Auferstandene sind wir! Goldstücke sind wir!

Nächte können verdammt lang sein. Das weiß jeder schwer Kranke, der nachts von Schmerzen geplagt wird. Das weiß jeder, der schlaflos die Nacht verbringt. Jeder, der in der Nacht auf dem Dach hockt während die Flut immer weiter steigt. Jeder, den etwas beschäftigt, weil ihn irgendeine Sorge plagt.
In der Nacht kann man nicht handeln, nicht aktiv sein. Sie wird zu einem Synonym der Ohnmacht, ja zu einem Bild für den Tod.

Ich erinnere mich noch gut an eine Osternacht, die ich mit Studierenden am See Genezareth feiern konnte. Wir hatten uns in der Nacht versammelt und uns gegenseitig Nacht-Geschichten erzählt.
Vielleicht könnten Sie auch eine solche Geschichte jetzt beisteuern: dazu gehört gewiss die Nacht der Flut, aber auch andere Erfahrungen in ihrem Leben voller Ohnmacht, Ausweglosigkeit, Geschichten von Gewalt und Lüge, von Trauer und Schmerz, eben Nachtgeschichten.
Ich glaube, es ist nicht vermessen, wenn ich sage: jedes Menschenleben kennt solche Nachterfahrungen.

Nächte können verdammt lang sein – heute allerdings feiern wir, dass unsere Nächte nicht endlos sind, besonders nicht die Nächte der Seele.

Im Glaubensbekenntnis bekennen wir: ich glaube an Jesus Christus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten. Orthodoxe Bilder zeigen dieses Reich des Todes, jenes dunkle schwarze Loch, jene endlose Nacht, wo stellvertretend für die ganze Menschheit Adam und Eva ihre Hände Christus entgegenstrecken, damit er sie befreie von diesem Ort der Einsamkeit, der Beziehungslosigkeit, der Gottesferne. Sie mit hinauf nehme zum Vater.

Paulus sagt in seinem Zeugnis über die Auferstehung: „Erster ist Christus; dann folgen, wenn Christus kommt, alle, die zu ihm gehören.“ (1 Kor 15,22) Ich fand dazu bei einem Theologen ein passendes Bild: es ist so wie wenn in einer Seilschaft der Anführer den Gipfel als erster erreicht. Dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, dass auch die übrigen nachkommen; sie werden vom Anführer abgesichert und wenn nötig mitgezogen und nachgezogen.

Auferstehung ist also nicht etwas, was Jesus allein betrifft. Seine Auferstehung gilt auch uns! Deshalb feiern wir heute: „Auferstandene sind wir!“
Christen sind nicht Zeugen des Todes, sondern Zeugen des Lebens.

Sie stehen nicht auf der Seite derer,
die meinen, alles selbst machen zu können,
die glauben, ohne Gott und gegen die anderen ihr Leben führen zu können und im Teufelskreis von Gewalt und Lüge gefangen sind.

Alles, was Leben zerstört, was Hoffnungen tötet und was Angst macht, passt nicht zu denen, die glauben: Auferstandene sind wir!

Das gilt für jeden einzelnen von uns, dort wo wir leben in unseren Familien, in unserem Beruf in unserer Freizeit müssen wir deutlich machen: Alles, was das Leben zerstört, alles was die Hoffnungen tötet und was Angst macht, dient nicht dem Leben.

Dazu haben wir uns verpflichtet. Als wir getauft wurden, haben wir uns vom Tod abgewandt und dem Leben zugewandt: „Wir wurden mit Christus begraben durch die Taufe auf den Tod; und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben.“ (Röm 6,4).

Wir gehören zu Christus. Am Gründonnerstag haben wir die Eucharistie den großen Schatz, das Goldstück genannt, das der Kirche geschenkt wurde. Als Getaufte sind auch wir kleine Goldstücke, dazu bestimmt, das Dunkle, das Graue dieser Welt mit Goldglanz, mit Leben zu erfüllen.
Dieses neue Leben, diese neue Menschsein wurde bei der Taufe symbolisiert durch das Taufkleid – das neue Gewand. Auch wenn wir diesem Taufkleid längst entwachsen sind, wir tragen es ein Leben lang. Es ist wie eine unsichtbare Uniform der Christen, das immer dann sichtbar wird, wenn wir aus Liebe handeln, wenn unser Tun anderen die Zukunft nicht verbaut, sondern gewährt, wenn Menschen dadurch neue Hoffnung schöpfen.

Unser Taufkleid ist das Pilgerkleid jedes Christen, der unterwegs ist in den Nächten dieser Welt mit der glaubenden Gewissheit: Auferstandene sind wir ! Goldstücke sind wir!


Am Ende des Gottesdienstes erhielten die Mitfeiernden ein süßes Goldstück mit der Botschaft: „Du bist ein Goldstück“.

Goldstücke unterm Kreuz

Predigt vor der Passion

Ich hoffe, Sie sitzen alle gut oder haben einen festen Stand. Denn jetzt geht es zur Sache! Die ganze Welt drängt sich jetzt hinein in die Kirche von Dernau – besonders die leidende Welt.
Die Geschlagenen, die Verleugneten, die Enttäuschten, die Verratenen, die Opfer von Gewalt und Verleumdung, falscher Anklagen und schnellen Prozessen.
Und mittendrin, Sie und ich – niemand kann sich drücken und verdrücken – jetzt wird die Geschichte erzählt von dem, der allen wohl getan hat und dem man doch übel mitspielte.

Ich weiß, Sie kennen die Geschichte. Je nachdem wie alt Sie sind, haben Sie sie schon Dutzend Male gehört; aber schalten Sie jetzt bitte nicht ab, bleiben Sie bitte dran. Nein, bleiben Sie bitte drin in der Geschichte.

Entsetzen Sie sich bitte über das, was da geschickt, erschrecken Sie über das Verhalten der Menschen, gehen Sie mit Jesus seinen Weg – und sehen Sie in seinem Gesicht die Gesichter der Leidenden dieser Welt.

Für den Evangelisten Johannes ist der Kreuzweg nicht nur ein Leidensweg, sondern der Weg zu einer Thronbesteigung. Johannes hat lange nachgedacht über dieses Ereignis, das nicht nur ihm unverständlich ist.

Ein souveräner Jesus begegnet uns in seiner Passion. Das Aufrichten des Kreuzes, seine Erhöhung ist eine königliche Thronerhebung. „Wenn ich über der Erde erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen“, hat er zu Nikodemus gesagt.

Sagen Sie bitte nicht, dass Sie das sofort verstehen. Ein König, der ans Kreuz geheftet wird. Ein König, der nicht von oben herab regiert, sondern der alle an sich zieht.
Alle, nicht nur die Frommen, nicht nur die Erfolgreichen, nicht nur die auf der Sonnenseite des Lebens. Vor allem jene, die ihre Wunden scheu vor den anderen verbergen, die leiden und weinen in den stillen Nächten des Lebens. Alle, auch Sie und mich.

Ein geistlicher Lehrer (Ignatius von Loyola) empfiehlt uns, Christus unsern Herrn sich gegenwärtig und am Kreuz hängend vorzustellen und ein Gespräch zu halten, so „wie ein Freund zum anderen spricht“ (EB 53+54).

Kommen Sie also bitte mit bis unter das Kreuz: hier fällt aller Egoismus in den Abgrund des Todes.
Hier wird mir bewusst, wie sehr die Gewalt der Sünde jedem den Weg in die Zukunft verstellt – die eigene Sünde wie auch die Sünde der anderen, die mir schadet.
Hier werden die selbstverständliche Lüge und das Böse der Gewalt offenbart.Hier sehe ich, was der Apostel Paulus meint, wenn er schreibt: „Christus Jesus war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.“ (Phil 2,6-8)

Und dies nicht anonym, für die Menschheit schlechthin, sondern für Sie und für mich.

Wer dessen gewahr wird, wer erkennt – der hängt da am Kreuz für mich – der kann sich nicht abwenden und teilnahmslos von dannen ziehen. Der muss sich fragen lassen, was tue ich denn? Trete ich ein in diese Zuneigung Gottes zu den Menschen?

Mutter Theresa hat einmal gesagt: „Lieben, bis es weh tut!“
Ja es gibt Liebe, die weh tut, Liebe, die anstrengt.
Die Liebe in schlechten Tagen, in Krankheit, in Krisen.
Es gibt den Schmerz der Liebe, die keine entsprechende Gegenliebe findet und auch die Liebe, die nach der Liebe Gottes ruft und anscheinend keine Antwort erfährt.
Lieben, bis es weht tut! – wer mit dieser Absicht unter dem Kreuz steht, wird erleben, dass der Tod am Kreuz Anfang eines österlichen Triumphes ist. Aber zuerst gilt es unter dem Kreuz auszuharren. Lassen wir uns jetzt darauf ein – gemeinsam mit allen, die Jesus an  sich zieht.

Zur Kreuzverehrung

Du wolltest alle an Dich ziehen –
deshalb bringe ich Dir jetzt alle zum Kreuz –
alle, die mir lieb und teuer sind, alle, die mir etwas bedeuten, allen, denen ich dankbar bin.
Sie sind Goldstücke meines Lebens.

 

„Mein“ Abendmahl

Gründonnerstag 2025 in Dernau

Die bekannteste Darstellung des Abendmahl in der Kunst ist gewiss die von Leonardo Da Vinci. 1494-1498 hatte er dieses Monumentalgemälde für die Stirnwand des Dominikaner Klosters in Mailand geschaffen. Viele Künstler haben sich in diesem Thema versucht. In den gemalten Personen spiegelt sich die Deutung des Künstlers wider, der versucht, eigentlich Unfassbares in Formen und Farben wiederzugeben.

Letztlich wird das auch von uns in diesen Stunden verlangt: wir müssen „unser“ Abendmahl „malen“, so wie wir dieses Ereignis für uns ganz persönlich deuten. Keine Angst, nicht mit Leinwand und Pinsel: „Mein“ Abendmahl muss in meinem Herzen Gestalt annehmen, so dass es dort Spuren für mein Leben hinterlässt.

Versuchen wir ein paar Details wahrzunehmen, die uns helfen können, unseren ganz persönlichen Zugang zu finden:

Es ist eine Stunde großer Intimität: der Herr ist nicht in der Menge, nicht unter vielen Menschen, wie es oft im Evangelium beschrieben wird. Er ist mit den zwölf Aposteln allein, selbst die Frauen die noch in den letzten Tagen – etwa bei der Salbung in Betanien eine Rolle spielten – sind außen vor – was aus heutiger Perspektive ärgerlich ist.
Es ist eine Stunde voller Zeichen und Symbole: zwölf Jünger hat der Herr um den Tisch versammelt. Genauso viele Jünger wie es Stämme im Volk Israel gab, an dessen Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens dieses Mahl erinnert.
Es ist nicht irgend ein Paschamahl, ein Pessach-Mahl, wie so oft in der Geschichte des Volkes Israel; sondern es ist das eine Mahl, das den Beginn des neuen Gottesvolkes markiert.

Es ist die Stunde, in der der Herr selbst seinen Jüngern hilft, zu verstehen, was in den nächsten Stunden geschieht.
Die Fusswaschung beschreibt seine Sendung, seinen Dienst für andere. Die Herrlichkeit Gottes offenbart sich, indem er dem Geschöpf die Füße wäscht. Nur wer das versteht, begreift, was in den nächsten Stunden geschieht.

Obwohl zwölf am Tisch versammelt sind, ragen drei aus der Schar heraus: der Lieblingsjünger, Petrus und Judas.

Der Lieblingsjünger, den man oft mit dem Hl.Johannes gleichgesetzt hat, dessen Platz unmittelbar neben Jesus war. Der, der ihn wohl auf Anhieb verstand.  Er ist nach dem Ausweis des Johannes-Evangeliums der ideale Zeuge, weil er alles genau gesehen hat – und zwar in der richtigen Perspektive.[1]

Petrus, der intuitiv spürt, was die Fußwaschung für ihn bedeutet: letztlich ist er Geschöpf, das seine Existenz seinem Schöpfer verdankt. Ist er doch eher der Typ, der bestrebt ist, alles aus eigener Kraft lösen und zu erlösen. Er soll zulassen, dass sein Herr und Meister an ihm handelt.

Und schließlich Judas, ein Mensch voller Widersprüche. Zuerst von diesem Jesus so überzeugt, dass er alles verlässt, um ihm nachzufolgen, und schließlich von ihm so enttäuscht, dass er ihn für 30 Silberlinge verrät, so viel wie man damals für einen Sklaven bezahlte.

Drei Gestalten, die mir zeigen, was es mit dem Abendmahl, was es mit der Eucharistie auf sich hat:

  • es ist die Speise derer, die sich in einer besonderen Beziehung zum Herrn wissen. Die versuchen, ihn zu verstehen, die auch heute seine Zeugen sind.
  • es ist die Speisen derer, die wissen, dass sie sich dem Herrn verdanken, die wissen dass sie die Kraft dieser Speise benötigen, um den Alltag zu bestehen.
  • es ist die Speise der Sünder, die alle einmal „Ja“ gesagt haben und von ihrem „Nein“ eingeholt wurden.

Wir verdanken es Papst Franziskus, dass er uns diesen letzten Aspekt in Erinnerung gerufen hat: „Die Eucharistie ist […]nicht eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen.“ „Häufig verhalten wir uns wie Kontrolleure der Gnade und nicht wie ihre Förderer“, sagt er uns. „Doch die Kirche ist keine Zollstation, sie ist das Vaterhaus, wo Platz ist für jeden mit seinem mühevollen Leben.“ [2]

Mit diesem Wort hat der Papst die Herzen vieler Menschen getroffen. Jene, die sich lange Zeit ausgeschlossen erlebten, fühlen sich plötzlich wieder eingeladen.
Nicht, dass sie sich nicht bewusst gewesen wären Sünder, auch große Sünder, zu sein. Aber sie hatten vergebens Ausschau gehalten nach Barmherzigkeit.

Wenn Christus Judas am Tisch aushält, mit ihm das Brot teilt, mit ihm Mahl hält, dann hält er auch uns aus, dann hält er auch die aus, die wir so gern als Sünder bezeichnen.

Die Eucharistie ist der Schatz, der in der Kirche und im Leben an die erste Stelle gesetzt werden muss!“, sagt der Papst – ein Schatz, ein Goldstück – erinnern Sie sich noch an unser Fastentuch mit dem großen Goldklumpen.

Wenn ich mein Abendmahl malen würde (und könnte), ich würde es in goldenen Farben malen und drunter schreiben: Das Mahl der Sünder – ein kostbarer Schatz!
Und wie würden Sie Ihr Bild nennen?

[1] Und der, der es gesehen hat, hat es bezeugt, und sein Zeugnis ist wahr. Und er weiß, dass er Wahres berichtet, damit auch ihr glaubt. (Joh 19,35)

[2] Evangelium Gaudium Nr. 47
Das Bild zeigt ein Fresko aus dem 13.Jahrhundert, das Abendmahl von Jacopo Bassano und Studien von Andy Warhol zu Leonardo da Vinci

Jesus kommt nach Dernau? Er ist schon da

Predigt am Palmsonntag 2025 in Dernau – Gedanken zum Esel im Anschluß

In jenen Tagen hörte die Volksmenge,
die sich in Dernau auf das Osterfest vorbereitete,
Jesus komme nach Dernau.

Da nahmen sie Palmzweige, zogen hinaus, um ihn zu empfangen,
und riefen: Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn, der König Israels!

Würden wir, würde die Menge sich aufmachen, ihn zu empfangen?

  • Er ist keine Weinprinzessin, die freudig in ihrer Heimat begrüßt wird.
  • er ist auch kein Mitglied einer populären Musikgruppe, die hier im Sommer musizieren

Jesus, wer würde dir entgegen gehen?

Vielleicht würden wir uns die Zeit nehmen. Heute noch – aber morgen früh haben wir wieder andere Verpflichtungen. Wenn wir es überlegen, so ganz recht wäre uns das nicht, wenn Du gerade jetzt kämst, vielleicht nach Ostern, oder nach dem Weinfrühling, nein, da sind Sommerferien, vielleicht dann doch erst im Herbst, obwohl soviel Zeit hätten wir dann auch nicht, da ist ja Winzerfest und Martinsmarkt, und dann kommt der Advent und Weihnachten. Ganz schön viel los, Jesus – und dann kommst du auch noch.

Was würden wir rufen, wenn wir es denn passend machen würden?
Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn, der König Israels!

Klingt nicht mehr so ganz zeitgemäß; ein bisschen verstaubt.
Und außerdem, wir hätten da ne Menge Fragen – endlich könnte er uns auf alle Fragen eine Antwort geben, alle unsere Vorbehalte entkräften.
Wir könnten endlos diskutieren bis wir alles verstanden haben, was nicht zu verstehen ist.Ob wir dann noch jubeln werden, werden wir sehen. Vielleicht wechseln wir auch sofort zum „Kreuzige ihn!“

Wer bewahrt uns davor, dass wir unsere Sehnsüchte nicht auf ihn projizieren – so wie es die Menschen damals getan haben?
Endlich jemand, der dem Hickhack der Politik ein Ende macht.
Endlich jemand, der wirklich für blühende Landschaften sorgt.
Endlich ein Heiland für alles Unheile in meinem Leben und in der Welt.

Doch wehe, wenn die Erwartungen enttäuscht werden. „Hosanna“ und „Kreuzige ihn„; dazwischen gibt es nichts.

Also: Jesus – dein Kommen brächte uns schon in Verlegenheit.

Jesus kommt nach Dernau – eine Wunschvorstellung?
GottseiDank ist er schon da –

aus der Passionsgeschichte, aus der wir eben einen Ausschnitt gehört haben, wissen wir es.
Sie erzählt

  • Von der Todesangst (im Garten Getsemani)
  • Vom Verrat des Freundes
  • Von der Untreue des Freundes
  • Von Hohn und Spott, vom Mobbing der Soldaten
  • Von falschen Zeugen
  • Vom ungerechten Urteil
  • Vom gottverlassenen Sterben

Aber auch

  • Von der Liebe der Frau, die Jesus salbt und ihm Gutes tut
  • Von der Unterstützung des Simon von Cyrene
  • Von der kleinen Liebestat einer Veronika
  • Von der Mutter, den Frauen und den Freunden, die unter dem Kreuz aushalten.

Szenen der einen Passion, die sich so oder ähnlich in unserem Leben, im Leben der Menschen wiederholen.

Da finden wir ihn:
bei denen, die Not leiden,
bei denen, die sich verraten und betrogen fühlen,
bei denen, die gemobbt werden,
bei denen, die sich gegen böse Gerüchte wehren müssen,

und bei denen, die die Not der anderen lindern, Menschen beistehen, wie etwa die Johanniter, die  hier im Tal tätig sind.

Jesus kommt nach Dernau – das war die Idee.
Er will weder zum Bürgermeister, noch in die Winzergenossenschaft, noch in die Kirche hier.

Er will dorthin, wo Menschen leiden und wo die kleine Tat der Liebe das Leben und das Leiden leichter macht.

Auf dem Dernauer Dorfplatz steht ein Esel. Dort hat unser Gottesdienst zum Palmsonntag begonnen, denn da war doch etwas mit einem Esel.

Hier die Einladung zur Prozession: Meine Lieblingsrolle: der Esel.

Wenn ich mir eine Rolle in der Passionsgeschichte aussuchen müsste, wüsste ich wohl, welche ich gern spielen möchte: die des Esels, auf dem Jesus in die Stadt reitet.

In unseren Breiten gibt es das Wort vom „dummen Esel“ – eine Bezeichnung, die wir im Orient nie hören würden – dort werden die Esel wegen ihrer Orientierungsgabe sehr geschätzt, so daß keine Karawane ohne Esel loszieht. Ein Esel findet den Weg, den er einmal gegangen ist, mit absoluter Sicherheit wieder, sogar nachts, sogar noch nach Jahren. Aber das allein ist nicht der Grund meiner Auswahl.

Mich fasziniert immer wieder, wenn ich das Evangelium des Palmsonntags höre, das Wort „Der Herr braucht ihn!“ Ο κύριος steht da im griechichen Text, Kyrios, das ist der Titel des auferstandenen Christus – da leuchtet in dieser Szene am Anfang dieser Woche schon das Ende auf.

Vom Herrn gebraucht, aber nicht verbraucht zu werden – das spüre ich schon als Sehnsucht in mir.

Wir könnten heute damit anfangen. Wie sähe unsere Welt aus, wenn alle, die an diesem Palmsonntag einen Palmzweig zur Erinnerung an die Ereignisse in Jerusalem mit nach Hause nehmen, zu wahren Zeugen Jesu, zu Zeugen dieses Kyrios, zu Zeugen dieses Friedenskönigs würden?
Wenn wir alle verwirklichen würden, was wir in einem alten Kirchenlied singen. „Laß uns den Haß, das bittre Leid fortlieben aus der dunklen Zeit!
Ich bleibe dabei, die Rolle des Esels stände uns allen gut an –  denn der Herr braucht uns.


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Ein Vater, der goldene Brücken baut

Predigt zum Evangelium Lk 15, 11-32

Der ältere Bruder hat Recht mit seinem Protest. Er ist zu Hause geblieben beim Vater, hat sich nicht mit einem Teil des Vermögens auf und davon gemacht. (was juristisch in Ordnung war). Er hat das Geld nicht verprasst und ist nicht in der Armut gelandet, ganz unten bei den Schweinen, die der Gescheiterte hüten musste. Abgebrannt kehrt der nach Hause zurück und wird mit Freuden aufgenommen, sogar ein Fest wird für ihn veranstaltet.

Der Ältere wird zornig. Der davon-Gelaufene kommt nach Hause zurück und erlebt ein Fest, wie es der Brave, Wohlanständige es nie erfahren hat. Er hat sich abgemüht und nie etwas zurück bekommen.
Das ist nicht mehr mein Bruder, das ist dein Sohn“ schleudert er dem Vater entgegen. Wir spüren die Kälte, die Verachtung aus seinen Worten, aber auch seine Enttäuschung. Da gibt es nichts Verbindendes mehr. Da steht jemand allein auf weiter Flur. Er fühlt sich vergessen.
Nach den Maßstäben der Gerechtigkeit beurteilt ist, er im Recht. Aber dieser Standpunkt schließt ihn aus vom Fest. Zornig steht er vor der Tür.

Schauen wir einen Augenblick auf unser Fastentuch: ein dunkler schwarzer Balken schiebt sich quer über das Tuch, wie ein hässlicher Fluss, der die beiden Ufer voneinander trennt. Schwarz und dunkel wie die Enttäuschung, die aus den Worten des Älteren spricht,
schwarz und dunkel wie sein Zorn, trennend wie es der Standpunkt „ich bin aber im Recht“ oft ist, düster wie seine Enttäuschung und sein Allein-Sein.

Aber auch das Verhalten des jüngeren Bruders finde ich in diesem Schwarz wieder. Die Abfindung eines Kindes noch zu Lebzeiten des Vaters war dem jüdischen wie griechischen Hörer dieser Geschichte eine vertraute Rechtsgepflogenheit. Allerdings hatte derjenige, der wegzieht, damit alle Rechte verloren und keinerlei Ansprüche mehr bei einer etwaigen Rückkehr.
Auch die Krise, in die er gerät, ist nichts Außergewöhnliches: es kommt immer wieder vor, dass Menschen plötzlich am Ende sind. Und auch die Überlegungen, die der jüngere Sohn anstellt, sind nichts Außergewöhnliches: wer sich so in sein Unglück selbst hineingeritten hat, der muss auch sehen, wie er herauskommt.

Krisen, die wir selbst verschuldet haben, kennen einige von uns auch. Sie sind wie dieser schwarze Fluss, der einem den Weg versperrt hinüber und herüber.

Aber da ist noch jemand in dieser Geschichte: der Vater, der beiden entgegen geht.
Dem Jüngeren, dem verlorenen Sohn, um ihm die letzten aber doch schweren Schritte zu erleichtern,
dem Älteren, dem Vergessenen, um seine Enttäuschung und seinen Schmerz zu lindern..

Der Vater, der nicht eine Rechtfertigung einfordert, der, bevor der Heimkehrer eine Entschuldigung aussprechen kann, ihm um den Hals fällt und ein Fest für ihn veranstaltet.

Der Vater, der statt auf die Vorhaltungen des Älteren einzugehen, ihn verweist auf seine große Liebe und Güte: „mein Kind, du bist immer bei mir und alles, was mein ist, ist auch dein. Dieser, dein Bruder, war tot und lebt wieder. Er war verloren und ist wiedergefunden worden. Da muss man doch ein Fest feiern und sich freuen.“

Der Vater wird in dieser Geschichte wie auf unserem Fastentuch zur Goldenen Brücke, die den schwarzen Fluss überspannt und es möglich macht hinüber und herüber zu gehen.

Jesus hat die Geschichte vor fast 2000 Jahren erzählt, um seinen Zuhörern damals und uns heute zu sagen: so anders ist Gott! Das anscheinend Unmögliche, wird als das mögliche beschrieben. So handelt Gott am Menschen, so vergibt Gott dem Sünder, so baut er eine Brücke über Trennendes, so ist es im Reich Gottes.

Wir wissen, dass das Reich Gottes hier schon beginnt, deshalb brauchen wir solche „Väter Typen“.
Männer und Frauen, die  goldene Brücken zueinander bauen,  die dann, wenn alle Möglichkeiten unmöglich erscheinen, immer noch eine Tür haben, die sie öffnen und durch sie dem andern entgegen gehen können.
Männer und Frauen, die die verlorenen und vergessenen Söhne zurückholen.

Solche Väter Typen, Männer und Frauen, brauchen wir wenn wir wieder einmal draußen stehen, weil wir auf Recht und Ordnung pochen oder unsere Enttäuschung oder auch unsere Wut eskaliert. Die dann herauskommen und uns einladen, am Fest teilzunehmen, die Liebe und Versöhnung zu feiern.

Männer und Frauen, die uns eine Ahnung davon geben, wie Gott handelt.

Ob wir mit hineingehen, hängt dann von uns ab.
Wir können es wie der ältere Bruder im Evangelium machen, dessen Reaktion nicht berichtet wird und der vielleicht immer noch draußen steht während drinnen die Liebe gefeiert wird.


Till Magnus Steiner, Theologe, der in Jerusalem lebt, schreibt „Schriftfetzen“ zu biblischen Texten. Heute ein Psalm zu Lk 15:


Quelle: Facebook/Instagram „Schriftfetzen“.


Jeden Sonntag gibt es im Gottesdienst einen Gedanken zu der Darstellung des Fastentuches. Sie können Sie ergänzen oder auch widersprechen! Nutzen Sie die Kommentarspalte unten. Oder die Kommentarspalte auf dieser Seite: https://wilfried-schumacher.de/2025/03/07/fastenzeit-in-dernau/
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Mit der Gemeinde in Dernau freue ich mich über Ihre Beteiligung. Wenn Sie hier nicht schreiben wollen, können Sie mir auch persönlich schreiben.

Mit dieser Adresse kommen Sie immer schnell auf die Seite: fastentuch-dernau.de

Barmherzigkeit ist der Name Gottes

Es war und ist im heiligen Land üblich angesichts der beschränkten fruchtbaren Fläche in den Weingärten auch Fruchtbäume anzupflanzen. Deshalb steht der unfruchtbare Feigenbaum in einem Weinberg. Hier an der Ahr ist mir das noch nicht begegnet, aber vielleicht habe ich auch nicht genau genug hingeschaut. Ich habe mich gefragt, was würde ein Winzer machen angesichts von Weinstöcken, die keine Frucht bringen. Für den Weinbergbesitzer im Evangelium ist die Sache klar: der Feigenbaum bringt schon seit 3 Jahren keine Früchte mehr. Deshalb hau ihn um! Vielleicht wäre es auch die wirtschaftlichste Lösung.

Überraschend ist die Antwort des Winzers, der den Weinberg mit dem unfruchtbaren Feigenbaum bearbeitet: Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen; ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen. Vielleicht trägt er in Zukunft Früchte; wenn nicht, dann lass ihn umhauen!

Wenn wir solche Geschichten hören, müssen wir uns immer bewusst machen, in welchem Zusammenhang sie stehen. Sie stehen im Evangelium und damit wissen wir, es geht nicht um Landwirtschaft und Weinanbau, es geht um das Reich Gottes, es geht um unser Leben als Christen. Der Feigenbaum wird zu einem Bild für den Menschen, der Frucht bringen soll. Wenn er das nicht tut, ist allerdings „ hau ihn um“ nicht die erste Lösung. Er bekommt eine zweite Chance!

So wird der Winzer mit seinem Vorschlag: „Herr lass ihn dieses Jahr noch stehen, vielleicht trägt er in Zukunft Früchte“ zu einem Vorbild für Handeln im Reich Gottes. Wir könnten auch sagen: er zeigt uns, was es heißt „barmherzig“ zu sein!

Barmherzigkeit ist der Name Gottes schlechthin“, sagt Papst Franziskus. „Sie ist Stärke und Zärtlichkeit zugleich“.
Und Shakespeare weiß von der Barmherzigkeit: „Sie segnet den, der gibt, und den, der nimmt.“
Barmherzigkeit lässt sich nicht verordnen. Es ist die Kraft des Einzelnen.
Barmherzigkeit berechnet nicht. Sie gibt bedingungslos. Verschenkt und beschenkt nicht nur den Empfänger, sondern auch den, der gibt.

In der christlichen Tradition kennt man die „sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit“: Hungrige speisen, Durstige tränken, Fremde herbergen, Nackte bekleiden, Kranke pflegen, Gefangene besuchen, Tote bestatten.
Weniger bekannt sind die „sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit“: Dem Rat geben, der ihn braucht; den lehren, der nichts weiß; den korrigieren, der irrt; den Traurigen trösten; die Beleidigungen verzeihen; die unangenehmen Menschen mit Geduld ertragen; und schließlich: beten.

Sieben Werke der Barmherzigkeit – da sind wir wieder bei unserem Fastentuch. Sieben goldene Steine sehen wir auf dem Tuch. Heute erinnern Sie mich an die sieben Werke der Barmherzigkeit.
Vielleicht sagen Sie jetzt: ich kenne keinen Nackten, keinen Gefangenen, um die Beerdigung von Toten kümmern sich andere, mich fragt keiner um Rat usw.
Aber damit ist die Sache für Sie, für uns nicht erledigt:

Der frühere Erfurter Bischof Joachim Wanke hat versucht, diese Werke der Barmherzigkeit neu zu beschreiben:  für uns heute in unserer Sprache. Schauen wir sie an, vielleicht passen sie ja.

  1. „Einem Menschen sagen: Du gehörst dazu“
    Immer wieder gibt es Menschen, die am Rand stehen, die außen vor bleiben: in der Familie, im Verein, in der Gemeinde, in der Gesellschaft. Sie hineinholen „du gehörst dazu“.
  2. „Ich höre Dir zu!“
    Wir leben in einer Zeit totaler Kommunikation. Jeder hat sein Handy. Da gibt es SMS, WhatsApp, Twitter, Facebook, Tiktok und vieles anderes mehr. Und trotzdem: Haben wir wirklich noch Zeit zuzuhören?
  1. „Ich rede gut über dich“
    Unser Papst kämpft seit dem Beginn seines Pontifikats gegen den Tratsch. „er ist die Pest“ sagt er. Er schädigt die sozialen Bindungen, vergiftet die Herzen und führt zu nichts. Stattdessen gilt es, gut über den anderen zu reden.
  1. „Ich gehe ein Stück mir dir“
    „Ich möchte, dass einer mit mir geht, der’s Leben kennt, der mich versteht,“ heißt es in einem Kirchenlied im evangelischen Gesangbuch. Daliah Lavi sang vor über 50 Jahren: „Willst Du mir gehen, Licht und Schatten verstehn“. Es tut gut, nicht allein unterwegs zu sein.
  1. „Ich teile mit dir“
    Es gibt Vieles, was wir teilen können – nicht nur Materielles, vor allem auch Zeit, vielleicht auch Interessen, Erfahrung, Träume, Visionen, Zukunft
  1. „Ich besuch dich“
    Einsamkeit kann jeden und jeden treffen. Sie hat unterschiedliche Ursachen. Davon betroffen sind sowohl ältere als auch jüngere Menschen. Sie sprechen nicht häufig über ihre Einsamkeit, schaffen es oft nicht aus eigener Kraft, sich aus der Einsamkeit zu befreien. Da braucht es Menschen, die das wahrnehmen und die sagen „Ich besuch dich“
  1. „Ich bete für dich“
    „ich denke an Sie, ich bete für Sie“ -ein solches Wort erhellt oft die Gesichter der Menschen. Für einen anderen beten heißt, ich nehme ihn mit zu Gott, schaue ihn oft mit neuen Augen. Ich mache mir seine Sorgen zu eigen, ich bitte für ihn, aber auch: ich danke für ihn.

Sieben Werke der Barmherzigkeit, ob klassisch oder modern – auf unserem Fastentuch werden sie für mich zu sieben Goldstücken, kostbar, leuchtend. Amen

Damit wir leben können

Auf unserem Fastentuch fällt der schwarze Balken auf, der sich quer über das ganze Tuch zieht. Für mich heute ein Symbol für die dunklen Stunden im Leben:

Es gibt dunkle Stunden im Leben.
Wenn man zum Beispiel tagelang unterwegs ist mit Unsicherheit, Sorge und Angst:
· jemand, der schwer erkrankt ist und auf die endgültige Diagnose wartet,
· jemand, der in einer großen existentiellen Unsicherheit lebt, der fürchtet in einer Beziehung einen Menschen zu verlieren, dem der Verlust des Arbeitsplatzes droht,
· jemand, dem die sogenannten Sicherheiten des Lebens abhanden gekommen sind – wie vielen Menschen bei der Flut hier im Tal.

Da hat man das Gefühl: es ist nur noch Nacht, auch am hellen Tag. Es sind die Nächte mit den Fragen, die wir alle kennen: Wie ist das möglich? Warum greift Gott nicht ein? Ist er nicht der barmherzige Vater? Wo ist da die Anwesenheit Gottes in dieser Welt. Wieso gehen die Dinge diesen Weg?

Abraham kannte das auch: Aufbruch in ein fernes Land, immer wieder Verheißungen, immer wieder Herausforderungen, immer wieder diese quälende Ungewissheit, ob in Erfüllung geht, was ihm vesprochen wird. Abraham war überzeugt: Gott wird es richten! Und Gott rechnete es ihm als Gerechtigkeit an. (Gen 15,6)

Was kann uns helfen, die Dunkelheiten im Leben tzu bestehen, zu verhindern, dass der Weg in der Dunkelheit nicht in die Gottferne führt?

Wir Menschen wollen sehen statt glauben, wir wollen wissen statt vertrauen.
Den Aposteln Petrus, Jakobus und Johannes wird auf dem Berg, auf den sie Jesus führt, geschenkt, was viele Menschen ersehnen. Sie dürfen Jesus schauen als den, in dem Gesetz und Propheten ihr Ziel und ihre Erfüllung haben. Er ist des ewigen Gottes vielgeliebter Sohn.

Man kann nur erahnen, was die Jünger dort erlebt haben, wenn man den Vorschlag des Petrus hört: „Meister, es ist gut, daß wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen!“ Ein solche Erfahrung muss man festhalten, muss man bewahren.

Andreas Bourani singt:Wer friert uns diesen Moment ein?. Besser kann es nicht sein“.
Er hat Recht, solche Glücksmomente dürfen nicht vergehen. Wir möchten sie festhalten.
Glücksmomente des Glaubens, wenn wir uns der Liebe Gottes, seine Hilfe, seiner Zuwendung sicher sind.
Glücksmomente in der Liebe, der Beziehung, wenn uns die Liebe, Treue, die Freundschaft zum Fundament werden, auf dem wir stehen können.
Glücksmomente im Beruf, im Studium, in der Schule wenn uns etwas gelungen ist, wenn wir gelobt, gefördert oder befördert werden.

Es gibt solche Stunden, in denen wir wie Andreas Bourani in den Song einstimmen können: „Ein Hoch auf uns, auf dieses Leben, auf den Moment der immer bleibt. Ein Hoch auf uns, Auf jetzt und ewig, Auf einen Tag Unendlichkeit.
Aber Andreas Bourani irrt an einer wesentlichen Stelle: die Unendlichkeit, die ewige Treue, die Unsterblichkeit gibt es nicht auf dieser Welt.

Jesus steigt mit seinen Jüngern wieder hinab vom Berg, hinab zurück in den Alltag. Der Augenblick des überwältigenden Lichts ist auf dieser Welt nicht ewig – und trotzdem brauchen wir ihn, und nicht nur einmal – weil wir aus ihm leben.

Wir brauchen die Momente des Glücks, Momente des Lichts! Gäbe es diese Momente nicht, wäre die Welt ein einziges Jammertal.
Auf unserem Fastentuch liegt ein großer Brocken auf dem schwarzen Band – ein großes Goldstück. Es symbolisiert für mich die Augenblicke des Glücks, der Zufriedenheit, der Hoffnung, des Lichtes in unserem Leben. Augenblick, die das Dunkle erträglich machen.
Der zweite Fastensonntag lädt uns ein, nicht nur auf das Dunkle im Leben zu schauen, sondern auch das Helle, das Lichte dankbar in den Blick zu nehmen – damit wir leben können!

Jeden Sonntag gibt es im Gottesdienst einen Gedanken zu der Darstellung des Fastentuches. Sie können Sie ergänzen oder auch widersprechen! Nutzen Sie die Kommentarspalte unten. Oder die Kommentarspalte auf dieser Seite: https://wilfried-schumacher.de/2025/03/07/fastenzeit-in-dernau/
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Mit der Gemeinde in Dernau freue ich mich über Ihre Beteiligung. Wenn Sie hier nicht schreiben wollen, können Sie mir auch persönlich schreiben.

Mit dieser Adresse kommen Sie immer schnell auf die Seite: fastentuch-dernau.de

Fastentuch Dernau

(c) MISEREOR

Fastentücher, Hungertücher wurden früher aufgehangen, um das Gold und die Farbe der Altäre in der Fastenzeit vor den Augen zu verbergen. Die Menschen sollten auch mit den Augen fasten.
In diesem Jahr haben wir in Dernau noch einmal das MISEREOR-Hungertuch aus dem Jahre 2015 aufgehängt.  Gemalt hat es der chinesische Künstler Dao Zi. Es hat die Überschrift „Gott oder Gold – Wie viel ist genug?“
Für den einen symbolisiert der große Goldklumpen wirklich den Reichtum, den wenige angehäuft haben, „das Gold in vielerlei Prägung, nach dem Menschen verlangen und dem sie sich verschreiben – einem Götzen mit magischer Anziehungskraft“. Für andere ist es vielleicht die „goldene Brücke“ über einen Abgrund, der so überwunden wurde oder noch gemeistert werden muss.
Wir haben in den nächsten Wochen genug Zeit, um das Tuch zu betrachten. Es gibt nicht die eine Erklärung, sondern es gilt das, was wir aus dem Bild lesen – in unterschiedlichen Situationen, in unterschiedlichen Stimmungen.

Ich lade Sie ein, lassen Sie uns teilhaben an Ihren Gedanken zu dem Tuch. Was sehen Sie? Was löst es in Ihnen aus? Hat es eine Wirkung? Verändert sich etwas? Nutzen Sie die Kommentarspalte unten.

Jeden Sonntag gibt es im Gottesdienst einen Gedanken zu der Darstellung des Fastentuches. Sie können Sie ergänzen oder auch widersprechen! Nutzen Sie die Kommentarspalte unten.
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Die Trone, die du laachs, bruchs du net krieche.

Predigt am 2.3.2025 in Dernau in Mundart (Hier die hochdeutsche Fassung)

Wussten Sie eigentlich, dass es in Deutschland 236 Lachclubs gibt? Alle paar Wochen trifft man sich dort, um miteinander zu lachen. Vielleicht auch deshalb weil Lachen gesund ist. Man bewegt viele Muskeln und es kommt es zu einer vermehrten Sauerstoffaufnahme in den Lungen. Die Durchblutung wird verbessert und der Kreislauf stabilisiert.

Der heutige Karnevalssonntag lädt gerade zu ein, ein wenig über das Lachen nachzudenken. Lachen ist im Gottesdienst etwas Ungewohnntes. Es passt anscheinend nicht zur heiligen Handlung. Im Karneval singt man: die Trone, die du laachs, bruchs du net krieche. Schon allein deshalb lohnt sich das Lachen.

Der Himmel hat den Menschen als Gegengewicht zu den vielen Mühseligkeiten des Lebens drei Dinge gegeben: Die Hoffnung, den Schlaf – und das Lachen,“ soll der große Philosoph Immanuel Kant gesagt haben.

Der Theologe Karl Rahner fordert uns geradezu auf: „Lacht manchmal, lacht unbeschwert. Fürchtet nicht, ein bisschen dumm zu lachen und ein bisschen zu oberflächlich.“ Denn: „Du bist ein Mensch“, sagt das Lachen.“ Recht hat er: nur Menschen können lachen, Tiere, Maschinen und Computer können das nicht. Das Lachen ist menschlich. Es erinnert mich daran, dass ich Mensch bin, ein Geschöpf Gottes. Deshalb betete Rahner: Ich danke Dir Gott, dass ich bin, dass Du mich geschaffen hast, mich ins Leben gerufen hast, Dich für mich entschieden hast. Ausgerechnet für mich.
Das kann einem schon ein Lachen oder zu mindestens ein Lächeln entlocken.

Machen wir es praktisch: „ Der liebe Gott weiß, dass ich kein Engel bin, ein bisschen Teufel steckt doch in jedem drin,singen die Höhner. Recht haben sie. Was da von allen lautstark mitgesungen wird, ist biblische Botschaft, die von vielen vergessen worden ist. Der Teufel, der Versucher, wir haben ihn gleichsam wegrationalisiert. Wir sprechen von der Umwelt, von den Medien, von den anderen, die uns beeinflussen, statt von uns selbst zu reden, die das Böse tun.

Der liebe Gott weiß, dass ich kein Engel bin, das mit dem Himmel, das kriegen wir schon hin – das klingt nach der rheinischen Überzeugung „der liebe Gott is net esu – ist nicht so“ d.h. er nimmt es nicht so genau. Wohlwollend gesehen, heißt es aber auch, dass der Weg in den Himmel nicht unmöglich ist, vor allem dass der Weg in den Himmel nicht gleichgesetzt werden darf mit Freudlosigkeit und Angst.

Menschen, aus deren Leben das Lachen ausgewandert ist, die aber viel Geld und Einfluss haben, stellen gerne einen Hofnarren an. Sie lagern die Freude, den Klamauk und das Lachen aus. Die Fürsten hielten sich solche Hofnarren, auch die Bischöfe begannen Hofnarren anzustellen, als ihre Macht zunahm, aber ihre eigene Humorfähigkeit abnahm. Es hat nicht jeder den Humor eines Johannes XXIII., der als er zum ersten Mal als Papst auf der Loggia von St.Peter steht, angesichts der engen Kleidung (er war ja etwas fülliger) murmelt: Alle freuen sich, nur nicht der Schneider.

Heiterkeit des Herzens ist Leben für den Menschen“,  hieß es eben in der Lesung.

Menschen, die viel lachen oder andere zum Lachen bringen, sind ein echtes Geschenk füreinander. Sie helfen nicht selten, das Leben zu bewältigen oder wenigstens leichter zu machen. Am Besten ist es, wenn man über sich selbst, über den eigenen Betrieb lachen kann. So mancher Witz enthält eine versteckte Wahrheit.

Zwei Beispiele:

  • Zwei Spinnen treffen sich in der Kirche. Sagt die eine: „Ich wohne in der Orgel, grässlich!! Immer dieser Krach, der Wind, ich sage  dir, einfach grässlich!!“ Darauf die andere: „Mir geht es hervorragend. Ich wohne im Opferstock, da ist immer Ruhe!“
  • Im Pfarrbüro spricht ein Mann vor und fragt, wann denn der Herr Pfarrer seinen Hund beerdigen könne. „Ihren Hund?! „Also ich glaube nicht, dass der Herr Pfarrer bereit ist, einen Hund zu beerdigen!“, lehnt die Mitarbeiterin das Ansinnen ab. „Na dann“, zuckt der Mann die Achseln, „in dem Fall nehme ich die 500 Euro wieder mit und frage den evangelischen Pfarrer!“  „Ach so ist das!“, meint die Sekretärin, „Warum haben Sie mir denn nicht sofort gesagt, dass Ihr verstorbener Hund Katholik war!“

Natürlich kann es Situation geben, in denen einem nicht zum Lachen zumute ist. Dann kann man nur hoffen, dass wahr wird, was die Bläck Föös in einem Lied besingen. „Do han sen en dr Ärm genomme on alles wor wieder joot – heißt der Refrain einer Beschreibung des Alltags, einer Kündigung, eines Autounfalls.
Manchmal kann die Nähe eines Menschen froh machen, lautet die hochdeutsche Zusammenfassung dieser Botschaft.

Die Höhner singe:
Minsche wie mir dun kriesche un laache
Minsche wie mir sin nit jän allein
Rötsch doch jet nöher, wie Fründe dat maache
Minsche wie mir, jo Minsche wie mir!

Fastelovend-Menschen wissen das. Sie wissen auch: „Am Aschermittwoch ist alles vorbei“ – Nicht alles, das Lachen muss bleiben, denn „das Lachen ist die Sonne der Seele“ (Victor Hugo)[1]. Und ohne Sonne wäre es nur noch Dunkel in unserer Welt.

[1] Das vollständige Zitat lautet: Das Lachen ist die Sonne der Seele, die aus dem menschlichen Antlitz den Winter vertreibt“.

Im Gottesdienst wurden auch folgende Songs zitiert:

Hück steiht de Welt still,
För ne kleine Moment
Wenn mr öm sich röm alles verjiss
Hück steiht de Welt still
Un us nem kleine Augebleck weed Iwigkeit
Wenn mer he zesamme sin
Cat Ballou

Wenn mir zosamme sin
Kann kumme, wat will
Denn sulang mir uns noch han
Kann uns nix passiere
Sulang mir he noch stonn
Jeiht et schon wigger
Cat Ballou

Das Gloria-Lied von den Höhnern.

Adelheid, Hosea und eine Wahlempfehlung

Festpredigt am Fest der Hl. Adelheid von Vilich in St.Peter Vilich am 8.2.2025

Spruch des HERRN. Darum will ich selbst sie verlocken.  Ich werde sie in die Wüste gehen lassen und ihr zu Herzen reden. Dort wird sie mir antworten wie in den Tagen ihrer Jugend,  wie am Tag, als sie aus dem Land Ägypten heraufzog. Ich verlobe dich mir auf ewig; ich verlobe dich mir um den Brautpreis von Gerechtigkeit und Recht, / von Liebe und Erbarmen, ich verlobe dich mir um den Brautpreis der Treue: Dann wirst du den HERRN erkennen. (Altes Testament Buch Hosea 2,16.17b,21-23)

Spruch des HERRN.  Darum will ich selbst sie verlocken. / Ich werde sie in die Wüste gehen lassen / und ihr zu Herzen reden.“ Das klingt ja nicht nach einem frommen Bibeltext, eher nach einer Zeile aus einem Liebesroman etwa von Rosamunde Pilcher

Und doch, es ist ein Bibeltext aus dem Mund des Propheten Hosea, der im achten Jahrhundert vor Christus wirkte. Damals hatten sich große Teile des Volkes von Jahwe abgewandt, dem Gott Abrahams Isaaks und Jakobs, der sie aus Ägypten heraus geführt hatte. Stattdessen huldigten sie jetzt dem Gott Baal. Man kann sagen, die Menschen hatten ihren Gott vergessen.

Der Prophet Hosea fasst das Verhalten des Volkes in ein Bild: das Volk ist wie eine Frau, die dem Mann untreu geworden ist. Das mag heute für viele Frauen ein irritierendes Bild sein, aber es passt zur damaligen patriarchalen Zeit. Umso überraschender: Statt ein vernichtendes Urteil zu sprechen und Israel zu bestrafen, will Gott sein Volk wieder umwerben und zu ihm zurückholen.

Deshalb will er sie, das Volk, verlocken, sie in die Einsamkeit der Wüste führen, nur er und sie, will ihr zu Herzen reden, will sie erinnern an den Anfang ihrer Liebe, an die große Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens. Wir erleben einen Gott, der wie ein junger Liebhaber Israel zu einem neuen, zu einem erneuerten und innigen Liebesverhältnis führen will.
Er will sich neu verloben und nennt auch den Brautpreis, den er zahlen will: Gerechtigkeit und Recht, / Liebe und Erbarmen.

Gerechtigkeit und Recht, / Liebe und Erbarmen – das sind Schlüsselworte des Alten Testaments. Sie beschreiben die Voraussetzungen eines guten Miteinanders und des Wohlergehens.

Gerechtigkeit und Recht – hat zwei Dimensionen. Die eine geht himmelwärts, d.h. ich orientiere mich an Gottes Geboten –  und die andere Dimension geht menschenwärts, d.h. gleichzeitig trage ich Sorge für eine Gesellschaft, in der jeder Einzelne fair behandelt wird. Es gilt, Armut zu bekämpfen, Notleidenden zu helfen, Teilhabe zu ermöglichen, gegen Willkürherrscher aufzustehen und für die Wahrung der Menschenwürde einzutreten.

Eine Gemeinschaft, die sich gerecht verhält, kommt Gott näher: „Gerechtigkeit erhöht ein Volk„, lesen wir im Buch der Sprüche im Alten Testament. (Spr 14,34) Der Einsatz für Gerechtigkeit ist wichtiger als ein folgenloses frommes Leben zu führen: Gerechtigkeit üben und Recht  ist dem HERRN lieber als Schlachtopfer. (Spr 21,3) Die Propheten machen das immer wieder deutlich.

Liebe und Erbarmen – das andere Schlüsselwort, spricht zuerst von der Liebe Gottes zu seinem Volk, die sich zeigt im Schutz, den er gewährt, in der Fürsorge und im Segen, der das Volk begleitet. Das hebräische Wort für Erbarmen (רחמים -rachamim) ist der Plural von Mutterschoß und beschreibt Gottes mitfühlende und barmherzige Haltung gegenüber Menschen. So geht Gott mit dem Menschen um.
William Shakespeare lässt in seinem „Kaufmann von Venedig“ die umworbene Portia von der Barmherzigkeit sagen: „Sie ist ein Attribut der Gottheit selbst.“ und „Sie segnet den, der gibt, und den der nimmt.“(4.Aufzug/1.Szene) Wie recht sie hat.

Gott erwartet, dass sich sein Wesen im Wesen und Handeln der Glaubenden, im Wesen und Handeln seines Volkes widerspiegelt.

Die Heilige Adelheid war eine Frau, die vor über 1000 Jahren, genau das praktizierte, was uns die Lesung als Brautpreis für Gottes Zuwendung beschrieb: Recht und Gerechtigkeit, Liebe und Erbarmen. Sie lebte nicht ein frommes Leben hinter Klostermauern, sondern sorgte sich um Teilhabe besonders der Frauen an der Bildung, kümmerte sich um Arme und Notleidende, errichtete ein Hospital, und war wohl Ratgeberin des Kölner Erzbischofs.

Heute könnte uns die Heilige Adelheid ein Vorbild darin sein, ähnlich wie sie Recht und Gerechtigkeit, Liebe und Erbarmen zu leben.

Vorgestern ist der sogenannte „Wahl-o-Mat“ im Netz erschienen. Da kann man seine eigenen politischen Überzeugungen und Vorstellungen mit den Äußerungen in den Wahlprogrammen der Parteien vergleichen und so Hilfe für die Wahlentscheidung erhalten. Ich hätte da noch eine Ergänzung vorzuschlagen: als Christen könnten wir prüfen, inwieweit sich Recht und Gerechtigkeit, Liebe und Erbarmen in den Programmen der Parteien widerspiegeln.