Eine gute Nacht!

(c) Rosel Eckstein / pixelio.de

Das ist nun mal wieder typisch für diese Männergesellschaft der Apostel. Die Frauen kommen vom Grab und erzählen, was sie erlebt haben, vor allem aber, wie eingetroffen ist, was Jesus beim Abendmahlgesagt hatte, und die Apostel tun es ab als Weibergeschwätz, als Nonsens, ohne jeden Sinn.

Nur einer steht auf und läuft zum Grab. Einer, der zwei Nächte hinter sich hat, wie er sie sich nie gewünscht hat und nie mehr wünschen wird.

Petrus – er war hinabgestiegen in die Tiefe seiner Seele. Was hatte er nicht alles gewollt – und letztlich war er doch nur voller Angst und ein Feigling gewesen. Er wollte dreinschlagen und anstelle des Meisters sterben, und dann hatte er ihn am Kreuz hängen sehen und begriffen, was er gemeint hatte, als er sagte: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben gibt für seine Freunde.“

In der Dunkelheit dieser Nacht ist es ihm wie Schuppen von den Augen gefallen: Es wird ihm bewusst, dass er sich letztlich immer geweigert hat, sich lieben zu lassen, dass er sich letztlich immer geweigert hat, sich von Jesus retten zu lassen – er wollte der Retter sein, so hatte er jede Leidensankündigung abgewehrt. Er wollte der Retter sein und muss doch gerettet werden.

Wie schwer ist es doch, sich wirklich lieben zulassen! Es ist schwerer als andere zu lieben! Wer so weit gekommen ist, für den ist klar, dass das Kreuz, dass die Hingabe nicht das Ende gewesen sein kann. Jetzt verstehen wir die Unruhe, die den Petrus erfasst; jetzt verstehen wir, dass er zum Grab laufen muss. Er sieht keine Engel, nur ein leeres Grab.

Staunend geht er nach Hause, sagt die Schrift. Später werden die Apostel sagen: „Der Herr ist wirklich auferstanden und ist dem Simon erschienen.“(Lk 24,34)

In Bernsteins Werk „Messe“, das er dem Andenken John F. Kennedys gewidmet hat, wird gegen Ende eine Szene mit dem Priester gezeigt, der einen gläsernen Kelch in der Hand hält. Plötzlich stürzt er zu Boden, der Glaskelch fällt auf die Erde und zerschellt. Der Priester betrachtet ihn lange und sagt schließlich: „Mir war noch nie bewusst, dass zerbrochenes Glas so strahlend leuchtend kann“.

Das ist das Geheimnis von Tod und Auferstehung Jesu – der Gekreuzigte lebt! Seine Wunden strahlen! Sein geschundener Leib ist verklärt! Das ist die Erfahrung, die Petrus macht: da, wo er sich am Ende glaubte, wo er sich für immer getrennt wähnte, da wo er sich seiner Zerbrechlichkeit und seines Zerbrochen-Seins bewusst wurde, da fing alles erst an, da war ihm der Herr so nah wie nie zuvor! Jetzt weiß er sich geliebt von ihm – ohne Ende, „ewig“– wie die Theologen sagen.

Deshalb – wegen dieser Erfahrung ist diese Nacht so anders alle anderen Nächte!
Die Welt mag vieles uns ermöglichen –man kann nur staunend betrachten, wie sich die Welt allein in den letzten 50 Jahren verändert hat –was alles erfunden und möglich gemacht wurde, um das Leben zu erleichtern. Nur eine solche Botschaft bringt sie selbst nicht hervor: Die Welt kann das Scheitern nicht aushalten, deshalb bleibt ihr das Kreuz ein Ärgernis und sie wird nie zur Hoffnung von Ostern finden.

Der Weg durch die Passion bis zum Ostermorgen ist wahrlich kein Spaziergang. Er führt den Petrus und uns in alle Dunkelheiten. Wir können uns dort wahrnehmen und annehmen – so wie wir sind und uns vom Herrn retten, erlösen und lieben lassen. Nur so wird er uns aus dem Dunkel ins Licht führen, aus dem Tod ins Leben.

„Geht und verkündet – das ist die Botschaft des Auferstandenen. Die Welt braucht diese Botschaft, weil sie sonst keine gute Nacht mehr hat. Amen

Der Hahn ist gerettet!

Der Hahn ist gerettet. Ein Mann bringt den Hahn in Sicherheit, der auf dem Vierungsturm von Notre Dame seine Runden drehte und wie durch ein Wunder den Sturz aus 93m Höhe überstand!

Wetterhähne gibt es auf Kirchturmspitzen seit dem Mittelalter. Ursprünglich konnten die Menschen aus ihnen die Windrichtung ablesen und Rückschlüsse auf das Wetter ziehen. Aber weshalb ein Hahn?

Sein Schrei am Morgen markiert den Sieg des Tages über die Nacht. “ Der Hahn weckt die Daliegenden […] Mit dem Hahnenschrei kehrt die Hoffnung zurück, Besserung wird den Kranken zuteil “ heißt es schon in einem Hymnus des Ambrosius aus dem 4.Jahrhundert.

Nicht nur am heutigen Gründonnerstag erinnert  uns der Hahn auf dem Kirchturm zudem an das Wort Jesu an Petrus aus dem Abendmahlssaal: „Noch ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“ (Johannes-Evangelium 13,38)  Wenige Stunden später in der Frühe des Karfreitags wird das Wort wahr. „Ich kenne den Menschen nicht“, sagt Petrus und  gleich darauf krähte ein Hahn. (Joh-Evangelium 18,27).

Seit jenen Tagen ist der Hahn Zeichen für die Schwäche eines Menschen, der statt sich zum Freund (und Meister) zu bekennen ihn verleugnet. Er erinnert aber auch an die Tränen des Petrus als ihm bewusst wird, was er getan hat. Nach Ostern wird ihn der Auferstandene selbst einladen, sein dreimaliges NEIN durch ein dreimaliges JA wieder gutzumachen (Joh 21,15ff).

Staunend notiert die Welt zur Zeit, wie sich überall die Solidarität mit der beschädigten Kathedrale manifestiert. Es scheint, dass es sich nicht schnell genug gehen kann, die Wunden des Gebäudes zu beseitigen. Statt sie einen „Augenblick“ lang auszuhalten – in einer Welt, in der soviel in Trümmern liegt, soviele Wunden täglich an Menschen(!) geschlagen werden.  Da ist es gut, dass der Hahn gerettet wurde. Er erinnert!

„Mon dieu…!!!!Die Kirche brennt…“

(c) Paroisse de la Cathedrale Saint Denis – France- Facebook

„Mon dieu…!!!!Die Kirche brennt…was für eine grausige Symbolik“, so schrieb gestern abend Stephan Wahl auf Facebook unter dem ersten Eindruck der Bilder aus Paris. Mit Millionen Menschen auf der Erde habe ich in der Nacht die Berichte aus Paris verfolgt (leider nicht im Deutschen Fernsehen), habe ich gesehen, wie das Feuer sich immer weiter vorwärts fraß, hörte ich die entsetzten Schreie als erste Flammen in den Haupttürmen sichtbar wurden. Es ist eine Tragödie!
Ein auch kulturelles Denkmal der Menschheit wird nach und nach beschädigt. Ganz abgesehen von den Gefühlen, die gläubige Menschen in Paris und an vielen Orten der Welt angesichts der Bilder umtreiben. Kirchen sind keine normalen Häuser – sie sind Gottes-Häuser wie die Synagogen und Moscheen, wie die Tempel der Hindus und der Buddhisten. Wenn man sie brennen sieht, spürt man, da brennt mehr als nur brennbares Material.

Deshalb hat mich das Wort von Stephan Wahl nicht los gelassen in dieser Nacht! „Mon dieu…!!!!Die Kirche brennt…“ Die ganze Kraft des Symbols wurde mir schmerzvoll bewusst. Wir erleben in den vergangenen Jahren und Monaten wie die Kirche brennt, die Flammen der Zerstörung sich immer weiter vorwärts fressen. Der Mißbrauch an Tausenden, der Machtmißbrauch und der Klerikalismus, die Uneinsichtigkeit vieler Amtsträger, die nicht wahrhaben wollen, was unter ihren Augen geschieht, aber alle Welt sieht.

Aus Paris hört man heute morgen, dass wohl die Grundsubstanz des Gebäudes Bestand hat und der französische Präsident hat versprochen, die Kathedrale wieder aufzubauen. Ob und wie das gelingt, wird man sehen. Es fehlt gewiss nicht an Handwerkern und Ingenieuren; aber es fehlt an dem mittelalterlichen Geist, der solche Gebäude zustande brachte. „Ein Steinhaufen hört auf Steinhaufen zu sein, sobald ein einziger Mensch ihn betrachtet, der das Bild einer Kathedrale in sich trägt“ schreibt Antoine de Saint-Exupery.

„Mon dieu…!!!!Die Kirche brennt…“ – auch bei unserer Kirche hat die Grundsubstanz Bestand. Wie in Paris wird man das Verkohlte und Verbrannte hinausschaffen müssen. Aber anders als dort brauchen wir keinen Neubau des Alten, keine Kopie des Vergangenen, sondern unsere Kirche muss eine Kirche von heute sein. „Aggiornamento“, sagt der hl. Johannes XXIII. Nicht dem Zeitgeist angepaßt, aber in der Zeit von heute!

Da werden dann die Frauen tragende Säulen sein und nicht mehr nur „Säulenheilige“; in ihren stützenden Funktionen gleichberechtigt mit den Männern.  Es wird eine große Vielfalt der Liturgie geben, an der (auch verheiratete ?) Priester und Laien beteiligt sind. Das neue Haus wird bunt sein, gefärbt von den unterschiedlichen Konfessionen, die immer mehr zueinander finden. Es gibt viele Ideen, wie die Kirche der Zukunft aussehen könnte und müsste.

„Mon dieu…!!!!Die Kirche brennt…“- die Bilder aus Paris bekommen jenseits ihrer realen Tragik eine ungeheure symbolische Kraft – passend zur Karwoche und zum Osterfest, zur Tragödie und zur Auferstehung.

Nachtrag: Ein Leser macht mich aufmerksam auf den Brief des Züricher Generalvikars vergangene Woche: „Die Kirche steht in Flammen!“