Weihnachten – Das Fest der Sympathie Gottes mit uns

„Viele halten Weihnachten für ein verlogenes Fest, weil so viel von Liebe gefaselt wird, der Alltag aber dann wieder ganz anders aussieht.“ So klagte Kardinal Lehmann in einer Tageszeitung schon zu Weihnachten 2009. Aber nicht nur unsere kleine eigene Welt sieht so ganz anders aus als dieses Fest. Auch die große Welt scheint ihm zu widersprechen: Millionen von Menschen verhungern, Naturkatastrophen bringen immOer wieder neues Leid, Wirtschaftskrise, Finanzmarkt- und Bankenkrise verschärfen die soziale Situation, bewaffnete Konflikte flammen immer wieder auf und der Terrorismus verbreitet seine Angst.

Lohnt es sich da überhaupt noch nach Bethlehem zu gehen oder schaffen wir nicht besser selbst zuerst einmal Ordnung?

Wo überhaupt ist Bethlehem? Der geographische Ort scheint nicht das Ziel zu sein. Die Stadt und die benachbarten Ortschaften sowie die sogenannten Hirtenfelder sind heute Teil der palästinensischen Autonomiegebiete. Unmittelbar nördlich der Stadt verläuft die Sperranlage mit der teilweise 8 m hohen Mauer. Eine deprimierende Situation!

Aber es gibt Bethlehem nicht nur auf den Karten dieser Welt. Es ist vor allem ein Ort auf der Landkarte unsere Seele. Dort, wo wir einerseits spüren, was alles nicht in Ordnung ist, wo wir selbst leiden, erfahren, wer und was uns alles fremdbestimmt, und wo wir andererseits unsere Sehnsucht erleben nach Frieden und Zufriedenheit, nach Harmonie und Heil, nach Liebe die wir empfangen und Liebe die wir verschenken können.

Dorthin wollen wir uns aufmachen, weil wir nur dort die Botschaft verstehen können, die uns heute verkündet wird.

„Der Sohn Gottes hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden“ – so bekennen wir das, was wir heute feiern, im Glaubensbekenntnis. „Ein Skandal für den modernen Geist“ (Benedikt XVI.) Dass Gott auf diese Weise Mensch wird, stört die weit verbreitete Überzeugung, Gott dürfe zwar in Ideen und Gedanken wirken – aber nicht an der Materie. Genau das aber ist der springende Punkt: „wenn Gott nicht auch Macht über die Materie hat, dann ist er nicht Gott.“ (Benedikt XVI.)

Gott wird Mensch, wird einer von uns, mit unseren Schmerzen, mit unseren Leiden, mit unseren Freuden, und auch mit unserem Tod. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab,“ so wird Jesus selbst im Gespräch mit Nikodemus dies kommentieren. Gott hat also Sympathie für uns Menschen, nicht in dem banalen Sinn, dass wir jemanden sympathisch oder unsympathisch finden, sondern in der ursprünglichen Bedeutung „sym-patheia“ Mit-leiden. „Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“, schreibt der Apostel Paulus in seinem Brief an die Philipper.

Gott hat Sympathie für uns Menschen bis hinein in den Tod, den er mit uns teilt – jetzt kommen wir alle mit ins Spiel. Es mag zwar hier wie im Theater zugehen: schöne Musik, emsige Akteure, hoffentlich gute Worte, aber hier wird kein Stück gespielt, hier gibt es keine Zuhörer oder Zuschauer, hier ist jeder mitten drin.

Gott hat Sympathie für jeden einzelnen von uns – ganz gleich wer wir sind, ganz gleich, was wir mitbringen, ob wir unsere Erfolge, unsere Fähigkeiten, unser Können vor uns her tragen, oder ob wir damit beschäftigt sind, die Scherbenhaufen im Leben zusammenzukehren, Zerbrochenenes zu kitten oder Zerrissenes zu flicken. Gott hat Sympathie für uns – verstehen können wir das nur im Bethlehem unserer Seele.

Was das konkret bedeutet, haben wir hier vorne versucht, darzustellen und möchten wir auch mit dem Titelbild unseres Liedblattes illustrieren.

Hier vorne haben wir das Kind eben auf einen Brotteller gelegt, um anzudeuten, dass er die Nahrung sein will, die uns das eigentliche Leben schenkt. Gott macht sich für uns zum Brot, das uns täglich nährt, ohne dass wir nicht leben und nicht überleben können. Das haben wir uns nicht ausgedacht, das hat schon der heilige Augustinus so gesehen.

ZentrumUnd auf dem Liedblatt noch einmal anders dargestellt: wir sehen den Heiligen Franziskus, der das Jesuskind hoch hebt, davor einen Priester, der die Hostie in den Händen hält, und daneben die Krippe. In ihr eine geöffnete Bibel, eine Schale mit Hostien und ein Kelch mit Wein. So erfährt der glaubende Mensch auch heute den Menschgewordenen Gott: in der Schrift und in der Feier der Eucharistie, der heiligen Messe. Weihnachten ist nicht etwas, das irgendwann einmal war; sondern hier und jetzt, in dieser Stunde, erleben wir es.

Bethlehem, wir haben es übersetzt „Brothausen“, ist also nicht nur ein Ort in Palästina, finden wir nicht nur auf der Landkarte unserer Seele, jede Kirche ist Bethlehem.

So wie die Hirten, die zur Krippe kamen, so wie die Weisen aus dem Morgenland, die den neugeborenen König suchten, können auch wir nicht bleiben, sondern müssen wieder aufbrechen, hinaus in unseren Alltag, der uns auch hierher geführt.

Aber wir nehmen von hier die Botschaft mit, dass Gott Sympathie hat für den Menschen. Das Kind von Bethlehem bestätigt unsere Menschenwürde, es lässt uns spüren, wir sind Gott etwas wert, jeder Mensch ist Gott etwas wert.

So wie Gott für uns Brot geworden ist, das lebensnotwendig ist so können wir die Botschaft von Weihnachten weiter tragen wenn wir einander zum Brot werden, genießbar, nährend und stärkend. Wir müssen nicht mit allen Menschen heute anfangen, wenn wir es an diesem Fest mit einem schaffen, dann verändert sich schon die Welt.

Bildnachweis: Titel: Sieger Köder, Weihnachten in Greccio, Kinderdorf Ellwangen, Franziskuskapelle, Rechte und Genehmigung durch Schwabenverlag –

Miteinander teilen – auf dem Weg nach Brothausen – Predigt am 4.Advent 2012

Wir sind fast am Ziel. Das Ortsschild „Brothausen“ steht vor uns. Noch ein paar Schritte, nur noch eine kurze Weile und wir erreichen Brothausen, Bethlehem. Das deckt sich auch mit der Erfahrung unseres Alltags: die meisten Vorbereitungen sind getan, die Weihnachtsbäume geschmückt, die Geschenke eingekauft, das Essen vorbereitet.Da kann man sich schon fast genüsslich zurücklehnen und den alten Text in der Lesung genießen, der einem seit Kindertagen vertraut ist: Du, Betlehem-Efrata, so klein unter den Gauen Judas, aus dir wird mir einer hervorgehen, der über Israel herrschen soll. Das Wort des Propheten Micha, das noch einmal eine Rolle spielen wird bei der Begegnung der drei Weisen aus dem Morgenland mit König Herodes.

Man könnte so richtig in Weihnachtsstimmung kommen, wenn der Kontext nicht wäre, in dem die Worte des Propheten Micha gesprochen wurden.
Wir wissen nicht viel über ihn, er lebte etwa 600 Jahre vor Christi Geburt. Vermutlich war er ein einfacher Mann, ein Schafzüchter oder Bauer; denn in vielem, was er im Auftrag Gottes den Reichen und Mächtigen von damals sagte, klingt die Erfahrung, die Wut und der Zorn des geschundenen kleinen Mannes mit. Uns würde die Laune vergehen, würden wir alles hören, was er den Menschen seiner Zeit zu sagen hatte.

Seiner Zeit? Oder vielleicht doch auch unserer Zeit?

Weh denen, die auf ihrem Lager Unheil planen und Böses ersinnen. Wenn es Tag wird, führen sie es aus; denn sie haben die Macht dazu. Sie wollen Felder haben und reißen sie an sich, sie wollen Häuser haben und bringen sie in ihren Besitz. Sie wenden Gewalt an gegen den Mann und sein Haus, gegen den Besitzer und sein Eigentum. – Wer denkt bei solchen Worten des Propheten nicht an die Immobilien Spekulanten unserer Tage, an die, die Häuser kaufen, modernisieren und die Mieter auf die Straße setzen, die anschließend die hohen Mieten nicht mehr bezahlen können?

Sie fressen mein Volk auf, sie ziehen den Leuten die Haut ab / und zerbrechen ihnen die Knochen; sie zerlegen sie wie Fleisch für den Kochtopf, / wie Braten für die Pfanne. – Auch das klingt sehr aktuell angesichts einer Finanz- und Wirtschaftskrise, die Reiche reicher und Arme ärmer werden läßt. Nicht irgendwo, fern ab in Griechenland, sondern hier vor unserer Haustür „Wohlhabende Stadt mit vielen Armen In Bonn ist die Schere zwischen Reich und Arm besonders ausgeprägt“, titelte in dieser Woche die Zeitung als der Armutsbericht der Bundesregierung vorgelegt und von den Wohlfahrtsverbänden kommentiert wurde.

Und auch dieses Wort beschreibt keineswegs nur die Zustände vor über 2500 Jahren: Verschwunden sind die Treuen im Land, kein Redlicher ist mehr unter den Menschen. Alle lauern auf Blut, einer macht Jagd auf den andern. Sie trachten nach bösem Gewinn und lassen sich’s gut gehen. Angesichts mancher Nachrichten möchte man meinen, das Wort des Propheten reicht bis in unsere Tage.

„Wo um Gottes Willen soll denn das schließlich hinführen?“, fragte mich in den letzten Tagen eine ältere Frau, die mit all den schlechten Nachrichten, die auf uns einströmen nicht mehr zurechtkam?Wo soll denn das alles hinführen? Vielleicht haben sich das auch die Zuhörer des Mischa gefragt, denen er in all ihrer Verzweiflung auch Hoffnung geben wollte. Immer werden Kinder geboren, selbst unter den grausamsten Zuständen, und unter ihnen wird eines Tages eins sein, sagt Micha, aus dem für die geplagten Menschen wirklich ein Segensbringer werden wird.

Das macht die Sache für uns heute nicht einfach. Glauben wir doch, daß in Jesus Christus der Messias bereits gekommen ist. Aber wir stellen fest: Es gibt nicht weniger Unzufriedenheit und nicht weniger Mißmut, es herrscht nach wie vor Krieg und tagtäglich von Menschen produziertes Leiden.
Hat die messianische Hoffnung bzw. deren Erfüllung in Jesus von Nazareth deshalb ihre Kraft verloren? Hat sie versagt? Haben nicht doch jene recht, die sich im Namen der Vernunft, der Profitmaximierung oder welcher Maxime auch immer gar nicht auf diese Hoffnung einzulassen, die stattdessen schon längst ihre Felle ins Trockene gebracht haben?

„Und er wird der Friede sein“ sagt Micha von dem Herrscher, der geboren wird.
Frieden – im Hebräischen „Shalom“, ein Wort, das über die landläufige Bedeutung von Frieden weit hinausgeht und auch Dimensionen wie Heil, Wohlergehen, Glück, Leben in rechter Ordnung etc. miteinschließt – alles, das man nicht kaufen kann, das dort heranwächst, wo Menschen es miteinander teilen.

Das ist die Antwort. Deshalb stehen unsere beiden Menschen kurz vor Brothausen und teilen miteinander das Brot, wohlwissend, es geht beim täglichen Brot, nicht nur um das Lebensmittel für unseren Leib, vielmehr sind auch ganz andere Grundbedürfnisse gemeint, die um eines menschenwürdigen Lebens willen befriedigt sein wollen.

Teilen tut gut. In einem neuen geistlichen Lied heißt es: „Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht und das Wort, das wir sprechen, als Lied erklingt,  dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut…
Wir erleben es in unserem eigenen Leben: die Anhäufung materiellen Reichtums kann unseren Hunger und Durst nach einem erfüllten Leben nicht stillen. Was für unsere kleine Welt gilt, das gilt auch für die globalen Zusammenhänge: unsere Welt kann nur überleben als eine menschenfreundliche Welt, wenn sie lernt, zu teilen.
Wenn jeder gibt, was er hat, dann werden alle satt! Die Menschen auf unserem Weg nach Brothausen sind kurz vor dem Ziel. Sie werden nur ankommen, wenn sie teilen.

Gott hat ein Date mit uns! – Gemeinsam auf dem Weg nach Brothausen – Predigt am 3.Advent 2012

2012-12-16 20.49.17Der missglückte Terroranschlag auf dem Bonner Hauptbahnhof, nur einen Steinwurf von hier entfernt, und der Amoklauf in den USA mit 27 getöteten Kindern passen nicht zur Stimmung dieses Sonntags, dessen liturgische Bezeichnung „Gaudete“, „freuet euch“ ist.

Auch das Friedenslicht aus Bethlehem hat keinen einfachen Weg zu uns gehabt, es musste eine trennende Mauer überwinden, deren Verlauf auch den Bischöfen im Heiligen Land zunehmend Sorgen macht.

Hier vorne in unserer Krippenweg-Szene stehen zwei Menschen Hand in Hand, schon fast romantisch. Die Steine, die letzten Sonntag noch den Weg versperrten, sind weggeräumt, ein Strauß Rosen liegt im Vordergrund. Auch hier ein Widerspruch zu den Realitäten dieser Tage. Wie geht das zusammen?

Lassen wir uns helfen von zwei Erfahrungen glaubender Menschen.

1.) Schauen wir auf den Propheten Zefanja, der uns in der Lesung begegnet ist. Er wirkt in einer harten und verhärteten Zeit, in der besonders die Armen im Land immer ärmer wurden. Sein Name ist so etwas wie Programm „Gott hat aufbewahrt“ oder auch „Gott hat versteckt“.

Zefanja verkündet den Zorn Gottes, den Tag des Gerichts und spricht davon, dass nur „ein demütiges und armes Volk“ übrig bleibt, „das seine Zuflucht beim Namen des Herrn sucht“. Und diese gebeutelten Menschen hören von ihm: „Der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte“ – und dann, ganz unerwartet: „Gott jubelt über dich – er erneuert seine Liebe zu dir.“

Das ist zuerst einmal das Wort eines glaubenden Menschen, der davon überzeugt ist, Gott ist da, auch wenn die Mehrzahl der Menschen nichts von ihm wissen will und so handelt, als ob es nicht gäbe.

Gott ist da – das will man gerne glauben, wenn es einem gut geht, aber wird es auch zu einem Wort der Hoffnung, in einer anscheinend ausweglosen Situation?

Nehmen wir noch einen Glaubenszeugen zu Hilfe. Es ist ein namenloser Jude aus dem Warschauer Ghetto. Mitten in Warschau wird von den Nationalsozialisten ein Sammellager errichtet. Von Mauern und Stacheldraht umzäunt, leben dort schließlich fast 400.000 jüdische Frauen, Männer und Kinder. Und von hier aus werden sie in das Vernichtungslager Treblinka gebracht.

Einer der 400.000 bringt seine Verzweiflung in einem klagenden, anklagenden Gebet vor Gott: Gott von Israel – Du hast alles getan, damit ich nicht an dich glaube.
Und schließlich mündet es in das Bekenntnis

„Ich glaube an die Sonne, auch wenn sie nicht scheint.
Ich glaube an die Liebe, auch wenn ich sie nicht fühle.
Ich glaube an Gott, auch wenn er schweigt.“

Mich berührt diese unbeirrbare, durch nichts zu zerstörende Hoffung. Ich wünsche mir und Ihnen eine solche Zuversicht: Auch wenn das Leben es mit mir nicht gut meint. Auch wenn ich dem Hass von Menschen ausgeliefert bin, die mir und allen meinen Lieben eine Zukunft verweigern, gibt es für mich die Sonne, die mein Leben in ein gutes Licht taucht; weiß ich um die Liebe, die mich zärtlich berührt; gründet sich meine Existenz in Gott, der einmal JA zu mir gesagt hat.

Zefanja ruft seinen Zeitgenossen zu „Lass die Hände nicht sinken!“
Wenn Hände sinken, schlaff nach unten hängen, nichts mehr halten, nichts mehr tragen können, drücken sie unsere Hilflosigkeit, unsere Schwäche aus. Wir haben dann nichts mehr Zupackendes – mit unserer Dynamik ist es am Ende.

Ich weiß nicht, weshalb unsere Stadt am vergangenen Montag verschont wurde (immerhin haben wir vor ein paar Wochen mit Inbrunst die Stadtpatrone angefleht „schützet Bonn, die Stadt am Rhein)“ und ich weiß nicht, wieso die Opfer der 27 Amokläufe in diesem Jahr in den USA nicht geschützt wurden.

Aber ich finde mich in meiner Ratlosigkeit wieder in dem Wort des Propheten Zephanja. „Lass die Hände nicht sinken“ und ich finde mich aufgehoben in der Bitte aus einem Kirchenlied „lasst uns den Hass, das dunkle Leid fortlieben aus der dunklen Zeit“.

Dann, ja dann das Bild hier vorne die richtige Antwort auf die Nachrichten dieser Woche. Wir wollen dem Hass die Liebe entgegenstellen, dem Terror den Frieden. Nur gemeinsam können wir nach Brothausen, nach Bethlehem gehen – und die Rosen sind bestimmt für die Menschen, mit denen wir uns in Liebe verbunden fühlen.

Wenn es einen Grund für diese Liebe gibt, dann weil unsere Liebe ein Abbild der Liebe Gottes ist. Trotz aller Schreckensnachrichten bleibt es dabei: Gott ist verliebt in uns. Weihnachten hat er ein Date, eine Verabredung mit uns Menschen.

Gott kommt auf uns zu! – Steine auf dem Weg nach Brothausen – Predigt am 2.Advent

P1010101

Zwölf Aufgaben sollte der Götter Sohn Herkules erfolgreich erledigen, damit er unsterblicher Gott des Olymp werden konnte. Eine dieser Aufgaben, die fünfte Heldentat, war das Ausmisten des Stalls des Augias in einem Tag. Eine kaum zu schaffende, zudem auch wenig ehrenvolle, ja fast schon demütigende Arbeit. Der Stall Königs Augias beherbergte 3000 Rinder und war 30 Jahre nicht gesäubert worden. Es muss zum Himmel gestunken haben! Eine wahre Herkules-Aufgabe.
Herkules riss die Mauern des Stalles ein und leitete zwei in der Nähe fließende Flüsse durch einen Kanal hindurch und ließ sie so den Mist wegspülen.
Das Ausmisten eines Augias Stall ist nicht nur ein in der politischen Diskussion gern gebrauchtes Bild, es lässt sich auch auf unser ganz persönliches Leben anwenden. Hat sich da nicht manchmal auch viel Mist in unserem Lebenshaus angesammelt? Was machen wir mit all dem Müll unseres Lebens? Und sind wir uns selbst nicht manchmal auch zu fein, um selbst Hand anzulegen, um unser Lebenshaus zu säubern? Wo ist das lebendige Wasser, das den Dreck herausspült?
Auf dem Weg nach Brothausen, der unseren Advent bestimmt, liegt hier vorne in unseren Szene des Krippenweges kein Müll, sondern Steine, die den Weg fast unbegehbar machen.
Steine – ein anderes Bild für das, was mich hindert, wie der Müll ein Bild für das, was in meinem Leben nicht in Ordnung ist.
„Bereitet dem Herrn den Weg!“ – hat uns Prophet Jesaja im Evangelium zugerufen.  Georg Friedrich Händel vertont in seinem Messias die englische Fassung „baut in der Wüste einen Highway für unseren Gott“, eine Schnellstraße, auf der er zu uns und wir zu ihm gelangen können.
Aber dies hier ist keine Schnellstraße, sondern ein steiniger Weg, auf dem man nur langsam vorankommt. Wir müssen die Steine aus dem Weg räumen.
Bleiben wir etwas bei diesem Bild: Wie sieht mein Weg nach Brothausen aus? Gleicht er eher einem Highway oder eher einem unwegsamen Stolperpfad, was hat sich da auch alles an Müll angesammelt?
Wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen, es sind Steine, die wir selbst auf den Weg gelegt haben, kleine und große, runde und kantige. Die Hindernisse kommen von unserer Seite. Berge von Sorgen türmen wir auf, und Abgründe in uns stehen zwischen uns und dem Heil, das Gott uns schenken will.
Es gilt, die Steine anzuschauen, die auf meinem Lebensweg liegen, die mich am Vorankommen hindern, jeden Schritt mit Schmerzen verbinden. Je genauer ich hinschaue, je besser kann ich sie benennen. Vielleicht trägt einer den Namen Stolz, ein anderer Eifersucht, einer vielleicht „Ruhelos“, oder „Workaholic“, oder „Faul und Bequem“, vielleicht „Geiz“, oder „Egoismus“. Es gibt viele Bezeichnungen.
Man könnte meinen, es sei besser, einen anderen Weg zu nehmen als den, der übersät ist mit den Steinen meiner Biografie. Aber wir werden diese Steine überall wieder finden, wenn wir sie nicht liebevoll einsammeln, anschauen und zur Seite legen.
Die Steine erzählen von meinem Leben. Sie stehen für meine Eigenschaften, für Dinge, die mich stören, für Menschen, die mich hindern, für Umstände, die mich blockieren, für Abhängigkeiten, die mich in den Bann ziehen. Ich will sie nicht verteufeln! Weil sie zu meiner Geschichte gehören, kann ich sie liebevoll anschauen, und überlegen, was ich tun muss, damit sie mich nicht weiter vom Vorankommen abhalten.
Immer besteht dabei die Gefahr, dass wir die Schuld bei anderen suchen, bei Mitmenschen, bei der Umwelt, bei den gesellschaftlichen Gegebenheiten.
In unserer Szene hier vorne steht wie am vergangenen Sonntag der Brotteller im Vordergrund. Wenn Sie näher herantreten und hineinschauen, dann haben Sie den wahren Schuldigen gesehen: Sie selbst sind es!
Als der Prophet Natan zu König David gesandt wird, um ihm seine bösen Taten vor Augen zu führen, fragt der ihn entsetzt: „Wer ist der Mensch, der das alles getan hat?“ und der Prophet muss ihm sagen: „Du selbst bist dieser Mensch!“
Es gehört mit zur Ehrlichkeit dieser Zeit, die Schuld nicht nur bei anderen suchen, sondern auch bei sich selbst nach den Ursachen zu forschen, die einen hindern den Weg nach Brothausen zu gehen.
Nun könnte man angesichts eines ehrlichen Blick in das eigene Leben vielleicht auch verzweifeln. So wie das Volk Israel im babylonischen Exil, wo jeder einzelne am eigenen Leib erfahren musste, wohin die Untreue des Volkes Gott gegenüber geführt hat.
Jeder einzelne im Volk Israel ist mit Schuld an dieser Situation, aber es gibt ein Hoffnungszeichen! Der Prophet Baruch verkündet es seinem Volk: Gott hat an euch gedacht! Er kommt auf euch zu. Er bringt euch heim, ehrenvoll getragen wie in einer königlichen Sänfte!
Im Neuen Testament wird uns ein ähnliches Bild geschildert: als der verlorene Sohn nach Hause zurückkehrt, kommt der barmherzige Vater ihm entgegen, und noch bevor er ein Wort sagen kann, nimmt ihn der Vater in seine Arme!
Welch ein Trost: während wir noch mit den Steinen auf dem Weg oder dem Müll in unserem Haus beschäftigt sind, kommt Gott auf uns zu!
„Gott führt Israel heim in Freude, im Licht seiner Herrlichkeit; Erbarmen und Gerechtigkeit kommen von ihm.“ – so das Resümee des Propheten Baruch.
Der zweite Advent lädt uns ein, die Steine, den Mist unseres Lebens ehrlich anzuschauen, und beiseite zu räumen. Die Kirche selbst bietet uns das lebendige Wasser des Buß- Sakramentes an, das uns hilft, das Haus unseres Lebens auszumisten und das so viel Kraft hat auch die Steine beiseite zu räumen. Gott selbst ist es, der uns darin entgegen kommen will, Erbarmen und Gerechtigkeit kommen von ihm.

.

Richtet Euch auf! – Aufrecht nach Brothausen – Predigt am 1.Advent

Haben Sie auch schon vorgesorgt für den Weltuntergang? Am 21. Dezember soll es soweit sein. Endzeittheoretiker haben das Datum aus einem alten Kalender der Maya ausgerechnet.
Wie viele solcher Szenarios hat es schon gegeben? Immer waren Menschen sich sicher, dass das Ende nahe ist. Was aus denen bislang wurde, wissen wir – sonst säßen wir nicht hier.
Endzeitliche Vorstellungen, Ideen vom Ende der Welt nötigen den meisten von uns nicht mehr als ein Lächeln ab.Aber heute im Evangelium gab es durchaus ernste Worte, kein konkretes Datum, aber durchaus realistische Umstände:Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen, das Meer tobt und  die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.

Wenn wir diese Bilder wahrnehmen, welche Gefühle beschleichen uns da?

  • Lächeln wir nur darüber oder machen wir uns schon unsere Gedanken?
  • Überlegen wir zu fliehen wie die Menschen an der Pazifikküste angesichts eines drohenden Tsunami?
  • Oder ducken wir uns weg, machen wir uns ganz klein, damit wir möglichst übersehen werden?
  • Vielleicht finden wir aber auch gefallen an dem Motto, das schon in der Bibel überliefert wird: „lasst uns essen und trinken, wir sterben doch morgen!“ (Jesaja 22,13; 1. Korinther Brief 15,32)

Die Botschaft vom Untergang der Welt verbunden mit der Botschaft vom Gerichtist kein Ausrutscher in der Liturgie des Jahres. Sie ist Bestandtteil des christlichen Glaubens.

Sie soll uns allerdings keine Angst machen wie es vielleicht die Unheilsprediger vergangener Zeiten immer wieder versucht haben, in der Hoffnung, so Macht über die Menschen zu gewinnen.
Das Ende der Welt, das sich im Tod eines jeden Einzelnen von uns widerspiegelt, und das Gericht über das Leben des Menschen macht unser Leben vielmehr eindeutig und einmalig. Unser Leben plätschert nicht einfach nur dahin bis irgend einmal im Sand der Geschichte verrinnt wie Wassertropfen in der Wüste.
Es hat einen Anfang und ein Ende, das mit einer Bilanz verbunden ist. Das macht jede Tat und jedes Wort einmalig. Wir erleben es selbst: die Worte, die wir gesprochen haben, können wir oft nicht mehr zurückholen und viele Taten sind nicht mehr zu verändern, nicht mehr gut zu machen.
Sich dessen bewusst zu sein – das kann wirklich Angst machen – und hat vielen Menschen Angst gemacht. Wie werde ich dastehen vor dem Richter?
Da kann man wirklich ein Flucht oder wegducken denken. Das mag man sich angesichts des eigenen Lebens gar nicht vorstellen.
Im Evangelium verbindet der Herr das Wort vom Ende der Welt mit der Aufforderung: „Wenn (all) das beginnt,  dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe.“
Das klingt nicht nach Sich-klein-machen, im Gegenteil: wir sollen uns aufrichten!
Der Theologe Wolfgang Beinert hat das bevorstehende Gericht einmal so beschrieben „Ge-richt ist das Ereignis nicht des Hin-richtens (als Vernichtung des Delinquenten im extremen Fall), sondern des Her-Richtens, als Wieder-in-Ordnung-Bringen, als Recht-machen. Was zerstört oder kaputt gemacht worden ist (durch menschliche Willkür), das wird zu Recht gerückt.“ (W. Beinert, in: Das Christentum, S. 246).
So verstanden weicht die Angst. Ich werde nicht hingerichtet, sondern hergerichtet. In dieser Erwartung kann ich mich wahrlich aufrichten, denn es geht um meine Erlösung.
Es geht darum, dass all das Unfertige, das Fragmentarische, das Un-Heile, das Böse in mir, in die rechte Ordnung gebracht wird.
Das kann schmerzvoll sein, das können Höllenqualen sein, weil ich erlebe, wie mein ganzes Leben, das mir doch so wertvoll war, auf dem Prüfstand steht, und Licht Gottes so manche Schattenseite sichtbar wird.
Aber: der, der da kommen wird, ist niemand anders als der, der schon da ist, der uns jetzt und hier schon begegnet, im Gebet, in seinem Wort und in der Speise der Eucharistie, in jedem Menschen, der unsere Hilfe braucht.
Er will uns nicht Angst machen, sondern jetzt und hier schon in diese Begegnung mit ihm einladen.
Die Christen in der ersten Jahrhunderte hatten das schon verstanden: als schon Erlöste feierten sie den Gottesdienst aufrecht, stehend – in der Osterzeit war sogar jedes Knien untersagt.
Nicht weil die Christen der ersten Zeit nicht fromm waren oder weil sie Gott die Ehre verweigern wollten. Sie wussten: es gibt nach dem letzten Tag noch ein einen Tag. Seinen Tag. Das Ende wird ein Neuanfang sein – und sie waren überzeugt: in Tod und Auferstehung Jesu haben wir es schon erlebt. In der Taufe ist es uns gesagt worden, dass dieses nicht nur für den Herrn gilt, sondern auch für uns. Richtet Euch auf, denn Eure Erlösung ist nahe!
Deshalb laden wir Sie ein, aufrecht in diesen Advent hineinzugehen, wie unser Mensch hier vorne in der Krippenweg-Darstellung. Aufrecht nach Bethlehem, nach Brothausen. Aufrecht und wachsam!