Ich gebe zu, ich bin ein intensiver Smartphone-Nutzer. Als vor zwanzig Jahren die ersten bezahlbaren Handys auf den Markt kamen, war ich mit dabei. Ich war damals viel mit dem PKW unterwegs und konnte im Stau stehend schon telefonisch meine Verspätung ankündigen. Das nahm den Stress. Die Smartphones erleichterten mir den Alltag, denn endlich musste ich keine doppelten Kalender mehr führen und hatte einige Dokumente auch unterwegs zur Verfügung. Der Computer zuhause war zum Mitnehmen auf Taschenformat geschrumpft. Alles in allem ein Riesenfortschritt, alles in allem eine Arbeitserleichterung.
Da wirkte der Vortrag, den der Bonner Informatikprofessor Alexander Markowetz am Dienstagabend bei der IHK hielt, wie eine kalte Dusche. Drei Stunden am Tag benutzen wir unser Smartphone. Wir schalten es an und klicken irgendetwas an, behauptet er als Zwischenergebnis einer wissenschaftlichen Untersuchung, bei der über 200.000 Leute ihre Handy-Nutzung „überwachen“ lassen. Die Telefonfunktion wird täglich im Schnitt nicht mal zehn Minuten genutzt. 55 Mal pro Tag entsperren wir im Durchschnitt das Smartphone. Fazit: Alle zehn Minuten tippen wir auf unser Handy.
Nun bewahren mich viele Einzelbegegnungen und Gespräche davor, in diesen Rhythmus zu verfallen. Aber ich bin doch erschrocken und stelle fest, dass ich mich auch verführen lassen, die sogenannten Mini-Pausen, die es immer wieder im Alltag gibt, durch einen Blick auf das Handy auszufüllen. Ich kann noch mal schnell die Mails prüfen, in den Kalender schauen oder auf Facebook Kontakte pflegen. Diese Pausen, die es gibt, wenn wir irgendwo warten müssen, sind wichtig für die Kreativität und helfen, seelische Erkrankungen zu vermeiden.
Professor Marowetz fordert: „Wir müssen es schaffen, Smartphones überlegt einzusetzen. Also die Dinger nur dann zu nutzen, wenn es wirklich etwas bringt. Wir müssen uns eine digitale Diät verordnen. Exzessiver Smartphone-Konsum ist das neue Fett, das wir bekämpfen müssen.“
Übrigens: wir könnten auch vom Kirchenjahr lernen. Diese Tage vor Pfingsten sind auch eine Zeit des Wartens. Für die Jünger damals galt es die Abwesenheit des Herrn und den ausstehenden Heiligen Geist auszuhalten. Sie verbrachten die verordnete Unterbrechung mit Gebet. Eigentlich eine gute Alternative. Ohne Smart-phone online sein – mit Gott!
Archiv für den Monat: Mai 2015
Zeitdiebe
Spätestens seit Michael Endes Kinderbuch „Momo“ kennen wir die Zeitdiebe, jene grauen Herren, die als Agenten der Zeitsparkasse, den Menschen vorgaukeln, man gönne reich an Zeit reich werden, in dem man Zeit spart. Stattdessen wird das Leben hektischer. Man kennt keine Pause, keine Freizeit, kein Vergnügen. Das Leben wird arm und freudlos, weil niemand mehr Zeit für den anderen übrig hat.
Eigentlich bedurfte es nicht dieser Geschichte, die dank der Schildkröte Kassiopeia und Meister Hora ein gutes Ende nimmt, um uns auf die Gefährlichkeit der Zeitdiebe aufmerksam zu machen. Wir kennen sie nur allzu gut; denn sie sind ein Teil von uns. Manchmal bedarf es eines kritischen Blicks auf das eigene Zeitmanagement, um sie zu enttarnen.
Da klingt es verlockend, wenn uns die Werbung auffordert, „Zeit für sich selbst zu haben“. Jeder kennt das: irgendwo in unserem Herzen gibt es die Wünsche, dies oder jenes werde ich mal machen, wenn ich Zeit habe. Die Zeit für uns selbst ist wichtig! „Quality time“ wird sie in einem Zeitmanagementsystem genannt.
Aber es gibt daneben auch eine Zeit, die sich zwar nicht mehr vermehrt, sondern die wertvoller wird, wenn man sie nicht behält, sondern weggibt. „Die Zeit für andere“, die Zeit, die ich verschenke – an meine Kinder oder Enkel, an meinen Partner, an meine Eltern und Großeltern, an andere Menschen, denen ich mit meinen Fähigkeiten etwas Gutes tun kann.
Zeit zu verschenken – ein probates Mittel gegen die Zeitdiebe unserer Tage.