Der Papst will uns mitnehmen auf einen neuen und doch alten Weg!

Der Blick nach Rom in  diesen Tagen, lässt mich staunen. Der neue Papst überrascht uns jeden Tag. Einfache Zeichen, natürliche Gesten, geist-volle Worte – vieles macht Hoffnung auf einen Frühling auch in der oft so kalten Kirche. (Jüngstes Beispiel für diese Kälte, die so viele Menschen erschauern und davonlaufen lässt: die Aufregung über die Tatsache, dass sich der Papst unterstanden hat, Frauen die Füße zu waschen!)
Der Papst beunruhigt – nicht nur die Konservativen wie überall zu lesen ist. Ich gestehe, Papstansprachen zu Gründonnerstag fand ich bisher nicht so spannend. Sie waren immer hochtheologisch und so oder ähnlich hatte man die Gedanken auch schon mal gehört und gelesen. Franziskus aber spricht eine einfache Sprache ohne Worthülsen:  „Jesus zu folgen heißt: lernen, aus uns selbst herauszugehen, um den anderen entgegen zu gehen, um zu den Randgebieten des Daseins zu gehen„, so sagte er an Gründonnerstag. „Lasst uns als erste zu unseren Brüdern und Schwestern gehen, besonders zu denen, die am weitesten weg sind, zu denen, die in Vergessenheit geraten sind, zu denen, die Verständnis, Trost und Hilfe brauchen. Es gibt ein sehr großes Bedürfnis, das lebendige Zeugnis des barmherzigen Jesus, der reich an Liebe ist, zu den Menschen zu bringen!“ Da entsteht plötzlich auch eine Unruhe in mir, eine heilsame Unruhe.

Immer wieder spricht er von den Menschen am Rand, an der Peripherie. Das sind Begriffe, die zum Vokabular der lateinamerikanischen Befreiungstheologie gehören. Die Armen, die Randexistenzen, sind bis heute Objekte kirchlicher Zuwendung. Aber sie sind weit von uns entfernt, sie leben sozusagen in einem anderen Stockwerk unseres Weltgebäudes. Wenn die (in Europa bürgerliche) Kirche zu ihnen gesandt ist, bedeutet dies, dass wir lernen werden müssen, die Welt aus ihrer Perspektive zu sehen. So werden aus Objekten Subjekte kirchlichen Handelns. Es lohnt sich noch einmal nachzulesen im Dokument der letzten lateinamerikanischen Bischofsversammlung 2007 in Aparecida, wenn man verstehen will, was damit gemeint ist. Kardinal Bergoglio hat es redigiert!
Ich habe in meinem Bücherschrank noch einmal nachgeschaut: da steht der Boff und die Schriften von Andreas Müller zur Befreiungstheologie. Das Evangelium von Solentiname. Ein bißchen verstaubt; aber etwas frischer Wind (ein bibl.Wort!) vertreibt den Staub. Manchmal kommt der Wind auch aus dem Süden.

Bei aller Euphorie über Bilder und Worte aus Rom muss uns klar sein, es geht nicht nur um Äußerlichkeiten! Der Papst will uns mitnehmen auf einen neuen, und doch alten Weg, hinaus aus der befestigten und ummauerten Stadt hin zu den Randexistenzen. Wir müssen keine Angst davor haben, denn einer ist diesen Weg schon gegangen und geht ihn immer mit uns: Jesus von Nazareth, der König der Juden, gekreuzigt, gestorben und begraben draußen vor der Stadt.

 

 

Es sind die kleinen Dinge, die mir Hoffnung geben.

„Et sin die kleine Saache – es sind die kleinen Dinge“, singen die Bläck Fööss in einer ihrer Balladen. Es sind die kleinen Dinge, die mir heute Freude gemacht haben beim Einführungsgottesdienst des neuen Papstes, dessen Predigt wie alle bisherigen Ansprachen von einfachen Worten, aber einer großen spirituellen Tiefe geprägt war. Sie ist
Franziskus hielt sie nicht vom Thron aus, sondern von einem Lesepult. Einfach, schlicht wie ein Dorfpfarrer (bevor ich jetzt wegen des Vergleichs gerügt werde, weise ich daraufhin, dass auch der Heilige Pfarrer von Ars ein einfacher Dorfpfarrer war), der zu den Herzen seiner Gläubigen spricht.
Der Sitz des Papstes und der Baldachin über dem Altar – alles etwas einfacher als bei den letzten großen Gottesdiensten. Auf dem Altar steht nicht wie in den letzten Jahren eine Phalanx aus Kerzenleuchtern, die das heilige Geschehen von den Menschen trennt und aus dem einen Volk Gottes, das um den Altar versammelt war, wieder eine Zweiklassen-Gesellschaft machte, da die Laien, dort die Priester.
Die Ministranten waren aus den franziskanischen Orden genommen worden. Der Strick mit den drei Knoten, die die evangelischen Räte Armut, Keuschheit und Gehorsam symbolisieren, baumelte unter den Chorhemden und die bloßen Füße stachen heraus aus der Pracht der übrigen Gewänder. Allerdings die „Gardinen“ fehlten. So schnell können sich die Prälaten umstellen – nahezu verschwunden die Spitzengewänder, die unter Benedikt immer mehr getragen wurden (oder war es nur das Faible des Zeremonienmeisters?)
Auch bei Kommunionausteilung gab es eine Neuerung: der „Bischof von Rom“ (nur einmal sprach Franziskus in seiner Predigt vom „Papst“) verzichtet darauf, die Kommunion selbst an einige Auserwählte auszuteilen an einer Kommunionbank, die den Empfang der Kommunion zu einem Akt der Anbetung machte. Gewollt oder nicht gewollt wurde deutlich: es geht  nicht um den Kommunionspender! Es geht um Christus! Es ist nichts Besonderes, dass der Papst die Kommunion reicht! Das Besondere ist Christus, der sich den Menschen selbst zur Speise gibt. Ob durch die Hand eines Papstes, eines Priesters oder gar einer Frau, das ist ganz und gar unerheblich. Es gibt keine unterschiedlichen Kommunionqualitäten!
Ich habe heute morgen mehrmals innerlich aufgeatmet. Das alles mag marginal sein – für mich sind es Zeichen, kleine Dinge, die mir mehr Hoffnung geben als große Worte.

Frühling für die Kirche

Rom ist in diesen Wochen für manche Überraschung gut. Zuerst tritt der Papst zurück. Eine Tatsache, an die man sich als Katholik zuerst einmal gewöhnen muss; denn ein solcher Schritt stand außerhalb unseres bisherigen Denkens. Person und Amt sind nicht identisch, machte Benedikt XVI. mit seiner Entscheidung deutlich. Der neue Papst ist ein Kirchenmann aus Lateinamerika, ein Bischof mit der Option für die Armen, der sich als Papst den Namen Franziskus gibt. Er fährt am Morgen nach seiner Wahl mit einem einfachen VW Passat durch die Stadt, betet in Santa Maria Maggiore und lässt sich anschließend in das Hotel bringen, wo er noch seine Übernachtungsrechnung bezahlen muss. In seiner ersten Messe fehlen die in den letzten Jahren so selbstverständlich gewordenen Attribute päpstlicher Gottesdienste, alles ist viel einfacher geworden. Die Predigt hält er nicht vom „Thron“ aus, sondern er steht am Ambo, ohne Manuskript. Drei Dinge gibt er den Kardinälen und damit der ganzen Kirche mit auf den Weg: Gehen – Aufbauen – Bekennen! Und dies im Zeichen des Kreuzes; denn so Papst Franziskus: „Wenn wir ohne das Kreuz voranschreiten, wenn wir ohne das Kreuz aufbauen und wenn wir uns zu einem Christus ohne Kreuz bekennen, dann sind wir keine Jünger des Herrn: wir sind weltlich, wir sind Bischöfe, Priester, Kardinäle, aber keine Jünger des Herrn.“ Ich gestehe es gerne: ich freue mich über diesen Papst und ich verbinde mit ihm die große Hoffnung, dass das, wofür das II.Vatikanische Konzil eingetreten ist, unter ihm wieder an Bedeutung gewinnt. Das Konzil hat mich in meiner Jugend sehr geprägt und meinen Weg mitbestimmt. Deshalb ist es mir persönlich so wichtig. Vom Heiligen Franziskus sagt man: er war wie der Einbruch des Frühlings in Kirche und Welt. Ich hoffe und bete, dass Papst Franziskus auch wie Frühling für unsere Kirche wird. Er wird es nicht einfach haben in der römischen Kurie. Deshalb braucht er unser Gebet. Der Beistand seines Namenspatrons ist ihm gewiss.

Sedisvakanz – sehr entspannend

Was ist den bloß mit den Kardinälen los? Die haben schon wieder kein Datum für den Beginn des Konklave festgelegt. Das geht aber nun wirklich nicht. Ganze Heerscharen von Medienleuten warten darauf, dass es endlich los geht und die Herren in Rot lassen sich Zeit. Reden und reden und reden. Da müssen stattdessen Nachrichten herhalten über die Öfen in der Sixtina, einer für die Stimmzettel, ein anderer für Chemie. Weltbewegend!

Ich finde eine Sedisvakanz sehr entspannend. Wir werden zur Langsamkeit erzogen. Statt Hopplahopp haben sich die Kardinäle wohl für die bedächtigere Gangart entschieden, in der sie sich besser ein Bild von der Lage der Kirche machen können. Das scheint zwar anachronoistisch zu sein in einer Zeit, da Nachrichten in Sekundenschnelle um den Erdball rasen, aber es zeugt von einer großen Gelassenheit, die uns auch in anderen Zusammenhängen gut tun könnte.

Wenn dann das Konklave beginnt, steigt der Stresspegel eh noch von Wahlgang zu Wahlgang. Also lassen wir es weiter langsam angehen, hektischer wird es noch, ganz gewiss.