Das ist nun mal wieder typisch für diese Männergesellschaft der Apostel. Die Frauen kommen vom Grab und erzählen, was sie erlebt haben, vor allem aber, wie eingetroffen ist, was Jesus beim Abendmahlgesagt hatte, und die Apostel tun es ab als Weibergeschwätz, als Nonsens, ohne jeden Sinn.
Nur einer steht auf und läuft zum Grab. Einer, der zwei Nächte hinter sich hat, wie er sie sich nie gewünscht hat und nie mehr wünschen wird.
Petrus – er war hinabgestiegen in die Tiefe seiner Seele. Was hatte er nicht alles gewollt – und letztlich war er doch nur voller Angst und ein Feigling gewesen. Er wollte dreinschlagen und anstelle des Meisters sterben, und dann hatte er ihn am Kreuz hängen sehen und begriffen, was er gemeint hatte, als er sagte: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben gibt für seine Freunde.“
In der Dunkelheit dieser Nacht ist es ihm wie Schuppen von den Augen gefallen: Es wird ihm bewusst, dass er sich letztlich immer geweigert hat, sich lieben zu lassen, dass er sich letztlich immer geweigert hat, sich von Jesus retten zu lassen – er wollte der Retter sein, so hatte er jede Leidensankündigung abgewehrt. Er wollte der Retter sein und muss doch gerettet werden.
Wie schwer ist es doch, sich wirklich lieben zulassen! Es ist schwerer als andere zu lieben! Wer so weit gekommen ist, für den ist klar, dass das Kreuz, dass die Hingabe nicht das Ende gewesen sein kann. Jetzt verstehen wir die Unruhe, die den Petrus erfasst; jetzt verstehen wir, dass er zum Grab laufen muss. Er sieht keine Engel, nur ein leeres Grab.
Staunend geht er nach Hause, sagt die Schrift. Später werden die Apostel sagen: „Der Herr ist wirklich auferstanden und ist dem Simon erschienen.“(Lk 24,34)
In Bernsteins Werk „Messe“, das er dem Andenken John F. Kennedys gewidmet hat, wird gegen Ende eine Szene mit dem Priester gezeigt, der einen gläsernen Kelch in der Hand hält. Plötzlich stürzt er zu Boden, der Glaskelch fällt auf die Erde und zerschellt. Der Priester betrachtet ihn lange und sagt schließlich: „Mir war noch nie bewusst, dass zerbrochenes Glas so strahlend leuchtend kann“.
Das ist das Geheimnis von Tod und Auferstehung Jesu – der Gekreuzigte lebt! Seine Wunden strahlen! Sein geschundener Leib ist verklärt! Das ist die Erfahrung, die Petrus macht: da, wo er sich am Ende glaubte, wo er sich für immer getrennt wähnte, da wo er sich seiner Zerbrechlichkeit und seines Zerbrochen-Seins bewusst wurde, da fing alles erst an, da war ihm der Herr so nah wie nie zuvor! Jetzt weiß er sich geliebt von ihm – ohne Ende, „ewig“– wie die Theologen sagen.
Deshalb – wegen dieser Erfahrung ist diese Nacht so anders alle anderen Nächte!
Die Welt mag vieles uns ermöglichen –man kann nur staunend betrachten, wie sich die Welt allein in den letzten 50 Jahren verändert hat –was alles erfunden und möglich gemacht wurde, um das Leben zu erleichtern. Nur eine solche Botschaft bringt sie selbst nicht hervor: Die Welt kann das Scheitern nicht aushalten, deshalb bleibt ihr das Kreuz ein Ärgernis und sie wird nie zur Hoffnung von Ostern finden.
Der Weg durch die Passion bis zum Ostermorgen ist wahrlich kein Spaziergang. Er führt den Petrus und uns in alle Dunkelheiten. Wir können uns dort wahrnehmen und annehmen – so wie wir sind und uns vom Herrn retten, erlösen und lieben lassen. Nur so wird er uns aus dem Dunkel ins Licht führen, aus dem Tod ins Leben.
„Geht und verkündet – das ist die Botschaft des Auferstandenen. Die Welt braucht diese Botschaft, weil sie sonst keine gute Nacht mehr hat. Amen