gewesen wären Sünder, auch große Sünder, zu sein. Aber sie hatten vergebens Ausschau gehalten nach Barmherzigkeit.

Wenn Christus Judas am Tisch aushält, mit ihm das Brot teilt, mit ihm Mahl hält, dann hält er auch uns aus, dann hält er auch die aus, die wir so gern als Sünder bezeichnen.

Die Eucharistie ist der Schatz, der in der Kirche und im Leben an die erste Stelle gesetzt werden muss!“, sagt der Papst – ein Schatz, ein Goldstück – erinnern Sie sich noch an unser Fastentuch mit dem großen Goldklumpen.

Wenn ich mein Abendmahl malen würde (und könnte), ich würde es in goldenen Farben malen und drunter schreiben: Das Mahl der Sünder – ein kostbarer Schatz!
Und wie würden Sie Ihr Bild nennen?

[1] Und der, der es gesehen hat, hat es bezeugt, und sein Zeugnis ist wahr. Und er weiß, dass er Wahres berichtet, damit auch ihr glaubt. (Joh 19,35)

[2] Evangelium Gaudium Nr. 47
Das Bild zeigt ein Fresko aus dem 13.Jahrhundert, das Abendmahl von Jacopo Bassano und Studien von Andy Warhol zu Leonardo da Vinci

Jesus kommt nach Dernau? Er ist schon da

Predigt am Palmsonntag 2025 in Dernau – Gedanken zum Esel im Anschluß

In jenen Tagen hörte die Volksmenge,
die sich in Dernau auf das Osterfest vorbereitete,
Jesus komme nach Dernau.

Da nahmen sie Palmzweige, zogen hinaus, um ihn zu empfangen,
und riefen: Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn, der König Israels!

Würden wir, würde die Menge sich aufmachen, ihn zu empfangen?

  • Er ist keine Weinprinzessin, die freudig in ihrer Heimat begrüßt wird.
  • er ist auch kein Mitglied einer populären Musikgruppe, die hier im Sommer musizieren

Jesus, wer würde dir entgegen gehen?

Vielleicht würden wir uns die Zeit nehmen. Heute noch – aber morgen früh haben wir wieder andere Verpflichtungen. Wenn wir es überlegen, so ganz recht wäre uns das nicht, wenn Du gerade jetzt kämst, vielleicht nach Ostern, oder nach dem Weinfrühling, nein, da sind Sommerferien, vielleicht dann doch erst im Herbst, obwohl soviel Zeit hätten wir dann auch nicht, da ist ja Winzerfest und Martinsmarkt, und dann kommt der Advent und Weihnachten. Ganz schön viel los, Jesus – und dann kommst du auch noch.

Was würden wir rufen, wenn wir es denn passend machen würden?
Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn, der König Israels!

Klingt nicht mehr so ganz zeitgemäß; ein bisschen verstaubt.
Und außerdem, wir hätten da ne Menge Fragen – endlich könnte er uns auf alle Fragen eine Antwort geben, alle unsere Vorbehalte entkräften.
Wir könnten endlos diskutieren bis wir alles verstanden haben, was nicht zu verstehen ist.Ob wir dann noch jubeln werden, werden wir sehen. Vielleicht wechseln wir auch sofort zum „Kreuzige ihn!“

Wer bewahrt uns davor, dass wir unsere Sehnsüchte nicht auf ihn projizieren – so wie es die Menschen damals getan haben?
Endlich jemand, der dem Hickhack der Politik ein Ende macht.
Endlich jemand, der wirklich für blühende Landschaften sorgt.
Endlich ein Heiland für alles Unheile in meinem Leben und in der Welt.

Doch wehe, wenn die Erwartungen enttäuscht werden. „Hosanna“ und „Kreuzige ihn„; dazwischen gibt es nichts.

Also: Jesus – dein Kommen brächte uns schon in Verlegenheit.

Jesus kommt nach Dernau – eine Wunschvorstellung?
GottseiDank ist er schon da –

aus der Passionsgeschichte, aus der wir eben einen Ausschnitt gehört haben, wissen wir es.
Sie erzählt

  • Von der Todesangst (im Garten Getsemani)
  • Vom Verrat des Freundes
  • Von der Untreue des Freundes
  • Von Hohn und Spott, vom Mobbing der Soldaten
  • Von falschen Zeugen
  • Vom ungerechten Urteil
  • Vom gottverlassenen Sterben

Aber auch

  • Von der Liebe der Frau, die Jesus salbt und ihm Gutes tut
  • Von der Unterstützung des Simon von Cyrene
  • Von der kleinen Liebestat einer Veronika
  • Von der Mutter, den Frauen und den Freunden, die unter dem Kreuz aushalten.

Szenen der einen Passion, die sich so oder ähnlich in unserem Leben, im Leben der Menschen wiederholen.

Da finden wir ihn:
bei denen, die Not leiden,
bei denen, die sich verraten und betrogen fühlen,
bei denen, die gemobbt werden,
bei denen, die sich gegen böse Gerüchte wehren müssen,

und bei denen, die die Not der anderen lindern, Menschen beistehen, wie etwa die Johanniter, die  hier im Tal tätig sind.

Jesus kommt nach Dernau – das war die Idee.
Er will weder zum Bürgermeister, noch in die Winzergenossenschaft, noch in die Kirche hier.

Er will dorthin, wo Menschen leiden und wo die kleine Tat der Liebe das Leben und das Leiden leichter macht.

Auf dem Dernauer Dorfplatz steht ein Esel. Dort hat unser Gottesdienst zum Palmsonntag begonnen, denn da war doch etwas mit einem Esel.

Hier die Einladung zur Prozession: Meine Lieblingsrolle: der Esel.

Wenn ich mir eine Rolle in der Passionsgeschichte aussuchen müsste, wüsste ich wohl, welche ich gern spielen möchte: die des Esels, auf dem Jesus in die Stadt reitet.

In unseren Breiten gibt es das Wort vom „dummen Esel“ – eine Bezeichnung, die wir im Orient nie hören würden – dort werden die Esel wegen ihrer Orientierungsgabe sehr geschätzt, so daß keine Karawane ohne Esel loszieht. Ein Esel findet den Weg, den er einmal gegangen ist, mit absoluter Sicherheit wieder, sogar nachts, sogar noch nach Jahren. Aber das allein ist nicht der Grund meiner Auswahl.

Mich fasziniert immer wieder, wenn ich das Evangelium des Palmsonntags höre, das Wort „Der Herr braucht ihn!“ Ο κύριος steht da im griechichen Text, Kyrios, das ist der Titel des auferstandenen Christus – da leuchtet in dieser Szene am Anfang dieser Woche schon das Ende auf.

Vom Herrn gebraucht, aber nicht verbraucht zu werden – das spüre ich schon als Sehnsucht in mir.

Wir könnten heute damit anfangen. Wie sähe unsere Welt aus, wenn alle, die an diesem Palmsonntag einen Palmzweig zur Erinnerung an die Ereignisse in Jerusalem mit nach Hause nehmen, zu wahren Zeugen Jesu, zu Zeugen dieses Kyrios, zu Zeugen dieses Friedenskönigs würden?
Wenn wir alle verwirklichen würden, was wir in einem alten Kirchenlied singen. „Laß uns den Haß, das bittre Leid fortlieben aus der dunklen Zeit!
Ich bleibe dabei, die Rolle des Esels stände uns allen gut an –  denn der Herr braucht uns.


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Ein Vater, der goldene Brücken baut

Predigt zum Evangelium Lk 15, 11-32

Der ältere Bruder hat Recht mit seinem Protest. Er ist zu Hause geblieben beim Vater, hat sich nicht mit einem Teil des Vermögens auf und davon gemacht. (was juristisch in Ordnung war). Er hat das Geld nicht verprasst und ist nicht in der Armut gelandet, ganz unten bei den Schweinen, die der Gescheiterte hüten musste. Abgebrannt kehrt der nach Hause zurück und wird mit Freuden aufgenommen, sogar ein Fest wird für ihn veranstaltet.

Der Ältere wird zornig. Der davon-Gelaufene kommt nach Hause zurück und erlebt ein Fest, wie es der Brave, Wohlanständige es nie erfahren hat. Er hat sich abgemüht und nie etwas zurück bekommen.
Das ist nicht mehr mein Bruder, das ist dein Sohn“ schleudert er dem Vater entgegen. Wir spüren die Kälte, die Verachtung aus seinen Worten, aber auch seine Enttäuschung. Da gibt es nichts Verbindendes mehr. Da steht jemand allein auf weiter Flur. Er fühlt sich vergessen.
Nach den Maßstäben der Gerechtigkeit beurteilt ist, er im Recht. Aber dieser Standpunkt schließt ihn aus vom Fest. Zornig steht er vor der Tür.

Schauen wir einen Augenblick auf unser Fastentuch: ein dunkler schwarzer Balken schiebt sich quer über das Tuch, wie ein hässlicher Fluss, der die beiden Ufer voneinander trennt. Schwarz und dunkel wie die Enttäuschung, die aus den Worten des Älteren spricht,
schwarz und dunkel wie sein Zorn, trennend wie es der Standpunkt „ich bin aber im Recht“ oft ist, düster wie seine Enttäuschung und sein Allein-Sein.

Aber auch das Verhalten des jüngeren Bruders finde ich in diesem Schwarz wieder. Die Abfindung eines Kindes noch zu Lebzeiten des Vaters war dem jüdischen wie griechischen Hörer dieser Geschichte eine vertraute Rechtsgepflogenheit. Allerdings hatte derjenige, der wegzieht, damit alle Rechte verloren und keinerlei Ansprüche mehr bei einer etwaigen Rückkehr.
Auch die Krise, in die er gerät, ist nichts Außergewöhnliches: es kommt immer wieder vor, dass Menschen plötzlich am Ende sind. Und auch die Überlegungen, die der jüngere Sohn anstellt, sind nichts Außergewöhnliches: wer sich so in sein Unglück selbst hineingeritten hat, der muss auch sehen, wie er herauskommt.

Krisen, die wir selbst verschuldet haben, kennen einige von uns auch. Sie sind wie dieser schwarze Fluss, der einem den Weg versperrt hinüber und herüber.

Aber da ist noch jemand in dieser Geschichte: der Vater, der beiden entgegen geht.
Dem Jüngeren, dem verlorenen Sohn, um ihm die letzten aber doch schweren Schritte zu erleichtern,
dem Älteren, dem Vergessenen, um seine Enttäuschung und seinen Schmerz zu lindern..

Der Vater, der nicht eine Rechtfertigung einfordert, der, bevor der Heimkehrer eine Entschuldigung aussprechen kann, ihm um den Hals fällt und ein Fest für ihn veranstaltet.

Der Vater, der statt auf die Vorhaltungen des Älteren einzugehen, ihn verweist auf seine große Liebe und Güte: „mein Kind, du bist immer bei mir und alles, was mein ist, ist auch dein. Dieser, dein Bruder, war tot und lebt wieder. Er war verloren und ist wiedergefunden worden. Da muss man doch ein Fest feiern und sich freuen.“

Der Vater wird in dieser Geschichte wie auf unserem Fastentuch zur Goldenen Brücke, die den schwarzen Fluss überspannt und es möglich macht hinüber und herüber zu gehen.

Jesus hat die Geschichte vor fast 2000 Jahren erzählt, um seinen Zuhörern damals und uns heute zu sagen: so anders ist Gott! Das anscheinend Unmögliche, wird als das mögliche beschrieben. So handelt Gott am Menschen, so vergibt Gott dem Sünder, so baut er eine Brücke über Trennendes, so ist es im Reich Gottes.

Wir wissen, dass das Reich Gottes hier schon beginnt, deshalb brauchen wir solche „Väter Typen“.
Männer und Frauen, die  goldene Brücken zueinander bauen,  die dann, wenn alle Möglichkeiten unmöglich erscheinen, immer noch eine Tür haben, die sie öffnen und durch sie dem andern entgegen gehen können.
Männer und Frauen, die die verlorenen und vergessenen Söhne zurückholen.

Solche Väter Typen, Männer und Frauen, brauchen wir wenn wir wieder einmal draußen stehen, weil wir auf Recht und Ordnung pochen oder unsere Enttäuschung oder auch unsere Wut eskaliert. Die dann herauskommen und uns einladen, am Fest teilzunehmen, die Liebe und Versöhnung zu feiern.

Männer und Frauen, die uns eine Ahnung davon geben, wie Gott handelt.

Ob wir mit hineingehen, hängt dann von uns ab.
Wir können es wie der ältere Bruder im Evangelium machen, dessen Reaktion nicht berichtet wird und der vielleicht immer noch draußen steht während drinnen die Liebe gefeiert wird.


Till Magnus Steiner, Theologe, der in Jerusalem lebt, schreibt „Schriftfetzen“ zu biblischen Texten. Heute ein Psalm zu Lk 15:


Quelle: Facebook/Instagram „Schriftfetzen“.


Jeden Sonntag gibt es im Gottesdienst einen Gedanken zu der Darstellung des Fastentuches. Sie können Sie ergänzen oder auch widersprechen! Nutzen Sie die Kommentarspalte unten. Oder die Kommentarspalte auf dieser Seite: https://wilfried-schumacher.de/2025/03/07/fastenzeit-in-dernau/
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Mit der Gemeinde in Dernau freue ich mich über Ihre Beteiligung. Wenn Sie hier nicht schreiben wollen, können Sie mir auch persönlich schreiben.

Mit dieser Adresse kommen Sie immer schnell auf die Seite: fastentuch-dernau.de

Barmherzigkeit ist der Name Gottes

Es war und ist im heiligen Land üblich angesichts der beschränkten fruchtbaren Fläche in den Weingärten auch Fruchtbäume anzupflanzen. Deshalb steht der unfruchtbare Feigenbaum in einem Weinberg. Hier an der Ahr ist mir das noch nicht begegnet, aber vielleicht habe ich auch nicht genau genug hingeschaut. Ich habe mich gefragt, was würde ein Winzer machen angesichts von Weinstöcken, die keine Frucht bringen. Für den Weinbergbesitzer im Evangelium ist die Sache klar: der Feigenbaum bringt schon seit 3 Jahren keine Früchte mehr. Deshalb hau ihn um! Vielleicht wäre es auch die wirtschaftlichste Lösung.

Überraschend ist die Antwort des Winzers, der den Weinberg mit dem unfruchtbaren Feigenbaum bearbeitet: Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen; ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen. Vielleicht trägt er in Zukunft Früchte; wenn nicht, dann lass ihn umhauen!

Wenn wir solche Geschichten hören, müssen wir uns immer bewusst machen, in welchem Zusammenhang sie stehen. Sie stehen im Evangelium und damit wissen wir, es geht nicht um Landwirtschaft und Weinanbau, es geht um das Reich Gottes, es geht um unser Leben als Christen. Der Feigenbaum wird zu einem Bild für den Menschen, der Frucht bringen soll. Wenn er das nicht tut, ist allerdings „ hau ihn um“ nicht die erste Lösung. Er bekommt eine zweite Chance!

So wird der Winzer mit seinem Vorschlag: „Herr lass ihn dieses Jahr noch stehen, vielleicht trägt er in Zukunft Früchte“ zu einem Vorbild für Handeln im Reich Gottes. Wir könnten auch sagen: er zeigt uns, was es heißt „barmherzig“ zu sein!

Barmherzigkeit ist der Name Gottes schlechthin“, sagt Papst Franziskus. „Sie ist Stärke und Zärtlichkeit zugleich“.
Und Shakespeare weiß von der Barmherzigkeit: „Sie segnet den, der gibt, und den, der nimmt.“
Barmherzigkeit lässt sich nicht verordnen. Es ist die Kraft des Einzelnen.
Barmherzigkeit berechnet nicht. Sie gibt bedingungslos. Verschenkt und beschenkt nicht nur den Empfänger, sondern auch den, der gibt.

In der christlichen Tradition kennt man die „sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit“: Hungrige speisen, Durstige tränken, Fremde herbergen, Nackte bekleiden, Kranke pflegen, Gefangene besuchen, Tote bestatten.
Weniger bekannt sind die „sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit“: Dem Rat geben, der ihn braucht; den lehren, der nichts weiß; den korrigieren, der irrt; den Traurigen trösten; die Beleidigungen verzeihen; die unangenehmen Menschen mit Geduld ertragen; und schließlich: beten.

Sieben Werke der Barmherzigkeit – da sind wir wieder bei unserem Fastentuch. Sieben goldene Steine sehen wir auf dem Tuch. Heute erinnern Sie mich an die sieben Werke der Barmherzigkeit.
Vielleicht sagen Sie jetzt: ich kenne keinen Nackten, keinen Gefangenen, um die Beerdigung von Toten kümmern sich andere, mich fragt keiner um Rat usw.
Aber damit ist die Sache für Sie, für uns nicht erledigt:

Der frühere Erfurter Bischof Joachim Wanke hat versucht, diese Werke der Barmherzigkeit neu zu beschreiben:  für uns heute in unserer Sprache. Schauen wir sie an, vielleicht passen sie ja.

  1. „Einem Menschen sagen: Du gehörst dazu“
    Immer wieder gibt es Menschen, die am Rand stehen, die außen vor bleiben: in der Familie, im Verein, in der Gemeinde, in der Gesellschaft. Sie hineinholen „du gehörst dazu“.
  2. „Ich höre Dir zu!“
    Wir leben in einer Zeit totaler Kommunikation. Jeder hat sein Handy. Da gibt es SMS, WhatsApp, Twitter, Facebook, Tiktok und vieles anderes mehr. Und trotzdem: Haben wir wirklich noch Zeit zuzuhören?
  1. „Ich rede gut über dich“
    Unser Papst kämpft seit dem Beginn seines Pontifikats gegen den Tratsch. „er ist die Pest“ sagt er. Er schädigt die sozialen Bindungen, vergiftet die Herzen und führt zu nichts. Stattdessen gilt es, gut über den anderen zu reden.
  1. „Ich gehe ein Stück mir dir“
    „Ich möchte, dass einer mit mir geht, der’s Leben kennt, der mich versteht,“ heißt es in einem Kirchenlied im evangelischen Gesangbuch. Daliah Lavi sang vor über 50 Jahren: „Willst Du mir gehen, Licht und Schatten verstehn“. Es tut gut, nicht allein unterwegs zu sein.
  1. „Ich teile mit dir“
    Es gibt Vieles, was wir teilen können – nicht nur Materielles, vor allem auch Zeit, vielleicht auch Interessen, Erfahrung, Träume, Visionen, Zukunft
  1. „Ich besuch dich“
    Einsamkeit kann jeden und jeden treffen. Sie hat unterschiedliche Ursachen. Davon betroffen sind sowohl ältere als auch jüngere Menschen. Sie sprechen nicht häufig über ihre Einsamkeit, schaffen es oft nicht aus eigener Kraft, sich aus der Einsamkeit zu befreien. Da braucht es Menschen, die das wahrnehmen und die sagen „Ich besuch dich“
  1. „Ich bete für dich“
    „ich denke an Sie, ich bete für Sie“ -ein solches Wort erhellt oft die Gesichter der Menschen. Für einen anderen beten heißt, ich nehme ihn mit zu Gott, schaue ihn oft mit neuen Augen. Ich mache mir seine Sorgen zu eigen, ich bitte für ihn, aber auch: ich danke für ihn.

Sieben Werke der Barmherzigkeit, ob klassisch oder modern – auf unserem Fastentuch werden sie für mich zu sieben Goldstücken, kostbar, leuchtend. Amen

Damit wir leben können

Auf unserem Fastentuch fällt der schwarze Balken auf, der sich quer über das ganze Tuch zieht. Für mich heute ein Symbol für die dunklen Stunden im Leben:

Es gibt dunkle Stunden im Leben.
Wenn man zum Beispiel tagelang unterwegs ist mit Unsicherheit, Sorge und Angst:
· jemand, der schwer erkrankt ist und auf die endgültige Diagnose wartet,
· jemand, der in einer großen existentiellen Unsicherheit lebt, der fürchtet in einer Beziehung einen Menschen zu verlieren, dem der Verlust des Arbeitsplatzes droht,
· jemand, dem die sogenannten Sicherheiten des Lebens abhanden gekommen sind – wie vielen Menschen bei der Flut hier im Tal.

Da hat man das Gefühl: es ist nur noch Nacht, auch am hellen Tag. Es sind die Nächte mit den Fragen, die wir alle kennen: Wie ist das möglich? Warum greift Gott nicht ein? Ist er nicht der barmherzige Vater? Wo ist da die Anwesenheit Gottes in dieser Welt. Wieso gehen die Dinge diesen Weg?

Abraham kannte das auch: Aufbruch in ein fernes Land, immer wieder Verheißungen, immer wieder Herausforderungen, immer wieder diese quälende Ungewissheit, ob in Erfüllung geht, was ihm vesprochen wird. Abraham war überzeugt: Gott wird es richten! Und Gott rechnete es ihm als Gerechtigkeit an. (Gen 15,6)

Was kann uns helfen, die Dunkelheiten im Leben tzu bestehen, zu verhindern, dass der Weg in der Dunkelheit nicht in die Gottferne führt?

Wir Menschen wollen sehen statt glauben, wir wollen wissen statt vertrauen.
Den Aposteln Petrus, Jakobus und Johannes wird auf dem Berg, auf den sie Jesus führt, geschenkt, was viele Menschen ersehnen. Sie dürfen Jesus schauen als den, in dem Gesetz und Propheten ihr Ziel und ihre Erfüllung haben. Er ist des ewigen Gottes vielgeliebter Sohn.

Man kann nur erahnen, was die Jünger dort erlebt haben, wenn man den Vorschlag des Petrus hört: „Meister, es ist gut, daß wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen!“ Ein solche Erfahrung muss man festhalten, muss man bewahren.

Andreas Bourani singt:Wer friert uns diesen Moment ein?. Besser kann es nicht sein“.
Er hat Recht, solche Glücksmomente dürfen nicht vergehen. Wir möchten sie festhalten.
Glücksmomente des Glaubens, wenn wir uns der Liebe Gottes, seine Hilfe, seiner Zuwendung sicher sind.
Glücksmomente in der Liebe, der Beziehung, wenn uns die Liebe, Treue, die Freundschaft zum Fundament werden, auf dem wir stehen können.
Glücksmomente im Beruf, im Studium, in der Schule wenn uns etwas gelungen ist, wenn wir gelobt, gefördert oder befördert werden.

Es gibt solche Stunden, in denen wir wie Andreas Bourani in den Song einstimmen können: „Ein Hoch auf uns, auf dieses Leben, auf den Moment der immer bleibt. Ein Hoch auf uns, Auf jetzt und ewig, Auf einen Tag Unendlichkeit.
Aber Andreas Bourani irrt an einer wesentlichen Stelle: die Unendlichkeit, die ewige Treue, die Unsterblichkeit gibt es nicht auf dieser Welt.

Jesus steigt mit seinen Jüngern wieder hinab vom Berg, hinab zurück in den Alltag. Der Augenblick des überwältigenden Lichts ist auf dieser Welt nicht ewig – und trotzdem brauchen wir ihn, und nicht nur einmal – weil wir aus ihm leben.

Wir brauchen die Momente des Glücks, Momente des Lichts! Gäbe es diese Momente nicht, wäre die Welt ein einziges Jammertal.
Auf unserem Fastentuch liegt ein großer Brocken auf dem schwarzen Band – ein großes Goldstück. Es symbolisiert für mich die Augenblicke des Glücks, der Zufriedenheit, der Hoffnung, des Lichtes in unserem Leben. Augenblick, die das Dunkle erträglich machen.
Der zweite Fastensonntag lädt uns ein, nicht nur auf das Dunkle im Leben zu schauen, sondern auch das Helle, das Lichte dankbar in den Blick zu nehmen – damit wir leben können!

Jeden Sonntag gibt es im Gottesdienst einen Gedanken zu der Darstellung des Fastentuches. Sie können Sie ergänzen oder auch widersprechen! Nutzen Sie die Kommentarspalte unten. Oder die Kommentarspalte auf dieser Seite: https://wilfried-schumacher.de/2025/03/07/fastenzeit-in-dernau/
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Fastentuch Dernau

(c) MISEREOR

Fastentücher, Hungertücher wurden früher aufgehangen, um das Gold und die Farbe der Altäre in der Fastenzeit vor den Augen zu verbergen. Die Menschen sollten auch mit den Augen fasten.
In diesem Jahr haben wir in Dernau noch einmal das MISEREOR-Hungertuch aus dem Jahre 2015 aufgehängt.  Gemalt hat es der chinesische Künstler Dao Zi. Es hat die Überschrift „Gott oder Gold – Wie viel ist genug?“
Für den einen symbolisiert der große Goldklumpen wirklich den Reichtum, den wenige angehäuft haben, „das Gold in vielerlei Prägung, nach dem Menschen verlangen und dem sie sich verschreiben – einem Götzen mit magischer Anziehungskraft“. Für andere ist es vielleicht die „goldene Brücke“ über einen Abgrund, der so überwunden wurde oder noch gemeistert werden muss.
Wir haben in den nächsten Wochen genug Zeit, um das Tuch zu betrachten. Es gibt nicht die eine Erklärung, sondern es gilt das, was wir aus dem Bild lesen – in unterschiedlichen Situationen, in unterschiedlichen Stimmungen.

Ich lade Sie ein, lassen Sie uns teilhaben an Ihren Gedanken zu dem Tuch. Was sehen Sie? Was löst es in Ihnen aus? Hat es eine Wirkung? Verändert sich etwas? Nutzen Sie die Kommentarspalte unten.

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