Was aber bedeutet die Taufe? Die Osternacht gibt uns eine dreifache Antwort:
- Hinabgestiegen in das Reich des Todes
In der Ostkirche wird auf vielen Ikonen die Auferstehung dargestellt, wie Jesus hinabsteigt in die Unterwelt und Adam und Eva mit einem typischen Rettungsgriff wie ihn auch heute noch Retter in unterschiedlichen Situationen praktizieren, herausreißt aus ihren Gräbern. Dahinter steckt das alte Weltbild, das die Welt in Etagen einteilt, Himmel, Erde, Unterwelt.
„Hinabgestiegen in das Reich des Todes“ – heißt es im Glaubensbekenntnis. Jesus hat sich weder das Leben noch das Sterben einfach gemacht. Sein Abstieg ging tief, mitten in das Reich des Todes hinein. Bis in die tiefste Tiefe ist er nach unten hinabgestiegen. Bis an den „toten Punkt“. Vielleicht kennen Sie das auch aus Ihrer Biografie. Den „toten Punkt“, wo alles zusammenbricht. Wo es weder ein zurück noch ein nach vorne gibt.
Als Toter ist Jesus zu den Toten hinabgestiegen. In ihm ist Gott zu den Toten gekommen und der hat ihn dort nicht gelassen. Er hat den Tod besiegt. Auf den Darstellungen der Ostkirche sind Adam und Eva zu sehen. Sie stehen stellvertretend für die ganze Menschheit. Mit einem Rettungsgriff zieht der Auferstandene sie aus der Macht des Todes. Genau das geschieht in der Taufe. Jesu Rettungsgriff fasst uns an den Handgelenken und zieht uns hinein in seine Auferstehung.
- Geht!
Haben Sie noch das Evangelium von eben im Ohr: Erschreckt nicht! Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier. […] Nun aber geht! Er geht euch voraus nach Galiläa! (Mk 16,7) Nun aber geht – jede entscheidende Begegnung in der Bibel ist verbunden mit dem Auftrag „Geht!“ Papst Franziskus spricht immer wieder von den „Sofa-Christen“, die die Welt vom Sofa aus betrachten oder sie unter ihrem Balkon vorbeiziehen lassen.
Die Sofa-Christen überhören geflissentlich das Wort „Geht“. In Ihrem Taufschein steht zwar, dass sie getauft sind. Aber sie brechen nicht mehr auf, sie gestalten nicht mehr ihre Welt aus der Botschaft des Evangeliums. Wenn in unserer Gesellschaft der „Untergang des christlichen Abendlands“ beklagt wird, dann liegt das nicht an REWE, der den „Traditionshasen“ verkauft, sondern an den „Sofa-Christen“ unserer Tage.
Erliegen Sie nicht dieser Versuchung. Lassen Sie sich stattdessen nach Galiläa schicken, d.h. dorthin, wo Sie Augen- und Ohrenzeuge der Botschaft Jesu werden können. Dafür brauchen Sie nicht ins Heilige Land zu reisen. Es genügt, wenn Sie in der Bibel lesen.
- Es liegt an uns!
Noch einmal möchte ich an das Evangelium von eben erinnern. An den letzten Satz: „Da verließen sie das Grab und flohen; denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten niemandem etwas davon; denn sie fürchteten sich.“ (Mk 16,8) Das ist der ursprüngliche Schluss des Markus-Evangeliums. Ende. Aus. Wo bleibt die Botschaft? Sie sagten niemandem etwas davon.
Wo sind all die Geschichten von den Jüngern, von Maria von Magdala, der Apostolin der Apostel. Von Johannes, Petrus, den Emmaus-Jüngern und Thomas? – Markus weiß davon nichts! Dieser ursprüngliche Schluss des Markus-Evangeliums provoziert. Ein paar Jahrhunderte nach der Urfassung des Markus-Evangeliums taucht plötzlich noch ein zweiter Schluss auf, der die Provokation der ursprünglichen Fassung auflösen will.
Markus hat eine Absicht mit diesem Schluss. Er will seine Hörerinnen und Hörer herausfordern. Wenn die Frauen am Ostermorgen schweigen, dann müssen wir reden! Die Botschaft des jungen Mannes im weißen Gewand muss weitergesagt werden: „Er ist auferstanden“. Als Getaufte ist dies unsere erste Pflicht: Zeuge, Zeugin der Auferstehung zu sein – damit die Botschaft nicht in Vergessenheit gerät.