Weihnachten II: Der Skandal der Heiligen Nacht! Die ersten Besucher im Stall.


Der Skandal in der Heiligen Nacht, in der Maria ihren Sohn gebar. Der Himmel öffnet sich und ein Engel verkündet die Frohe Botschaft. Aber die Adressaten sind Geächtete. Menschen, mit denen man in der feinen damaligen Gesellschaft nichts zu tun haben wollte. Da ist wohl etwas schief gelaufen in der himmlischen Dramaturgie.

Aber wer genauer hinschaut, der erkennt in diesen ersten Kapiteln des Lukas-Evangeliums, in denen auch die Weihnachtgeschichte steht, die Ouvertüre des Evangeliums, das Thema, das sich wie ein roter Faden durch alle Kapitel zieht.
Die Hirten tauchen in den folgenden Kapiteln immer wieder auf: in der Gestalt der Besessenen und Kranken am See Genezareth, im Aussätzigen, der geheilt wird, dem Zöllner, der berufen wird, dem barmherzigen Samariter, dem Held einer Beispielerzählung, im Blinden am Wegesrand bei Jericho oder im Zöllner Zachäus, in dessen Haus Jesu einkehrt.

Nein, es ist kein Zufall, dass den Hirten die erste frohe Botschaft, das erste Evangelium verkündet wird. Sie sind die Helden der Geschichte. Tun wir das, was wir in einem Lied besingen: „Gehn wir mit ihnen“.

Drei Dinge können wir von ihnen sagen:

1.Sie brechen auf

Als die Engel von den Hirten in den Himmel zurückgekehrt waren, sagten die Hirten zueinander:“

Sie sagten zueinander ! Die Hirten sind geeint in ihrer gemeinsamen Sorge um ihre Herden, sie sind geeint im gemeinsamen Gefühl, von der Gesellschaft ausgeschlossen zu sein. Sie können nicht am Gottesdienst in der Synagoge teilnehmen und erscheinen deshalb vielen als suspekt.

Sie sind geeint in der gemeinsamen Erfahrung der Botschaft der Engel. Sie reflektieren nicht lange, gründen keinen Arbeitskreis, um das Erfahrene zu verarbeiten, keine Hirten-Konferenz, um sich über Maßnahmen zu verständigen – sie brechen auf: Lasst uns nach Betlehem gehen, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr kundgetan hat!
Es gibt Situationen im Leben, da muss der Mensch handeln, um nicht Wesentliches zu verpassen. Vielleicht kennen Sie das auch aus ihrer Biografie: Stunden, in denen etwas getan werden musste.
Die Hirten brechen auf, nicht bedächtig und langsam, nein „sie eilen“, schreibt Lukas.

2.Sie finden das Kind

„Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.“ – hatte der Engel gesagt. Gar nicht so einfach. Ich weiß nicht, wieviele Säuglinge es damals in Bethlehem gab. Aber ein Kind in Windeln gewickelt ist nichts Einmaliges. Ein verwechselbares Zeichen.

Trotzdem fanden sie „Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag.“ Glück gehabt, möchte man sagen und gleichzeitig fragen, wie sollen wir ihn finden? Was ist das Zeichen, das uns gegeben wird?

„Was Ihr dem Geringsten meiner Schwestern und Brüdern getan, das habt ihr mir getan“, wird Jesus später sagen. Ein deutlicher Hinweis darauf, wo er zu finden ist – im Menschen neben mir.

„Wenn ich über die Erde erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen.“ (Joh 12,32), sagt er an anderer Stelle. Auch dort am Kreuz ist Gott zu finden, in den Leidenden, in den Schwachen, bei denen, die leiden, bei denen, die sterben.

So langsam werden wir herausgerissen aus unserer Weihnachtsidylle und spüren hoffentlich, die alte Geschichte ist auch unsere Geschichte, wenn wir uns die Hirten zum Vorbild nehmen.

3.Sie loben Gott

Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für alles, was sie gehört und gesehen hatten, so wie es ihnen gesagt worden war. – die Begegnung mit dem Kind hat sie verändert. Sie preisen Gott. Ihre Weide wird für sie zur Freiluft-Synagoge. Was ihnen sonst nicht möglich ist, praktizieren sie jetzt unter freiem Himmel: das gemeinsame Lob Gottes.

Wer Gott lobt, der glaubt, dass nicht alles auf dieser Erde selbstverständlich ist. Wer Gott lobt, der glaubt, dass nicht alles auf dieser Erde machbar ist. Wer Gott lobt, der glaubt, dass das Wesentliche geschenkt ist. Wer Gott lobt, der glaubt, dass Gott gegenwärtig ist in dieser Welt, im Kleinen, im Unscheinbaren wie in dem Kind in Windeln, und im Wunderbaren wie im offenen Himmel auf den Feldern Bethlehems.

Tun wir es den Hirten gleich: brechen wir auf, finden wir das Kind und loben wir Gott.

Weihnachten I: „Jesaja, wo bleibt das Licht?

Als am 14.Juli dieses Jahres die Flutkatastrophe über das Ahrtal hereinbrach, stiegen die Wasser des kleinen Flusses mit irrsiniger Geschwindigkeit an. Gleichzeitig brach die elektrische Versorgung zusammen. Eine Nacht, tiefe Dunkelheit und Todesangst. Selbst als die Elektrizität zurückkehrte, blieb es in den Seelen vieler Menschen dort dunkel. Zu traumatisch sind die Erinnerungen.
Wir kennen ähnliche Stunden auch; obwohl um uns herum helles Licht leuchtet, gibt es Trauer und Leid, die unsere Seele dunkel lassen. Oder wenn wir ratlos sind, wenn wir nichts mehr verstehen, nichts mehr auf die Reihe kriegen. die Nacht der Zweifel, die Nacht der 1000 Fragen, auf die man keine Antwort kriegt.

In diese Nacht, die anscheinend nie zu Ende ist und an manchen Tagen noch dunkler empfunden wird, in diese Nacht hinein verkündet der Prophet Jesaja „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf“! (Jes 9,1)

Ich möchte ihn fragen: Jesaja wo bleibt das Licht?
Wo bleibt das Licht für die Menschen, die wie Maria und Josef keine Bleibe haben; deren Häuser ganz oder teilweise zerstört sind, deren Hab und Gut davongeschwommen ist?
Wo bleibt das Licht in diesen Tagen der Pandemie? Die Nachrichten lassen nichts Gutes vermuten.
Wo bleibt das Licht in der Nacht meiner Einsamkeit nachdem ein lieber Mensch gestorben ist oder der Partner mich verlassen hat?
Jesaja, wo bleibt das Licht in der Dunkelheit des Lebens der Armen, Alten und Behinderten, der Flüchtlinge?
Es gibt so viel Streit und Unfrieden, Angst, Unsicherheit, Finsternis? Wo ist das Licht, Jesaja?

Das Licht ist für Jesaja ein Kind, das geboren wird – zu seiner Zeit wohl das Kind des Herrschers, das eine neue Zeit verheißt.
Uns wird ein anderes Zeichen geben: „Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt“, sagt der Engel den Hirten.

Ein Kind in Windeln!?– nein, wir brauchen einen Gott, der dreinschlägt. Einen Gott, der aufräumt. Einen Gott, der endlich die Nächte in den Seelen der Welt beendet. Wir wüssten schon, was richtig wäre.

Aber er ist kein Gott nach unserem Bild, nach unserer Vorstellung. Er kommt nicht mit Macht, Glanz, Herrlichkeit – so wie die Welt es sich vorstellt. Er kommt nicht um neuen Schrecken, neue Angst zu verbreiten. „Er ist gekommen wie das Kleinste der Wesen, das Zerbrechlichste, das Schwächste.“ (Paul VI.) Gott macht sich klein – das stellt alles auf den Kopf, was Menschen normalerweise mit Gott in Verbindung bringen.

Deshalb sind wir auf Zeichen angewiesen, die uns helfen zu erahnen, zu verstehen. Das Licht ist ein solches Zeichen. Wir wissen, dass das Licht einer Kerze einen Raum erhellen kann.

Das Licht ist ein Geschenk. Wir können zwar mit technischen Mittel die Nacht zum Tage machen. Aber Licht können wir aus eigener Kraft nicht schaffen! Ebenso wenig wie wir selbst eine heile Welt bauen oder einen neuen und vollkommenen Menschen züchten können.

Das Licht ist ein Geschenk. Wenn Gott es in uns anzündet, dann können wir es weitergeben, andere wärmen und ihren Weg erhellen

Das gehört durchaus auch zu unserer Erfahrung: es gibt nicht nur Dunkelheiten. Es gibt auch Augenblicke des Lichts: bereichernde Begegnungen, Momente der Nähe und Zuwendung, Versöhnung, Erbarmen, Heilung, Freundschaft, Liebe. Es gibt Stunden von Solidarität, Mitgefühl, Hilfe.

Die Liste ließe sich lange fortsetzen. Manchmal war es vielleicht nur ein kleines Licht, aber es war gerade hell genug, dass ich neuen Mut fassen konnte und es Schritt für Schritt weiterging.

Was hindert uns daran, diese Lichter in den Dunkelheiten unseres Lebens zu deuten als Zeichen von Gottes Liebe.

Das ist die Botschaft von Weihnachten: Gott möchte uns nicht im Dunkeln sitzenlassen.
Gott möchte uns nicht im Dunkeln sitzen lassen – wahrlich ein Grund, heute ein Fest zu feiern, ein Fest des Glaubens – aber nicht nur für uns, sondern auch für andere.
Und: indem wir Ernst machen mit dem Wort aus dem Epheserbrief: „Lebt als Kinder des Lichts! Das Licht bringt lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor. (Eph 5,8)

Das ist die Weise, wie wir das Dunkel in unserer kleinen Welt besiegen können in der Hoffnung, dass es ausstrahlt auf die große Welt: durch Güte, Gutsein, durch Gerechtigkeit, Gerecht sein und durch Wahrheit, wahr sein!