Eine Kostbarkeit im Ahrtal

Predigt am Fest Maria Geburt in der Kapelle in Pützfeld

Von manchen Menschen sagen wir, sie seien ein Geschenk des Himmels. Es sind Menschen, denen wir vieles zu verdanken haben, die uns wichtig sind, die unser Leben bereichert oder vielleicht auch sogar gerettet haben.
Wir feiern heute, dass Maria ein Geschenk des Himmels ist.
Über dem Südportal der Kapelle steht die Inschrift: „Deine Geburt Mutter, Jungfrau Maria, verkündete der ganzen Welt große Freude, aus dir nämlich ist die Sonne der Gerechtigkeit hervorgegangen, Christus, unser Herr“.

 

Wer von Ahrbrück aus durch das Ahrtal Richtung Altenahr fährt, kann diese Kirche nicht übersehen. Ihr strahlendes Weiß ist heute ein sichtbares Zeugnis im Tal. Das war nicht immer so: bis in die 60er Jahres des vergangenen Jahrhunderts versteckte sie sich mit ihren grauen Bruchsteinmauern am Felshang der Biebelsley.

Aber jetzt sieht man dieses kleine Kirchlein. Die Ahr, die mit ihren Fluten so oft schon viel Unglück gebracht, rauscht anscheinend teilnahmslos vorüber und über die Bundesstraße rasen die Auto- und Motorradfahrer vorbei, ohne zu wissen, wie kostbar dieser Ort ist.

Ich lade Sie ein, sich heute von diesem Ort berühren zu lassen.
Der Altar kündet von Maria, von der die Kirche sagt: sie sei die „Immaculata“, die „unbefleckt Empfangene“. Sie war in besonderer Weise vom ersten Augenblick ihrer Existenz an erwählt. Sie wurde von allem Anfang an von der Erbsünde freigehalten, da sie dazu ausersehen war, die Mutter Christi zu werden. – Es lohnt sich, ihr Leben zu betrachten, losgelöst von allem Kitsch, mit der ihr Bild oft befrachtet ist und der manchen Menschen den Zugang zu ihr erschwert

Gott an der eigenen Lebensgeschichte mitschreiben lassen
Was dann bleibt, ist das Bild eines einfachen Mädchens, erzogen im jüdischen Glauben, erfüllt von der Hoffnung, dass der Messias komme, um sein Volk zu erlösen. „Da sandte Gott den Engel Gabriel in eine Stadt namens Nazaret zu einer Jungfrau namens Maria„, beginnt ihre Lebensgeschichte im Neuen Testament.

Oben im Altaraufsatz sehen wir das Bild mit dieser Szene. „Engel“ treten in der Bibel immer dann auf, wenn auf geheimnisvolle Weise Gott in das Leben eines Menschen einbricht. Maria vernimmt eine Botschaft, die ihr Fassungsvermögen übersteigt: Sie, die Jungfrau, soll Mutter des Messias werden.

So etwas kann sich der Mensch nicht ausdenken, auf diese Idee kann er gar nicht kommen: Gott will Mensch werden! Bis auf den heutigen Tag bleibt diese Stunde für die Menschen ein Ärgernis, mit allerlei möglichen Erklärungen, biologischen, philosophischen und pseudotheologischen, versuchen sie, hinter die Sache zu kommen.

Je mehr sie spekulieren, je weniger erfassen sie, was da geschehen ist.
In freier Entscheidung hat Maria das Wort Gottes angenommen – wie keiner vor ihr und keiner nach ihr. Sie ist nicht von jenem Hochmut besessen, dass Gott in dieser Welt nicht vorkommt, in ihr nichts zu suchen hat. Für Maria ist bei Gott das Unmögliche möglich.
Sie ist einverstanden, dass ihre Geschichte nun von Gott geschrieben wird.

Stern, der Orientierung gibt

Wer sich dieser Kapelle nähert, ist vielleicht überrascht von ihrer schlanken Gestalt, die noch unterstrichen wird durch den hoch aufragenden Dachreiter. Wer genauer hinschaut, entdeckt, dass kein Kreuz und kein Hahn den Dachreiter krönt, sondern ein Stern, der über einer Erdkugel schwebt. Er erinnert daran, dass Maria als „Meerstern“ bezeichnet wird. Ein Meerstern schenkt Orientierung.

Da sind wir wieder bei einer Geschichte aus der Bibel.
Bei der Hochzeit zu Kana war es gewesen: dem Gastgeber war der Wein ausgegangen und Maria hatte es bemerkt. Sie geht zu ihrem Sohn. „Sie haben keinen Wein mehr“, sagt sie ihm und handelt sich eine brüske Zurechtweisung ein: „Was willst du von mir, Frau?“ Spricht so ein Sohn mit seiner Mutter? fragen wir, und über dem Wunder, das anschließend geschah und über das so viele ihre faulen Witze machen, überhören wir das Wort, das Maria den Dienern sagt und das so etwas wie ihr Lebensprogramm geworden ist: „Was er euch sagt, das tut“.

Die Mutter tritt ganz hinter ihrem Sohn zurück.

Ich denke an die Madonna über dem Eingangsportal, wo Maria anscheinend dem Betrachter entgegenkommt, als wolle sie sagen: „Ich will ihn nicht besitzen, er ist für dich, auf ihn kommt es an.“
Das ist die Orientierung, die Maria, der Meerstern,uns gibt: Was er Euch sagt, das tut.

Kerzen erzählen von Menschen und ihren Schicksalen

Wer die Pützfelder Kapelle betritt, stellt fest, dass hier vor der Muttergottes Kerzen brennen.
Es scheint, dass viele Menschen mit Maria besser zurechtkommen als mit ihrem Sohn. Aus meinen Kindertagen weiß ich, dass ich oft zur Mutter lief, wenn ich wollte, dass sie dem Vater etwas nahebringe, was ich ihm nicht direkt sagen wollte.

Ist ein solcher Vergleich zu banal, zu „menschlich“ gedacht? Aber hat Gott, indem er Mensch wurde, uns nicht auch gestattet, so menschlich zu denken, Zuflucht zu nehmen zu der Frau, die ihm nahe ist wie kein anderer Mensch, weil er in ihr Mensch wurde?

Die Kerzen in der Kapelle künden von den Gebeten vieler Menschen an diesem Ort: vom Jubel und von der Klage, die von hier den Weg zum Himmel nahmen, von Träumen und Hoffnungen, von Enttäuschungen und Resignationen, die hier in Worte gefasst wurden, und von den kleinen Alltäglichkeiten, die vor ihr der Rede wert waren – oft nur ein flüchtiges Gebet, ein Ave Maria lang. Für wie viele Menschen wurden die Lichter hier schon entzündet?

Jede der kleinen Flammen erzählt von Menschen und ihren Schicksalen, von denen wir nur etwas ahnen können.
Die vielen Kerzen, die da brannten, geben Zeugnis von vielen Menschen, die Gott zutrauen, dass er die Geschichte auch ihres Lebens mitschreibt und die dies gerne zulassen – wie jene Frau  aus Nazaret, die sie hier verehren.
Alles in allem ein Grund, sie  zu feiern.

Die Kapelle in Pützfeld ist täglich geöffnet. Man kann sie mit dem Auto nicht direkt erreichen; aber zu Fuß oder mit dem Rad (der Ersatz-Radweg führt direkt unterhalb an ihr vorbei). Mit dem Auto am „Penny“-Parkplatz parken, mit Vorsicht die Bundesstraße überqueren. 10 Minuten Fußweg zur weithin sichtbaren Kapelle.

Gebet zur Weinlese

Gesegnet seist Du, Gott, unser Gott,
König des Universums, Schöpfer der Frucht des Weinstocks.
In diesen Tagen beginnt die Weinlese, die die Menschen hier im Tal in den nächsten Wochen beschäftigen wird.

Die Winzerinnen und Winzer haben ihre ganze Arbeit in die Pflege ihrer Weinberge gesteckt und hoffen, dass trotz aller Widrigkeiten ein guter Wein heranwachsen konnte.
Jetzt wollen sie die Frucht ihrer Arbeit, die Du hast wachsen lassen, ernten.

Deshalb bitten wir Dich um Deinen Segen für alle hier im Tal, die in den nächsten Wochen in die Weinberge gehen und die Trauben lesen – auch für alle, die von auswärts kommen und ihnen helfen.
Schenke Ihnen Kraft und auch Freude für ihr Tun. Lass sie dankbar, dieses kostbare Gut Deiner Schöpfung ernten, und bewahre sie vor allem Unheil und Unglück.

Schenke uns die Witterung, die wir brauchen, damit alle gut arbeiten können, und die die Qualität der Trauben noch kurz vor der Lese verbessert.Lass uns am Ende dankbar sein für jedes Fass Wein, das uns dank deiner Schöpfung und der Kunst der Winzer geschenkt wird.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.

1.September 2024 Dernau

 

Swiftkirchen am See Genezareth

Waren Sie schon einmal in Swiftkirchen? Vielleicht wissen Sie gar nicht, dass es den Ort gibt. Vor zwei Wochen hat sich die Stadt Gelsenkirchen für ein paar Tage in Swiftkirchen umbenannt. Die Popsängerin Taylor Swift gab dort einige Konzerte. 200.000 Menschen pilgerten dorthin, weil sie sich davon gute Musik und einen unterhaltsamen Abend versprachen.

200.000 Menschen an drei Abenden. Daran musste ich denken als ich das 6.Kapitel des Johannes-Evangeliums (Joh 6,1-15) las. Eine große Menge Menschen begleitete Jesus, viele Fans – würde man heute sagen – , die sich etwas von ihm erhofften, ein gutes Wort, Trost, Heilung. 5000 Menschen – für die Gegend um den See Genezareth mit ihren kleinen Städten und Gemeinden eine vergleichbare Menge wie jene 200.000 Menschen in Swiftkirchen.

Welche Fülle! Aber versuchen wir, uns nicht von der Zahl blenden zu lassen – schauen wir noch einmal auf den Text:

„Alle Menschen wollten zu ihm“ – hieß es. Jesus sieht die Bedürfnisse der Menschen. Wer Hunger hat, kann nicht mehr zuhören.  Wer wirklich Hunger hat,  ist in seinen Gedanken nur noch mit dem Überleben beschäftigt „Wo können wir Brot kaufen?“

Philippus, einer seiner Jünger, wird von Jesus als Erster mit der Frage konfrontiert. Ihm ist klar: Brot für zweihundert Silberstücke würde nicht ausreichen.

Und jetzt? Andreas weiß, einer hat etwas Eßbares dabei: „Ein Kind ist hier. Das hat fünf Gerstenbrote, dazu zwei Fische“. Als er es ausspricht ist ihm klar: Was ist das für so viele?

 Jesus nimmt das, was da ist – Er jammert nicht, weil es nicht mehr ist. Er macht niemandem einen Vorwurf! Er dankt für das Wenige.

Halten wir einen Moment an – schauen wir auf das Wenige, das wir haben:
Zu wenig Geld – werden Sie jetzt vielleicht auch lachend sagen.

Aber es gibt bei uns auch
zu wenig Zeit zum Zuhören;
zu wenig Ehrlichkeit mir selbst gegenüber;
zu wenig Kraft zur Stille;
zu wenig Offenheit dem anderen gegenüber;
zu wenig Freiheit, um zu teilen und zu schenken;
zu wenig Vertrauen,
zu wenig Mut zum Glauben;
zu wenig Zeit zum Beten;
zu wenig Freude am Leben;
zu wenig Dankbarkeit;
zu wenig – Liebe….

In der Geschichte nimmt  Jesus nimmt das Wenige und dankt, denn das Wenige ist für ihn ein Teil der Fülle, die Gott schenkt.

Was danach geschieht, berichtet Johannes ganz lapidar, es klingt überhaupt nicht aufregend, nicht mirakulös – Brot und Fisch werden ausgeteilt und es reicht für alle.

Der Evangelist spricht weder von einer Brotvermehrung, noch von einem Wunder – nur von einer Fülle, die erwachsen ist aus dem Teilen und Weitergeben. Die Fülle des Lebens erwächst aus dem Teilen und Weitergeben.

Während wir uns noch fragen: wie kann das sein? übersehen wir, dass es wirklich ein Wunder ist: im Teilen und Verteilen wirkt Gott das Wunder –

Vielleicht haben Sie es auch schon mal erlebt:
wenn Sie das Wenige, das Sie hatten, geteilt haben,
das Wenige an Zeit, an Mut, an Vertrauen, an Dankbarkeit und Liebe – ist daraus mehr geworden!

Der Herr bedient sich dessen, was da ist – aus unserem menschlichen Zu-wenig wird durch Jesus die Fülle offenbar.

Die Fülle des Lebens kommt in den Menschen zu uns, die mit uns teilen. Dies ist eine andere Fülle, ein anderer Reichtum als der des Habens und Besitzens.

Unter den Händen der Menschen, die teilen, entsteht eine neue Welt – die Bibel würde sagen „Das Reich Gottes“.

Aber: so schnell lernen die Menschen das nicht – weder damals am See Genezareth, noch heute. Kaum sind sie gesättigt, haben sie eine merkwürdige Idee: dieser Jesus könnte doch unser König werden, unser Brotkönig, zuständig für das tägliche Brot.

Aber Jesus entzieht sich ihnen. So geht es nicht. Die Fülle des Lebens erwächst aus dem Teilen und Weitergeben – es muss nicht immer Brot sein!

Predigt am 27.7,2024 bei der Anna-Kirmes in Weidenbach

 

3 Jahre nach dem Karfreitag des Ahr-Tals

Installation von Annemie Ulrich in Hönningen mit Collage von Wolfgang Kutzner aus Staffel

Es war schon schlimm: viele hatten ihre Häuser, ihr Hab und Gut verloren. Viele waren gestorben. Viele fern von Ihren Lieben. Viele waren verzweifelt, resigniert. Nein das ist keine Beschreibung von der Flut und ihren Folgen, die das Tal vor 3 Jahren heimgesucht hat.
Dies ist die Beschreibung einer 2500 Jahre alten Erfahrung, die das Volk Israel gemacht hat. Manche sprechen vom „Karfreitag Israels“, der Zerstörung des Tempels in Jerusalem, der Verschleppung großer Teile der Bevölkerung ins babylonische Exil fern von der Heimat.

Vielleicht werden die Historiker auch einmal vom „Karfreitag des Ahr-Tals“ sprechen, wenn sie von der großen Flut reden.

Vor 2500 Jahren trat der Prophet Jeremia auf. Er forderte die Israeliten auf, die Situation anzunehmen, nicht auf jene falschen Propheten zu hören, die eine schnelle Veränderung versprachen, die der guten alten Zeit nachtrauerten und den Menschen vorgaukelten, dass alles bald wieder so sein kann, wie es früher war.

Dem Propheten war klar, es gibt zwei Möglichkeiten, wie man sich verhalten kann: die eine ist, sich abzuschotten, vielleicht innerlich auszuwandern. Dann kann man kräftig kritisieren und darauf warten, dass sich etwas ändert oder, noch besser, dass jemand anderes für einen die Karre aus dem Dreck zieht.
Die andere, die bessere Möglichkeit ist die, die Jeremia empfiehlt: die Zukunft zu gestalten, statt abzuwarten oder zu verzagen.

Für diese Haltung hat er auch ein mutmachendes Gotteswort parat: Ich will euch Zukunft und Hoffnung geben. (Jer 29,11)

Ich weiß, dass viele hier im Tal mit Gott gehadert haben, verzweifelt ihre Klage in den Himmel geschrien haben. Sie haben gefragt nach dem „Warum“, aber der Himmel blieb stumm und gab keine Antwort. Ja, es war ein „Karfreitag dieses Tals“, an dem die Klage von Golgotha „Mein Gott, warum hast du uns verlassen?“ tausendfach gehört wurde.

Vieles ist seitdem geschehen, vieles, was ich gerne als „Hoffnungszeichen“ bezeichne, die man für die eigene Hoffnung benötigt:

Zuerst kamen die vielen Helferinnen und Helfer aus allen Himmelsrichtungen, um mit anzupacken und zu trösten. Es waren Engel mit Menschengesichtern. „Alle 15 Minuten verliebt sich ein Helfer ins Ahrtal“, steht in Dernau an einer Hauswand geschrieben.

Dann kam die Zeit der Entscheidungen: bleiben wir oder gehen wir? Bauen wir wieder auf oder reißen wir ab? Bekommen wir Hilfe vom Staat, von Versicherungen? Die Betroffenen machten Bekanntschaft mit der deutschen Bürokratie, die nur Ordnung, aber keine Katastrophen kennt. Viele haben es trotzdem geschafft: Sie konnten aufbauen, neu bauen, renovieren, restaurieren.

Viele Wunden sind überall noch zu sehen und werden wohl auch noch länger bleiben. Ganz zu schweigen von den unsichtbaren Wunden der Seelen.

Hoffnung – gesehen in Dernau

Das Wort des Propheten Jeremia „ich will euch Zukunft und Hoffnung geben“ hat sich an vielen Stellen schon bewahrheitet und bleibt weiterhin gültig.

Ich möchte noch zwei andere Worte dazu legen, damit deutlich wird, in welcher Spannung wir leben und worauf es ankommt. Der Heilige Ignatius von Loyola hat gesagt: „Handle so, als ob alles von dir abhinge, in dem Wissen aber, dass in Wirklichkeit alles von Gott abhängt“. Oder anders formuliert: bete, als ob alles von Gott abhängt und handle so, als ob alles von dir abhängt.

Im Psalm 18 betet der Beter, nachdem er eine große Not überstanden hat: „der HERR, mein Gott, macht meine Finsternis hell, mit meinem Gott überspringe ich Mauern.“ (Psalm 18, 29b.30b)

Wenn wir unsere geschenkte Zukunft gestalten wollen, erleben wir, dass wir immer wieder auf Mauern stoßen. Drei Mauern erkenne ich:

  1. Die Mauer des harten Herzens

Wer in diesen Tagen die Nachrichten verfolgt, muss erschrocken sein über das alles, was an Grausamkeit, an Aggression, an Egoismus, an blinder Gewalt aus dem Herzen des Menschen hervorgebrochen ist.

Diese Mauer werden wir überwinden können, wenn nicht Selbstverwirklichung und die Verteidigung der eigenen Interessen und Ansprüche unser Handeln bestimmen, sondern die Hinwendung zum Nächsten, das Aufeinander-hören, das Wahrnehmen des anderen. Dann können wir vergeben und uns wird vergeben, dann können wir schenken und uns beschenken lassen.

  1. Die Mauer der ausgebeuteten Natur

Die Flut hat es auch uns gezeigt: Die Natur zeigt uns ihre Grenzen. Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch nachhaltig machbar. Rohstoffkrise, Energiekrise, Ernährungskrise, Umweltkrise – alles Hinweise darauf, dass sich die Vorräte und Lebensräume unserer Welt nicht beliebig vermehren lassen.

Diese Mauer werden wir überwinden, wenn wir die Grenzen, die uns Natur setzt, akzeptieren. Wenn wir unseren Lebensstil verändern. Ob wir wollen oder nicht. Wir können nur im Einklang mit der Natur leben und nicht indem wir sie ausrauben und ausbeuten.

  1. Die Mauer des gestörten Miteinanders

Dank der Mobiltelefone, die die meisten von uns haben, sind wir heute in unserer Tasche mit der ganzen Welt vernetzt. Gleichzeitig sind wir so durchsichtig wie noch nie vorher in der Weltgeschichte: das Netz weiß vieles von uns, wo wir uns aufhalten, welche Musik wir lieben, welche Filme wir sehen, mit welchen Menschen wir im engen Kontakt stehen. Und doch hat die Einsamkeit unter den Menschen zugenommen.

Diese Mauer des gestörten Miteinanders werden wir überwinden, wenn wir lernen, das „Ich“ klein zu schreiben und das „Du“ groß zu schreiben. Das Miteinander gelingt, wenn es uns darum geht, nicht verstanden zu werden, sondern zu verstehen, nicht geliebt zu werden, sondern zu lieben.

Mit unserem Gott können wir diese Mauern überspringen und Zukunft gestalten.

Gesehen an einem Fluthaus in Dernau

Ich will euch Zukunft und Hoffnung geben – wir werden es auch weiter erleben, wenn wir darum beten und selbst auch handeln.
Sagen Sie jetzt bitte nicht: wir sind zu wenige. In der jüdischen Tradition heißt es: es genügen zwei, um eine Sache zu verändern – so wie der Herr im heutigen Evangelium (Mk 6,7-13) die Jünger immer zu zweit ausgesandt habt. Ich zähle hier schon mehr als Zwei.

 

Predigt am 14.Juli 2024 in Hönningen/Ahr
Wertvolle Impulse für diese Predigt verdanke ich der Ansprache von Klaus Hemmerle am 13. September 1978 in der Eröffnungsveranstaltung des 85. Deutschen Katholikentags 1978 in Freiburg i. Br.

Plädoyer für eine Kirche der Zärtlichkeit

Die 50 Jahre alte Primizkerze brannte heute in der Pfarrkirche in Dernau aus Anlass meines Goldenen Priesterjubiläums, das ich dort feiern konnte.
Evangelium: Mk 5,21-24; 35b-43

Haben sie auch in den letzten Tagen gestaunt über die Bilder, die uns das Fernsehen von der Fußball Europameisterschaft vermittelt hat: wie sich da Tausende von Menschen in den sogenannten Fanzonen versammelt haben? Daran musste ich denken als ich das Evangelium las.

Jesus hatte einen furiosen Auftakt seines öffentlichen Wirkens: die Menschen drängen sich um ihn, laufen ihm nach, denn er heilte viele, so dass alle, die von Leiden gequält waren, sich auf ihn stürzten, um ihn zu berühren. Überall wo er hinkommt, kommen ihm die Menschen entgegen. Auch als er nach einem Ausflug ans Ostufer des Sees Genesareth wieder nach Kafarnaum zurückkehrt. Es versammelt sich wieder um ihn „eine große Menschenmenge“, wie der Evangelist Markus berichtet. Es werden nicht so viele gewesen sein wie in den Fanzonen der Europameisterschaft, aber es ist schon vergleichbar. Modern könnte man sagen: Jesus ist im Stress

Der Synagogen-Vorsteher Jairus, der zu ihm kommt, ist gewiss nur einer von vielen an diesem Tag, die Jesus ihr Leid klagen. Sein Kind liegt im Sterben. Jesus soll sie vor dem Tod retten. Ein verzweifelter Vater, der diesem Jesus zutraut, die aussichtslose Lage zu wenden. Und was macht Jesus? Markus schreibt ganz lapidar: da ging Jesus mit ihm.

Erahnen Sie, was das für Jairus bedeutet: Jesus geht mit ihm! Einer aus der großen Masse, für den Jesus jetzt da ist. Er wird für ihn zum Weggefährten.
Das Leben eines Menschen wird ja oft als Weg verstanden! Unser Lebensweg kennt viele Zuschauer, die oft unbeteiligt am Wegesrand stehen, sich oft sogar noch freuen, wenn es nicht richtig vorwärts geht und man sich quält auf seinem Weg, oder die meinen, mit klugen Ratschlägen wäre schon geholfen.

Viele von Ihnen hier im Tal haben in den Tagen, Wochen, Monaten und Jahren seit der Flut erfahren, wie wichtig die Gegenwart von besorgten und hilfsbereiten Menschen ist, die zupacken und zuhören. „Ich möchte dass einer mit mir geht, der das Leben kennt der mich versteht“,  heißt es in einem modernen Kirchenlied.

Einen solchen Menschen zu treffen, der bereit ist, den Rhythmus des andern zu übernehmen und ihm nicht seinen Schritt aufzuzwingen, das ist der Beginn einer Hoffnung, die Wende in einer Krise. Jesus geht mit  Jairus und wird für ihn zum Hoffnungszeichen. So wie die vielen Helferinnen und Helfer es für viele von Ihnen waren.

Die Geschichte, die Markus erzählt, fragt uns aber auch wie wir es halten, wenn wir Menschen begegnen, die Hilfe brauchen. Sind wir bereit, mit zu gehen?

Jesus begleitet den Synagogenvorsteher auf dem Weg zu seinem Haus. Da kommen ihnen die Leute des Jairus entgegen und bringen die Todesbotschaft: „das Mädchen ist gestorben“ und sie fügen hinzu „was bemühst du den Meister länger?“ Eine Heilung trauen sie Jesus zu. Mit dem Tod aber ist die Grenze ihrer Erwartungen überschritten. Der Fall ist für sie aussichtslos, erledigt.

Nun lesen wir da im Evangelium gehört „ Jesus, der die Worte gehört hatte.“ Wörtlich im griechischen, ursprünglichen Text heißt es jedoch: „Jesus, der diese Worte überhört hatte“ oder „der an ihnen vorbei gehört hatte.

Die Leute des Jairus überbringen eine Botschaft des Todes, Worte des Todes, salopp formuliert „Parolen des Todes“. Solche Parolen kennen wir. Sie werden immer lautstark verkündet. Da heißt es „ es hat ja doch keinen Zweck“ oder „aus und vorbei“ oder „da kann man nichts machen“ oder „früher….“

Alles Worte der Resignation, Worte, die das Leben verhindern, Worte, die Gott und den Menschen nichts zutrauen. Solche Parolen des Todes gibt es überall! Sie verhindern, dass Lösungen gesucht werden, die anders sind als bisher Erlebtes und Erfahrenes. Sie verhindern, dass neue Ideen sich durchsetzen. Sie verhindern aber auch, dass geduldig gewartet wird,

Jesus überhört die Parolen des Todes, er hört daran vorbei:“ Fürchte dich nicht, glaube nur“, sagt er dem gewiss entsetzten Jairus, für den wohl in diesem Moment alles aussichtslos erschien.
Wo nach menschlichem Ermessen alles aus ist, wo es so scheint, dass der Tod alles gelöst hat, macht Jesus deutlich, dass dies für ihn nicht die letzte Instanz ist. Statt der Parolen des Todes kündigt er vom Vertrauen in das Leben.

Kritisch muss ich mich fragen, wie halte ich es in meinem Leben, da wo ich lebe, da wo ich mich engagiere, da wo ich eingesetzt bin, da wo ich arbeite. Verbreite ich lieber die Parolen des Todes oder künde ich vom Leben? Höre ich auf die Parolen des Todes, die andere lautstark hinausschreien oder überhöre ich sie? Verhindere ich so das Leben oder eröffne ich ihm eine Möglichkeit?

Jesus lässt sich nicht erschüttern, er geht mit dem Vater und nimmt drei seiner Jünger mit. Entscheidendes bahnt sich an: die drei Apostel und die Eltern des Mädchens werden Zeugen des Lebens.

Jesus tritt an das Totenbett des Mädchens, fasst es bei der Hand und sagt „Talita Kum“ das ist aramäisch, die Muttersprache Jesu. Übersetzt heißt das: „Mädchen, ich sage dir steh auf“. Besser aber noch wird die Anrede mit „Lämmlein“ übersetzt . Die Zeugen ahnen wohl was geschehen ist: das Leben ist eingebrochen in die Kammer des Todes.

Ein Augenblick großer Zärtlichkeit!

Da bin ich bei einem Thema von größter Aktualität: in dieser Woche ist wieder einmal die kirchliche Statistik veröffentlicht worden 400.000 Menschen haben uns im vergangenen Jahr verlassen. 400.000 von denen jeder und jede Einzelne wichtig ist.

Man könnte resignieren, man könnte sich fragen: was soll ich denn noch in dieser Gemeinschaft, die in unseren Breiten immer kleiner wird? Ich kann viele verstehen, die uns den Rücken zukehren, die keine Hoffnung mehr haben, dass sich etwas verändert. Und ich gestehe, dass ich von denen da oben auch nicht mehr viel erwarte.

Und trotzdem: ich bin ein „Kind des II.Vatikanums“, oder anders gesagt: ohne das II.Vatikanische Konzil wäre ich nicht Priester geworden. Die große Errungenschaft dieses Konzils ist die Rückkehr zu einem Bild von Kirche, das im Mittelalter und erst Recht als Reaktion auf die Reformation verlorengegangen war: die Kirche das Volk Gottes.

Volk Gottes, damit sind alle gemeint, Laien und Kleriker, alle gehören dazu. Alle haben eine gemeinsame priesterliche Würde. Als Getaufte und Gefirmte haben sie eine gemeinsame Verantwortung.

Eines der wichtigsten Dokumente des Konzils ist die Pastoralkonstitution „GAUDIUM ET SPES – ÜBER DIE KIRCHE IN DER WELT VON HEUTE“ . Sie beginnt mit den Worten: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände.“

Darum geht es: wir müssen die Trauer und Angst und die Freude und Hoffnung teilen. Wir – nicht nur der Papst und die Bischöfe und vielleicht auch noch die Priester.

Wir, hier in Dernau oder wo wir auch leben.

Heinrich Böll hat einmal geschrieben: „ im Neuen Testament steckt eine Theologie– ich wage das Wort– der Zärtlichkeit.

Wenn wir dieser Theologie folgen, dann müssen wir eine Kirche der Zärtlichkeit sein, dann müssen wir Weggefährtinnen und Weggefährten der Menschen sein und die Parolen des Todes überhören.

Dabei warten wir nicht auf die da oben, sondern wir selbst praktizieren, was der Apostel Petrus uns in der Lesung zugerufen hat: Ihr seid Gottes Volk.

Und damit haben wir genug zu tun!

Die heilende Berührung: Ein Bild von Glaube, Hoffnung und Sehnsucht

Messe am 50.Jahrestag der Priesterweihe

Evangelium (Mk 5, 24b-34)

Und es folgte ihm eine große Menschenmasse, und sie bedrängten ihn.
Da kam eine Frau, die schon seit zwölf Jahren an Blutfluß litt: sie hatte schon vieles erlitten von zahlreichen Ärzten; sie hatte ihr ganzes Vermögen aufgewandt, doch es hat nichts genutzt, es war sogar noch schlimmer geworden.
Sie hatte von Jesus gehört. Nun kam sie in der Menge von hinten her und berührte sein Gewand. Denn sie sagte sich: Wenn ich auch nur sein Gewand berühre, werde ich geheilt. Und sogleich versiegte die Quelle ihrer Blutung, und sie spürte am ganzen Leib, daß sie von der Plage geheilt war.
Da merkte Jesus bei sich die Kraft, die von ihm ausgegangen war, er wandte sich in dem Gedränge um und sagte: Wer hat mein Gewand berührt? Und seine Jünger sagten ihm: du siehst doch die Volksmenge, die dich bedrängt, und du sagst, wer hat mich berührt? Und er blickte umher, und sah die, die das getan hatte.
Die Frau aber fürchtete sich und zitterte; denn sie wusste, was ihr geschehen war. Sie kam, fiel vor ihm nieder und erzählte ihm die ganze Wahrheit. Er aber sagte zu ihr: Tochter, dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden und sei gesund von der Plage.

Was ist das denn für ein Evangelium an einem solchen Tag? Und wahrscheinlich darüber jetzt auch noch predigen. Hoffentlich nicht länger als 8 Minuten, wie Papst Franziskus empfiehlt. Wäre es nicht reizvoller, auf 50 Jahre zurückzublicken. Reizvoller vielleicht – vielleicht auch depressiver.

Aber ich möchte das tun, was mir immer wichtig war und ist: dass wir uns unter das Wort Gottes stellen und schauen, ob es uns etwas zu sagen hat:

In meiner Wohnung hängt ein Bild, das mir ein Freund aus Israel mitgebracht hat. Es ist eine Reproduktion des Altarbildes in der Krypta von Magdala am See Genezareth,  einer meiner Lieblingsorte am See – auch wenn er von einer sehr fundamentalistischen Gemeinschaft verwaltet wird.

Auf den ersten Eindruck befremdet und fasziniert das Altarbild. Es stammt von einem italienischen Künstler (Daniel Cariola) Man sieht ein Gewirr von Männerbeinen und -füßen, das erahnen lässt, welche Menge an Menschen in der Szene versammelt sind. Ein weißes bodenlanges Gewand in der Mitte. Durch das Gewirr der Beine hindurch findet eine  Frauenhand ihren Weg, um das Gewand Jesu zu berühren. Eine Illustration des Evangelium-Textes.

Von der Frau, deren Hand wir sehen, wissen wir, dass sie schon zwölf Jahre an ihrer Krankheit litt, die wir nicht näher deuten können. Viele Leiden waren damit verbunden – körperliche und seelische.

Ihre Krankheit war keineswegs nur ein medizinisches Problem. Der Blutfluss machte sie unrein, schloss sie aus vom sozialen und kultischen Leben Israels. Sie durfte niemandem zu nahe kommen, weil Nähe auch unrein machte. 12 Jahre ohne Hilfe und Heilung, 12 Jahre geächtet. Sie war praktisch eine Tote, obwohl sie lebte.
Nun könnte man an dieser Stelle über die ach oft so unmenschlichen Reinheitsvorschriften im Judentum sprechen. Doch viele der für uns unverständlichen Vorschriften hatten ihren Sinn darin, die Gemeinschaft vor ansteckenden oder damals noch undurchschaubaren Krankheiten zu schützen. Aber man kann es drehen oder wenden wie man will, Menschen wurden dadurch ausgegrenzt und geächtet.

Dass Menschen ausgegrenzt werden aus der Gesellschaft, ist keine Sache nur in grauen Vorzeiten. Das gibt es auch heute noch.  Die Notwendigkeit der Teilhabe von ausgegrenzten Menschen am gesellschaftlichen Leben ist ein drängendes Thema.

Die Frau im Evangelium hat ihr ganzes Vermögen in ihre Heilung investiert. Alle Versuche, die Not zu lindern, waren gescheitert. Sie hatte wohl von Jesus gehört. Nun drängt sie sich zielsicher – und verborgen in der Menge – an Jesus heran. Sie berührt – ohne Jesus vorher anzusprechen – sein Gewand. Von Jesus geht nun eine Kraft aus, die sie heilt.

Kein magischer Vorgang, sondern die Kraft ist ein Zeichen für die Macht, die hier am Werk ist, die Macht Gottes.

Eine Szene, die mich fragt nach meinem Glauben? Was traue ich Gott zu? Bin ich wie diese Frau, die selbst nach 12 Jahren Ächtung und Heilungsversuchen, nicht aufgibt, die – wie unser Bild zeigt – den Weg durch die vielen Beine, der Männer sucht, die sie 12 Jahre ausgegrenzt haben. Habe ich dieses Vertrauen oder würde ich vorher aufgeben?

Unsere Geschichte ist noch nicht zu Ende. Jesus geht auf die Suche nach der Frau. Das muss man sich bildlich vorstellen. „Eine große Menschenmasse“ ist dort, so schreibt es der Evangelist Markus. Ich denke spontan an die Fanzone bei der EM. Wie in aller Welt, in der Masse jemand finden – das sagen ihm auch seine Jünger.
Aber das erleben wir im Neuen Testament immer wieder: für Jesus zählt der einzelne Mensch! Das zu wissen tut gut – denn oft erleben wir uns als einen oder eine von vielen, sind wir nur ein Teilchen in der Masse, nur eine Nummer im System. Für den Herrn zählt jeder und jede Einzelne. Es mag Situationen im Leben geben, wo das sehr wichtig ist.

Diese Zweisamkeit von Jesus und der Frau spiegelt sich auch wieder in den Worten des Evangelisten Markus, der hier wenigen Worten ein Bild großer Intimität zeichnet: „und sie sagte ihm die ganze Wahrheit“ (Mk 5,33). Damit ist wohl nicht ein „Geständnis“ der Frau gemeint, sondern es ist der Raum einer tiefen Begegnung mit dem, der vor Pilatus sagen wird „Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme“.

Wenn wir einer feministischen Theologin an dieser Stelle folgen wollen, bringt die Frau in dieser Begegnung ihre Gotteserfahrung ins Wort.[1]

Die „Rettung“ der Frau ist nicht nur als körperliche Genesung, sondern als „Herstellung einer gelungenen Gottesbeziehung“ zu verstehen. „Gotteserfahrung, Gottesbeziehung“, das klingt so groß, so weltfern, so wenig realistisch. Aber hören wir noch einen Augenblick hin: Geh in Frieden, sagt Jesus zu ihr.

Frieden bedeutet in der Sprache Jesu „Shalom“.
Shalom, das meint nicht nur die Abwesenheit von Streit und Krieg. Das meint auch Gesundheit, Sicherheit, Frieden, Unversehrtheit und Ruhe – sozusagen paradiesische Zustände, in denen der Schöpfer und sein Schöpfer in Harmonie miteinander lebten.

Spüren Sie, wohin uns die Geschichte führt: ich gebe ehrlich zu, diesen Shalom, diesen Frieden wünsche ich mir auch. Er ist der Ausweis der Beziehung zu Gott, der Möglichkeit einer Gotteserfahrung.
So ist am Ende der Geschichte die Rede von der Sehnsucht in meinem, vielleicht auch in Ihrem und Eurem Leben: Was ersehne ich in meinem Leben?

Nelly Sachs, die jüdische Literatur-Nobelpreisträgerin, schreibt:
Alles beginnt mit der Sehnsucht, immer ist im Herzen Raum für mehr, für Schöneres, für Größeres – Das ist des Menschen Größe und Not: Sehnsucht nach Stille, nach Freundschaft und Liebe. Und wo Sehnsucht sich erfüllt, dort bricht sie noch stärker auf.

Etwas von dieser Sehnsucht hat uns heute auch hier zusammengeführt. Deshalb ist diese Stunde so wichtig.

[1] so Ursula Metternich in „Sie sagte ihm die ganze Wahrheit“. Die Erzählung von der „Blutflüssigen“ – feministisch gedeutet.

„Die da war es“

Haben Sie sich nicht auch schon mal gefragt: woher kommt eigentlich das Böse? Warum können Menschen nicht friedlich miteinander leben,  einander achten, respektieren, nicht belügen und betrügen, nicht nach dem Leben trachten? Wieso können wir Menschen nicht einfach nur gut sein? Das wäre wahrlich paradiesisch.
Woher kommt das Böse? Das haben sich die Menschen immer schon gefragt. Und sie haben versucht eine Antwort zu finden, indem sie sich Geschichten erzählt hatten haben.

Zum Beispiel die Anhänger des Mithras Kultes: sie erzählten sich, das Mithras einen Stier opfern musste, damit sich aus dem Blut des Stieres die Erde und alles Leben neu regenerieren konnte. Allerdings gab es einen kleinen Skorpion, der sein Gift in das herunter tropfende Blut spritzte. So dachten sie, hat das Böse die Welt vergiftet.

Wir haben eben in der Lesung auch eine Geschichte gehört, eine Geschichte aus der Bibel, aus den ersten Kapiteln des Alten Testaments. (Gen 3,) Auch ein Versuch, zu erklären, wie ist das Böse in die Welt gekommen und was hat es damit auf sich.

Was ist passiert?
Adam und Eva hatten nach biblischem Zeugnis nicht mehr geglaubt, dass Gott es gut mit ihnen meint. „Hat Gott wirklich gesagt, ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen?“, fragt die Schlange und lenkt so die Konzentration Evas auf den einen Baum, der tabu ist. Eva weiß schon: Von den Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen; nur wenn wir von den Früchten des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht, essen, werden wir sterben.
Jetzt hat die Schlange leichtes Spiel: „Nein, ihr werdet nicht sterben. Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse.“
Und damit nimmt die Sache ihren Lauf!

Da wird uns etwas vorenthalten! – solche Gedanken kennen wir. Da sind wir alle empfindlich! Wer mag das schon?

Also greifen die beiden zu und sie merken plötzlich, der paradiesische Zustand ist vorbei. Sie entdecken, dass sie nackt sind. Was sie bisher nicht gestört hat, beschämt sie jetzt. Sie verstecken sich.

„Wo bist Du?“ sucht Gott den Menschen.

Auf einem über 1000 Jahre alten Bronzeportal am Hildesheimer Dom hat ein Künstler diese Szene treffend dargestellt:
Man sieht Gott, der auf die Menschen zeigt. Adam aber zeigt auf Eva: „die war es!“ und Eva zeigt auf die Schlange „die war es!“

Das kennen wir alle – Schuld sind immer die anderen. Das kann man schon im Kindergarten beobachten. Das ist so in der Familie, im Freundeskreis, in der Schule, am Arbeitsplatz.

Adam macht es noch schlimmer: „Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben. So habe ich gegessen.“ Das heißt im Klartext: Du Gott, bist es schuld, dass ich meinen freien Willen missbraucht habe!
Hier wird die Wahrheit ins Gegenteil verkehrt. Plötzlich ist der, der anklagt, der Angeklagte. Wahrlich: ein Teufelskreis.

Was kann uns erretten? Von König David wird berichtet, dass er die Frau eines Nachbarn schwängerte und dass er ihren Mann bei der nächsten Schlacht in die vorderste Reihe schickte, damit dieser umkomme und David die Frau zu sich nehmen konnte. Es braucht den Propheten Nathan, der vor den König tritt und ihm klar macht: Du bist der Mann, der hier schuldig geworden ist. (2 Sam 12).

Das ist der Weg aus dem Teufelskreis der gegenseitigen Schuldzuweisungen: zu erkennen, ich bin der Mann, ich bin die Frau, ich bin der Mensch, der seinen freien Willen gebraucht hat, um Falsch zu handeln und Böses zu tun.

Noch eine Bemerkung zu diesem Text: Weil die Frau als erste von der Frucht gegessen hat, hat man im Verlauf der Kirchengeschichte begonnen, die Frau als Ursache für die Sünde zu betrachten.
Damit angefangen hat Augustinus um 400 nach Christus. Er wertete die Frau stark ab mit der Begründung, sie habe den Mann verführt. Der Mann habe nur gesündigt aus Solidarität, weil er die Frau in ihrem Elend nicht allein lassen wollte.
Und das zieht sich durch die Geschichte durch bis in die Gegenwart.

In der Schöpfungsgeschichte lesen wir: „Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie“. Wir haben es jahrhundertelang überlesen und nicht vom Menschen, sondern vom Mann „als Krone der Schöpfung“ gesprochen. Darunter leiden die Frauen bis heute in vielerlei Hinsicht!

Es ist eine Haltung, eine Überzeugung, die haben wir Männer durch Jahrhunderte verinnerlicht – von ihnen müssen wir uns trennen. Und auch hier gilt: nicht die anderen sind schuld an meiner Haltung, nicht die Erziehung, nicht die Tradition sondern ich – wenn ich mich wider besseres Wissen nicht davon trenne. Gilt auch für die Kirche.

Für mich gibt es in der heutigen Lesung auch etwas Tröstliches: Gott  macht sich auf die Suche nach dem Menschen. Gott macht sich auf die Suche nach mir.

Egal was ist, egal was ich angestellt habe, was ich gesagt, was ich versäumt, was ich unterlassen habe – Gott macht sich auf die Suche nach mir.

Im Neuen Testament ist Jesus der Gute Hirt, der das verlorene Schaf sucht. Genau das kann mir helfen, den Teufelskreis der Schuld und der Schuldzuweisungen zu verlassen.

Predigt am 9.6.2024 in Dernau

Wir wagen es!

Einer der 4.Altäre in Dernau

Predigt an Fronleichnam in Dernau/Ahr
Auf die Predigt könnte ich heute eigentlich verzichten, denn sie und ich, wir alle sind heute die Predigt. Wenn wir nach der Messe in Prozession durch die Straßen unseres Ortes ziehen, dann ist das ein Bekenntnis, wie eine Predigt auf vielen Beinen. Aber was erwartet uns da draußen?

Nicht nur Menschen, die Beifall klatschen, die das gut finden, dass wir uns auf den Weg machen, auch wenn sie selbst nicht mitgehen.

Es wird auch viele geben, die den Kopf schütteln und sich abwenden. Die von alten Zöpfen reden, die man endlich abschneiden müsste.

Andere werden innerlich und hoffentlich nicht lautstark schimpfen, weil unsere Kirche nicht den besten Ruf hat.

Damit meine ich nicht nur die Missbrauchsfälle, ich meine auch den Umgang der Kirche mit Frauen, mit Wiederverheirateten Geschiedenen, mit Menschen, die unverheiratet, zusammenleben, mit queeren Menschen. Ich meine auch die endlosen Diskussionen um die Strukturen, die Zusammenlegungen von Gemeinden, das Schließen von Kirchen.

Unsere Kirche hat wahrlich nicht mehr den besten Ruf. Es hat sich auch einiges getan in den letzten Jahren. Aber oft erlebe ich unsere Kirche wie eine Springprozession:  zwei Schritte vor und wieder einen zurück.

Und trotzdem trauen wir uns heute raus – wir wagen es. Weil wir eine Botschaft haben – eine dreifache Botschaft.

  1. Die Eucharistie ist niemals etwas rein Privates.

Das wird schon hier in der Kirche deutlich, das zeigt sich erst recht, wenn wir gleich auf die Straße gehen. Menschen unterschiedlichen Alters, Geschlechts, sozialen Standes und unterschiedlicher politischer Auffassungen sind hier versammelt. Wir haben uns einander nicht ausgesucht.

Das ist kein exklusiver Freundschaftsclub, sondern eine Gemeinschaft, die geeint ist durch den Glauben an Christus und durch den Ruf Christi, den wir im Eucharistischen Brot anbeten und verehren.

Deshalb entfernt uns diese Feier nicht von den Menschen, erst recht nicht in dem Sinne, dass hier drinnen die heile Welt sei und draußen die böse.

Weil wir dem folgen, der vor dem Menschen niederkniete, um ihm die schmutzigen Füße zu waschen, sind wir herausgefordert: es geht darum die Welt, die große wie unsere kleine, zu einem Ort zu machen, wo es sich gut, vor allem aber menschenwürdig leben lässt.

Deshalb wagen wir uns raus – weil wir uns als Christen nicht selbst genügen.

  1. Wir feiern Fronleichnam im Gehen.

Gleich in der Prozession gehen wir, wir machen einen Schritt und noch einen Schritt so wie im „richtigen Leben“.

  • Da geht es manchmal vorwärts ohne jede Mühe,
  • da kommt man aber auch mal ins straucheln,
  • da stolpert man
  • da geht es anscheinend nicht mehr weiter,
  • da läuft man im Kreis,
  • da will man nicht mehr.

Wir spüren es jeden Tag. Wir alle brauchen Gefährten und Gefährtinnen,

  • die mit uns gehen, die den Weg mit uns teilen,
  • die uns halten können, wenn wir straucheln,
  • die uns die Richtung weisen, wenn wir die Orientierung verloren haben,
  • die uns aufhelfen und Mut machen, wenn es nicht mehr weitergeht.

Wenn wir gleich mit der Monstranz durch die Straßen ziehen dann machen wir dadurch deutlich, dass Christus für uns der ist, der uns zum Gefährten wird, wenn menschliche Gefährtenschaft nicht oder nicht mehr möglich ist.

Gleichzeitig bekennen wir, dass in jedem, der mit uns geht, dass in jedem, der uns die Hand hält, in jedem, der uns Mut macht, uns Christus selbst begegnet.

Deshalb wagen wir uns raus – weil wir den Menschen sagen wollen: wir können nur miteinander, wir können nur mit Euch!

  1. Wir tragen Christus durch unsere kleine Welt.

Wir vertrauen die Straßen, die Häuser, auch die kaputten, die geflickten und die wieder aufgebauten, die Menschen, die in diesen Häusern wohnen und arbeiten, den ganzen Ort der Güte Gottes an.

Wir bringen gleichsam vor seine Augen die Leiden der Kranken, die Einsamkeit der Jungen und Alten, die Versuchungen und Ängste, das ganze Leben hier im Tal.

Im Bewusstsein, dass all unser Bemühens endlich ist, verehren wir den, dessen Auferstehung den Sieg über den Tod, über die Endlichkeit darstellt.

Die Eucharistie ist die Begegnung mit der Liebe, die stärker ist als der Tod. Deshalb wagen wir uns raus, um dem so oft Leblosen das Leben zu zeigen.

„Der Weg der Kirche ist der Mensch“ – hat der Heilige Johannes Paul II. gesagt.
Ob die Menschen die Botschaft dieser Prozession verstehen, hängt auch von uns ab.
Der Weg der Kirche ist der Mensch – unser Weg endet nicht hier in der Kirche. Er führt nach dem Schluss-Segen weiter zu den Menschen.

LückenFÜLLER – kein Lückenbüßer

Die Situation ist nicht gerade prickelnd: der Chef ist weg, die Führungsriege dezimiert, die Umwelt mehr ablehnend als freundlich gesinnt.
Hätten Sie da Lust in das Unternehmen einzusteigen? Oder würden Sie lieber erst mal sehen, wie die Sache weitergeht? Nach dem Motto: Mitmachen kann man ja immer noch.

Das ist die Situation, in der sich die junge Gemeinde in Jerusalem versammeln. (Apg 1,15-17.20ac-26) . Abgeschottet von der Außenwelt, die nichts von ihnen hält. Petrus übernimmt das Wort. Für ihn steht fest: Judas ist an allem schuld; obwohl sich Petrus selbst ja auch nicht mit Ruhm bekleckert hat. Nach der Verhaftung Jesu in Jerusalem hatte er getönt: „ich kenne den Menschen nicht.“

Inzwischen hat der Auferstandene ihn wohl wieder rehabilitiert, so dass er jetzt die Rolle übernimmt, die ihm Jesus zugedacht hatte: der Fels.

Ein Ersatz für Judas muss her. Die Stellenbeschreibung ist einfach: Er muss Mann sein – so ist das bei der Führungsriege in der Kirche bis heute – leider.
Er muss jemand sein, der von Anfang an gemeinsam mit den Aposteln und Jesus unterwegs gewesen ist. Und er muss, wie die anderen Apostel, Zeuge der Auferstehung sein. Ein klar umrissenes Anforderungsprofil.

Es gibt unter den 120 Anwesenden keine große Auswahl: Zwei Männer kommen in die engere Wahl. Joseph, genannt Barsabas, mit dem Beinamen Justus, und Matthias, ohne weitere Hinzufügungen. Ganz einfach.

Anders als heute erwartet sie keine große Karriere: die kleine Schar Christen ist nicht mächtig, sondern eher ein verängstigte Gruppe, die sich häufig lieber hinter verschlossenen Türen aufhält. Da drängt man sich nicht in den Vordergrund. So zu enden wie Jesus ist nicht erstrebenswert.
Zwei Männer stehen zur Wahl – aber es gibt keine Stimmzettel, kein Abstimmung mit Handzeichen. Die Anwesenden legen die Entscheidung in die Hand Gottes. Das Los soll entscheiden.
Nicht weil die Versammlung sich nicht entscheiden konnte, sondern, so lässt es die Apostelgeschichte vermuten, weil Gott hier mitspielen, mitwirken soll.

Das Los! Schwarz oder weiß! –
Und das Los fiel auf Matthias. – Mehr erfahren wir nicht.

Wie mag er sich gefühlt haben?
als Lückenbüßer; als Ersatzmann; als Reservespieler, der nur zum Einsatz kommt, weil einer aus der Stammmannschaft versagt hat. Das kratzt am Ego.

Wenn wir es mit den Augen der Welt sehen, die darauf aus ist, dass jeder und jede sich selbstverwirklicht, dass es nur aufwärts geht und der eigene Lebensweg keinen Knick erfährt – dann kann man so denken: das kratzt am Selbstwertgefühl.

Wenn wir aber auf die Realität des Lebens schauen, dann sieht es anders aus:
es gibt die Aufgaben hier am Ort, in der Familie, im Verein, in der Gesellschaft, hier in der Gemeinde, in unserer Kirche, die müssen getan werden.
Aufgaben, die Menschen brauchen, die sie erledigen, die anpacken und vielleicht sogar bereit sind, sich die Hände schmutzig zu machen.

Und die, die dann in die Lücke springen, die sich auftut, sind keine Lückenbüßer, sondern Lückenfüller. Menschen, ohne die es an vielen Stellen nicht weiterginge und vieles auf der Strecke bleiben würde.

Matthias ist ein solcher Lückenfüller. Er kann noch nicht wissen, was aus der Sache Jesu wird. Aber er ist bereit, dafür einzustehen, weil es ihm wichtig ist.
„Die Sache Jesu braucht Begeisterte.
Sein Geist sucht sie auch unter uns.
Er macht uns frei, damit wir einander befrein.“, heißt es in einem  geistlichen Lied, das Sie vielleicht bei Ihrer Firmung gesungen haben.

So wird der Matthias zum Patron, zum Begleiter all‘ derer, die bereit sind, Lücken zu füllen, die sich auftun in Gesellschaft und Kirche.
Die nicht zögern, weil sie nicht wissen, wie die Sache ausgeht.
Die etwas wagen, die Neuland betreten im Vertrauen darauf, dass Gott das gute Tun begleitet.

Ich bin sicher, auch heute sitzen viele unter uns, die an unterschiedlichen Stellen bereit waren und sind, eine Lücke zu füllen – wie Matthias es getan.

Wir wissen nicht viel über den Heiligen Matthias – aber immerhin hat er es zum Patron des Bistums Trier gebracht. Wenn das kein Anreiz ist, Lücken zu füllen, wo man gebraucht wird.

Predigt am 12.Mai 2024 in Dernau/Ahr

 

Josef – Patron der Randfiguren

Auf Ikonen und mittelalterlichen Weihnachtsdarstellungen wird er oft am Rand dargestellt, zusammengekauert, schlafend, ohne Einfluß auf das Geschehen: Josef, dessen Fest wir heute feiern.

Von ihm ist kein Wort im Neuen Testament überliefert und außer in der Kindheitsgeschichte findet sein Name kaum eine Erwähnung. Er scheint wirklich eine Randfigur zu sein.

Doch die Existenz Jesu ist ohne ihn nicht denkbar: er nimmt die Frau mit dem „unehelichen“ Kind als Ehefrau an und bewahrt sie so vor der Steinigung.
Er gibt dem Kind juristisch die Vaterschaft und stellt es so hinein in die große Tradition seines Volkes.
Er flüchtet mit Frau und Kind nach Ägypten, und Jesu entgeht so der herodianischen Verfolgung.

Dies alles immer auf die Weisung Gottes hin. Josef ist der lebendige Beweis, daß Träume keine Schäume sind, sondern daß in ihnen Gott selbst zu uns sprechen kann.
Er ist der Mann, der hört und geht, der aufbricht ohne lange zu zögern, der handelt ohne Wenn und Aber, der so die Heilsgeschichte voran bringt.

Vielleicht hat ihm deshalb die christliche Frömmigkeit einen bedeutenderen Platz eingeräumt als die Theologen. Wir spüren in uns das Verlangen, wir er handeln zu können: ohne die vielen faulen Kompromisse, die wir oft machen. Wir wünschen uns die Klarheit des Weges, die Sicherheit des nächsten Schritts, die ihm eigen war.

Ihm gebührt ein Platz in der Mitte und nicht am Rand. Aber: es ist heute wie damals: die, die im Licht stehen, bedürfen derer, die in ihrem Schatten leben.

Wir können es im Alltag unseres Lebens durchbuchstabieren: was wäre der beste Chef ohne seine umsichtige Sekretärin, was wäre die beste Schauspielerin ohne ihren Agenten, was wäre der beste Koch ohne seine Küchenhilfen, was wäre der beste Herzchirurg ohne die OP-Schwester, was wäre die beste Politikerin ohne die vielen, die ihr zuarbeiten, was wäre unsere Gesellschaft ohne die vielen Namenlosen, die niemals Schlagzeilen machen, die nie im Rampenlicht stehen, ohne die aber nichts richtig vorankommen würde.

Josef scheint der Patron all dieser Randfiguren zu sein. Er rückt sie alle ins rechte Licht. So wird sein Festtag zu einem Dank für alle, die uns das Leben ermöglichen und die so selten unsere Beachtung finden.