Heilige oder heile Familie?

Die Heilige Familie im Flüchtlingszelt

Die Heilige Familie in der Stadtkrippe im Bonner Münster

Die Umfrage des Vatikan zur Situation von Ehe und Familie brachte es an den Tag: die meisten Katholiken kennen die Worte, die in den vatikanischen Dokumenten über Ehe und Familie stehen, nicht. Sie finden sie gut, stimmen ihnen zu, aber sehen gleichzeitig die Situation der Familie im Gesamten nicht richtig erfasst.
Zwei Beispiele:

  • Es stimmt, wenn Papst Johannes Paul II. sagt: „Die Weitergabe des Glaubens hängt zukünftig wesentlich von der Familie ab“ (Apostolisches Schreiben ‚Familiaris consortio‘, Nr. 52). – Aber die meisten Familien tun sich schwer damit.
  • Es stimmt, wenn das Konzil sagt: „Das Wirken der Eltern als Erzieher ihrer Kinder ist so entscheidend, dass es kaum zu ersetzen ist“ (Erklärung ‚Gravissimum educationis‘, Nr. 3). – Aber die meisten Eltern können schon aus finanziellen Gründen dies nicht alleine leisten.

Das heutige Fest der Heiligen Familie lenkt unseren Blick auf die Situation der Familien heute. Kirchliche Verkündigung hat schnell aus der Heiligen Familie eine heile Familie gemacht; obwohl wir gar nicht wissen, wie das Leben in Nazareth verlaufen ist. Ob es immer nur Eintracht und Liebe waren, sei dahingestellt. Man denke nur an den Wirbel um den 12jährigen Jesus als er bei der Wallfahrt im Tempel zurückblieb.

Schon die „heilige Familie“ selbst war für den Orient eine Ausnahmekonstellation: Vater, Mutter und ein Kind – das entsprach nicht der Familie, in der die Zahl der Kinder das Ansehen der Eltern mehrte und gleichzeitig das Überleben sicherte.
Das Vorbild der Heiligen Familie passt vielen Menschen heute nicht mehr. Sie erleben sicht zuerst und vor allem in der Sorge um die Kinder. Wie kann es sein, dass bei allem guten Bemühen der Eltern, Kinder sich anders, in den Augen der Eltern negativ entwickeln, und Wege gehen, die man selbst nicht beschreiten würde?
Eltern sein – ist heute oft anstrengend. Es gibt zwar Familienbildungsstätten und Kurse mit zahlreichen Hilfestellungen. Aber es gibt keine Elternschule! Eltern sein kann man nicht ausprobieren oder lernen, das muss man sofort in der Wirklichkeit leben.
Junge Ehepaare erleben deshalb die Geburt eines Kindes als große Veränderung ihres Lebens, größer jedenfalls als die Heirat!
Da die Menschen immer älter werden findet sich die Familie nicht nur in der Sorge um die Kinder, auch die Sorge um die älter werdenden Eltern und die immer öfter notwendige werdende umfassende Pflege wird für viele zur Belastung.
Das vierte Gebot: „Du sollst Vater und Mutter ehren“ hat sich tief in unsere Seele eingebrannt und macht vielen ein schlechtes Gewissen, wenn sie Vater oder Mutter selbst nicht mehr pflegen können.
Hinzu kommt, dass die so genannten Patchworkfamilien zwar nicht die Zahl der leiblichen Väter, Mütter und Kinder vervielfachen, wohl aber die Zahl der tatsächlichen Beziehungen. Immer mehr Alleinerziehende Mütter oder Väter künden zudem vom Scheitern menschlicher Beziehungen.

Die wenigen Schlaglichter zeigen, dass sich Familie heute nicht mehr so biblisch eindimensional beschreiben lässt, dass die Realität der Familie viel differenzierter ist. Sie braucht unsere Aufmerksamkeit, mehr noch unseren Schutz.
Die Familie ist wichtig, ist notwendig für das Überleben der Menschheit. Wenn es keine Familie gibt, ist das kulturelle Überleben der Menschheit in Gefahr. Ob wir es mögen oder nicht: Die Familie ist die Grundlage“, sagt Papst Franziskus in seiner Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar. Deshalb ist die Geschichte von der flüchtenden Heiligen Familie nach Ägypten vielleicht eine der wichtigsten Botschaften in diesen nach weihnachtlichen Tagen. Sie bewahrt uns vor einer realitätsfernen Verklärung und lässt uns Maria, Josef und das Kind solidarisch erscheinen mit den Familien unserer Tage und ihren Belastungen.  Die Synode in Rom wird mit der weltweiten Umfrage versehen wichtige Themen der Familie beraten. Aber wir müssen nicht auf Rom warten, wir können auch hier etwas tun.
Die Worte der Lesung aus dem Kolosserbrief könnten zu einer Handlungsanweisung für die Familien werden: „Darum bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld! Ertragt euch gegenseitig, und vergebt einander, wenn einer dem andern etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! Vor allem aber liebt einander.
Das alles kann man nur lernen in der Familie, die Kinder von den Eltern und die Eltern auch von den Kindern.
Natürlich haben wir alle ein Idealbild der Familie vor Augen. Genauso wie alle darunter leiden, wenn sie damit scheitern oder versagen; genauso können wir die reale Situation vieler Familien auch als Möglichkeit ansehen, Erbarmen, Güte, Demut, Milde, Geduld, Vergebung und Liebe zu praktizieren.
Das geht in allen Familien-Konstellationen.

Weihnachts-End-Gedanken

Weihnachten 2013 nähert sich dem Ende! Es war ein reicher Advent. „Das Beste kommt noch!“ hatten wir ihn und die Weihnachtszeit überschrieben. Und es gab schon viel Gutes! Unsere Webseite gibt einen Überblick. Es war schließlich ein Weihnachtsfest, das mich tief beschenkt und nachdenklich zurücklässt.

Eingeprägt hat sich bei mir das Bild von Papst Franziskus, wie er mit gr0ßer Zärtlichkeit das kleine Jesus-Kind durch den großen Petersdom zur Krippe trägt – mit der gleichen Herzlichkeit wie er den Kindern auch sonst begegnet. Eingeprägt hat sich bei mir das Bild des Papstes beim Segen urbi et orbi: schlicht gekleidet – kein Vergleich zu Benedikt XVI. in seinen letzten Wochen – aber mit großer Würde. Dieser Papst fordert uns heraus. Aber einem Papst, der uns nicht antreibt, sondern vorangeht folgt man gerne.

Eingegraben in mein Herz hat sich das Weihnachtslob am Heiligen Abend zwei Stunden vor der Christmette in St.Remigius. Eine Feier für Fragende und Suchende zwei Stunden vorher in St.Remigius. Über 100 Leute kamen zu diesem ersten  Versuch, eine andere als die übliche Zielgruppe anzusprechen. Wenn ich unseren Papst Franziskus richtig verstehe, dann ist unser Platz genau bei diesen Menschen. Sehr dankbar haben sie das Weihnachtslob angenommen. Leider blieb keine Zeit für eine anschließende Feier. Von den ursprünglich 6 ehrenamtlichen Helfern bei dieser Feier blieben nur 2 übrig. „Familiäre Verpflichtungen“ – in Deutschland ist Weihnachten ein Familienfest mit eingespielten Ritualen. Da kann man nicht so schnell ausbrechen. Es ist nicht nur in der Pastoral schwierig, das Prinzip „Es wurde immer so gemacht!“ zu verlassen. (EG 33)

Unsere Gottesdienste waren gut besucht. Unter die regelmäßigen Kirchgänger hatten sich viele Weihnachtsbesucher gemischt, die nur an den Festtagen kommen. Sie sind mir alle willkommen; aber ich fürchte, wir nehmen sie nicht richtig wahr. Ich träume davon, dass nicht nur ich sie willkommen heiße, sondern auch die treuen Kirchgänger ihnen bewusst zeigen, dass sie willkommen sind.  Aber bis dahin ist noch ein weiter Weg!

Reich beschenkt wurde ich durch unsere Stadtkrippe. Es war eine Freude, gemeinsam mit anderen die Bilder zu entwickeln. Wie kleine Jungs haben die erwachsenen (alten) Männer mit den Figuren gespielt, um sie „sprechen“ zu lassen. Die Idee mit dem Flüchtlingszelt ist auch so kreativ entstanden. Und plötzlich spricht nicht nur der Papst von  den Flüchtlingen, auch der Bundespräsident macht sie zum Thema der Weihnachtsansprache. Wir sind ganz nah dran!

Jetzt kommt der Alltag wieder. Hoffentlich gelingt es, ihn in der „Freude des Evangeliums“ anzugehen.

Foto: Martin Magunia; alle Rechte vorbehalten;

Die Botschaft der Weihnachtsmärkte

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Weihnachtsmärkte haben mit Weihnachten eigentlich nur zu tun, dass sie in den Wochen vor dem Fest stattfinden. Eigentlich sind es Winterevents, vielleicht sogar ähnlich den vorchristlichen Bräuchen der Wintersonnenwende. In diesen dunklen Wochen des Jahres, in denen die Tage immer kürzer werden, spielt das Licht eine große Rolle. Man entzündet Kerzen und wärmt sich lieber am Kaminfeuer als an der Heizung. Es ist die Zeit, in der man sich mit Freunden nicht beim Grillen oder in der Strandbar trifft wie in den Sommermonaten, sondern am Glühweinstand auf dem Weihnachtsmarkt.
Nicht alles, was da in den Budengassen und den angrenzenden Geschäften geschieht, gefällt mir: der Konsumrausch, der manche befällt, tut der Seele und dem Geldbeutel nicht gut. Besonders die prekären Milieus verschulden sich, weil sie mit denen, die mehr haben, mithalten wollen.
Aber ich nehme auch die Sehnsucht war, die sich hinter vielem verbirgt: die Sehnsucht nach Gemeinschaft und Gemeinsamkeit, die Sehnsucht etwas schenken zu können und beschenkt zu werden, die Sehnsucht nach Liebe, die Sehnsucht nach einer Hoffnung, die weiter reicht als der heutige Tag.
Die Advent greift mit seinem Brauchtum diese Sehnsüchte auf und vielleicht sind diese Wochen deshalb bei aller Hektik, die sie manchmal mit sich bringen, die beliebteste Zeit des Jahres. Die Lichter, der grüne Adventkranz, die Lieder, der Adventskalender, die kahlen Zweige am Barbara-Fest, die leeren Stiefel am Nikolaustag und der Lichterkranz der Lucia – alles Bräuche, die mir von einer Hoffnung erzählen, die die Menschen im grauen Einerlei des Alltags in sich tragen.
Wir müssen sie ernst nehmen und ihnen von unserer Hoffnung erzählen. Wir sind überzeugt: „Das Beste kommt noch!“ Bei allem, was wir haben, wissen wir doch, dass die Vollendung noch aussteht. Wir wissen nicht, wann das sein wird, nicht wie das sein wird, nicht wo das sein wird. Ignatius von Antiochien sagte im 1.Jahrhundert: „Dort angekommen, werde ich ganz Mensch sein“.
Das ist die Hoffnung, die wir in uns tragen: all das Fragmentarische, all das Unfertige, all das Unvollkommene wird vollendet werden. Nicht auf dieser Erde, sondern wenn Gottes Tag anbricht. So perfekt wir auch sein mögen, so gut es uns auch geht – das Beste kommt noch!