Der Tag begann wie jeder andere – dieser 5o.Tag nach dem Paschafest in Jerusalem. Juden aus aller Herren Länder waren in die Stadt gekommen, um hier das Pfingstfest, das „Wochenfest“, wie sie es nannten, mitzuerleben, so wie es seit den Tagen des Mose vorgeschrieben war. Unter den vielen fiel jene kleine Schar verängstigen Menschen gar nicht auf, die Anhänger jenes Jesus von Nazareth, den man vor ein paar Wochen ans Kreuz geschlagen hatte, einer von vielen Phantasten, religiösen Eiferern, die die Stadt schon oft erlebt hatte und die sie und ihre Bewohner kaum noch erschüttern können. Jerusalem war längst über diesen Jesus und seine Anhänger hinweg zur Tagesordnung übergegangen.
Da geschieht das, womit niemand gerechnet hatte: ein Sturm erfüllt das Haus, in dem sich die Jünger Jesu aufhalten, ein anderer Wind weht plötzlich mitten in Jerusalem,- die Bibel sagt: „Heiliger Geist, Gottes Geist, Christi Geist“.
Zungen wie von Feuer verteilen sich, der Funke springt über, setzt die Frauen und Männer in Brand, begeistert sie. Pfingsten ist Brandstiftung!
„Sie alle wurden erfüllt von Heiligem Geist„, lesen wir in der Bibel. Pfingsten in Jerusalem, damals – doch kein Tag wie jeder andere.
Und bei uns, bei den Christen, den Jüngern dieses Jesus heute? Allenfalls ein Gedenktag, ein Fest, mit dem wir uns schwer tun, schwerer jedenfalls als mit Weihnachten und Ostern. Sieht man einmal ab vom Feiertag, ist Pfingsten eben wieder ein Tag wie jeder andere.
Sören Kierkegaard, ein großer Theologe, hat es schon im 19.Jahrhundert auf den Punkt gebracht: Geist ist Feuer, das Christentum ist Brandstiftung, und vor dieser Feuersbrunst bangt natürlich den Menschen mehr als vor irgendeiner anderen.
Christentum ist Brandstiftung, und kritisch hat Kierkegaard angemerkt: „ihr macht da was Warmes, Gemütliches draus und regelt das Feuer, das von Jesus ausgeht, auf Zimmertemperatur herunter, macht dann eure traditionellen Feste und Traditionen, wo niemals was Ansteckendes draus folgt, wo folgenlos über Liebe und Licht geredet wird“.
Eine ernüchternde Bilanz. Aber: stellen Sie sich einmal vor: wir alle würden heute ergriffen sein von einem Schriftwort. Wir würden ernst machen mit dem Gotteswort, das wir zum Beispiel eben im Epheserbrief gehört haben: Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in Liebe, und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält.
Wir würden heute hier herausgehen und wären: Demütig, friedfertig, geduldig, ertragen einander in Liebe.
Dann würde Bewegung in unser Leben kommen, dann wäre Feuer unterm Dach, ein anderer Wind würde wehen, der unser Lebensgebäude erschüttern ließe.
Alle unsere Sorgen und Probleme und unsere vielfältige Not verschwinden zwar nicht, aber sie beherrschen nicht mehr unser Denken, nehmen nicht mehr den ersten Platz ein.
Stattdessen bemühen wir uns um Demut, Frieden, Geduld, Liebe.
Es wäre Feuer unterm Dach und wir würden zu Brandstiftern werden. Wir wären nicht mehr nur eine religiöse Spielart unter den vielen Heilsanbietern in einer religiös wertneutralen Gesellschaft. Wir wären Brandstifter, die eine Welt entflammen können. Nicht mehr unser Geist bestimmt unser Handeln, menschlicher Geist, der seine Grenzen hat, nein, Heiliger Geist, Gottes Geist hat uns ergriffen.
Wir würden uns unserer Gaben, unserer Fähigkeiten bewusst werden, die Gott uns gegeben hat.
Wir würden uns nicht mehr als fertige Menschen betrachteten,
die nichts mehr überraschen kann,
nichts mehr in Staunen versetzt,
nichts mehr bewegt,weil doch alles schon einmal dagewesen und weil man sich so bequem eingerichtet und mit allen und allem arrangiert hat,
Wir würden uns stattdessen vom Wind Gottes tragen lassen.
Gesetzt den Fall – wir würden wirklich das tun:
Demütig sein, friedfertig, geduldig, einander in Liebe ertragen.
Dann wäre wirklich Pfingsten und nicht nur ein Feiertag im Kalender.