Hineingeboren in unsere Welt

Meinen persönlichen Jahresrückblick finden Sie HIER.

Wir feiern an diesem Weihnachtsfest ein Jubiläum: vor 800 Jahren hat Franziskus im Wald bei Greccio in Italien die erste Krippe aufgebaut. Die Menschen dort sollten „so greifbar als möglich mit den leiblichen Augen schauen, dass Jesus nicht in den Häusern der Reichen und Mächtigen geboren worden war, sondern in der Armut eines Stalles.
Männer und Frauen trugen Kerzen und Fackeln, so wird berichtet, und im ganzen Wald erschallen freudige Gesänge. Die Menschen spürten: Gottes Sohn ist Mensch geworden in unserer Welt.
Seitdem gehört die Krippe an Weihnachten in unsere Kirchen und seit etwa 200 Jahren auch in viele Wohnhäusern. Allerdings nicht selten ist sie verkommen zu einer Wohnzimmer-Dekoration, die kaum noch eine Botschaft hinterlässt.

Eine Krippe hat mich dieses Jahr besonders angerührt: in der lutherischen Kirche zu Bethlehem liegt das Jesuskind auf einem Haufen Trümmerschutt, eingehüllt in ein Palästinensertuch.
Die Menschen im Geburtsort Jesu leiden unter dem furchtbaren Krieg, der in der Folge des barbarischen Terrorgriffs der Hamas im Nahen Osten herrscht.
Ihre Krippe hat die gleiche Botschaft wie die Krippe des Franziskus vor 800 Jahren: Gottes Sohn ist Mensch geworden in unsere Welt hinein. Er ist solidarisch mit allen Leidenden und Opfern dieses Krieges und aller Krieg auf dieser Erde.

 

 

 

Auch die Krippe in Altenahr im Ahrtal, wo ich dieses Jahr mit den Menschen Weihnachten feiere, hat eine ähnliche Botschaft. Im Hintergrund des Stalles sieht man die Pfarrkirche, die Burg Are und ein paar Häuser an der Hauptstrasse. An der Ahr ist nach der großen Flut noch lange nicht wieder alles in Ordnung. Auch dort ist die Geburt des Kindes ein Zeichen der Solidarität Gottes mit dem Leid der Menschen.

Es wird hineingeboren nicht in irgendeine Phantasiewelt, wo alles in Ordnung ist, sondern in diese Welt, die geplagt ist von Kriegen, Krankheit, Not, Tod.
Hineingeboren in unsere Welt – so wie wir sie erleben.
Hineingeboren in meine Welt – So traurig, so heillos, so zerrissen sie auch ist.
Hineingeboren in meine Welt. So verschieden sie auch ist von Ihrer, von Deiner Welt.
Meine Ängste, meine Sorgen, meine Nöte, meine Trauer, aber auch meine Hoffnungen und Freuden interessieren dieses Kind, interessieren Gott. – das erzählt mir auch die Krippe in dieser Kirche.

Wenn ich sie mir  so anschaue, dann stelle ich fest: jeder und jede von uns hat seinen/ ihren Platz in dieser Krippe.
Unsere Augen werden zuerst einmal gefangen von dem Stall, von Maria, Josef und dem Kind.
Ein kleines, hilfloses Kind
Angesichts eines Kindes erstirbt der Wettbewerb des Alltags, in dem es einzig um Gewinnen und Verlieren geht.
Angesichts eines Neugeborenen kann und muss ich mich nicht definieren über meine Rolle, meinen Titel, zählt nicht mein Haus, mein Auto, mein Geld, mein Erfolg.

Jedes Neugeborene birgt stattdessen – wie Papst Franziskus sagt – in sich eine zweifache Botschaft: „Hoffnung und Zärtlichkeit“. Nicht nur die Hoffnung, dass Gott diese Welt noch nicht aufgegeben hat, sondern auch die Hoffnung der Eltern, dass das Leben weitergeht und das Kind eine bessere Zukunft hat als die eigene Gegenwart.
Und: gibt es etwas Zärtlicheres als die Begegnung der Mutter und auch des Vaters mit ihrem Neugeborenen?

Manch einer der hier vor der Krippe steht, sagt vielleicht: ich brauche keinen Gott! Ich kann mich selbst heilen, mich selbst an meinem Schopf aus dem Sumpf herausziehen.
Diesen so scheinbar selbstbewussten Existenzen nähert sich Gott anders als sie ihn sich vorgestellt haben, er kommt zerbrechlich und zärtlich in der Gestalt des Kindes und sagt ihnen: „Habt keine Angst vor der Zärtlichkeit Gottes. „
Papst Franziskus sagt: Gott selbst lädt uns ein zur „Revolution der zärtlichen Liebe“(Evangelii Gaudium 88).
Diese Einladung gilt uns allen – denn wer von uns sehnt sich nicht nach Zärtlichkeit.

Wir sehen die Schafe und die Hirten. Die Hirten lebten am Rand der Gesellschaft. Weil sie sich um ihre Herden kümmern mussten und nicht am Gottesdienst in der Synagoge teilnehmen konnten, passten sie nicht in das Bild einer anständigen Gesellschaft. Mit ihnen wollten niemand etwas zu tun haben. Ausgerechnet diese Menschen erfahren als Erste die Weihnachtsbotschaft: Euch ist in der Stadt Davids der Heiland geboren.
In jeder Gemeinschaft leben Menschen am Rand. Vielleicht auch bei Ihnen hier im Ort. Vielleicht sind Sie selbst so jemand, der kein Ansehen hat, um den man einen Bogen macht, der nie eingeladen wird. Dann sagt Ihnen diese Krippe, wie wichtig Sie sind.

Und dann sind da noch die drei Weisen aus dem Morgenland, die einem Stern gefolgt sind. Wie kommt man denn dazu einem Stern zu folgen? Wahrscheinlich dann, wenn man eine tiefe Sehnsucht, einen großes Traum in sich trägt.
Es gibt gewiss viele oder einige hier, die auch eine Sehnsucht in sich tragen: die Sehnsucht nach einem Menschen, die Sehnsucht nach einer Arbeitsstelle, die Sehnsucht nach einem Zuhause, die Sehnsucht nach Anerkennung, nach Gesundheit, nach Glück. Da stehen Sie in der Krippe.
Die drei Weisen bringen nicht nur Gold, Weihrauch und Myrrhe mit. In ihrem Gepäck haben sie auch ihre Sehnsucht. Und auch Sie dürfen hier Sehnsucht mit zur Krippe bringen.

Vielleicht entdecken Sie hier oder an der Krippe zuhause noch andere Figuren. Sie laden ein, darüber nachzudenken, was sie zu bedeuten haben.

Die Krippe wird irgendwann abgebaut werden – hier in der Kirche und bei Ihnen zuhause. Dann liegt es an uns, ob Weihnachten nur ein Datum im Kalender ist, oder ein Ereignis unseres Lebens.

Wir feiern seit fast 2000 Jahren Weihnachten und immer noch müssen wir beklagen, dass wir unsere Welt nicht hinkriegen, den Frieden nicht schaffen, den Hunger und die Armut nicht vernichten können.

Und trotzdem:
jedes Jahr an Weihnachten ist das Kind in der Krippe die Botschaft, dass Gott noch nicht am Menschengeschlecht, an uns, an jedem und jeder Einzelnen verzweifelt hat!
Wenn wir unseren Platz an der Krippe gefunden haben, dann können wir von dort aufbrechen in den Alltag des Jahres – wie sagte es Papst Franziskus: „als Revolutionäre der Zärtlichkeit und Liebe“.

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2023 – die Stunden des Jahres kehren heim

Weihnachten, so sagen wir, kehren die Stunden des Jahres heim.
Ich habe es nachgerechnet: ein Jahr hat 8.760 Stunden. Selbst wenn wir davon ein Drittel verschlafen, werden wir uns kaum an jede Einzelne Stunde erinnern.

Ein paar Highlights dieses Jahres möchte ich doch benennen.
Zuerst aber erinnere ich mich an Menschen, mit denen ich in diesem Jahr unterwegs war: Männer und Frauen in den Gemeinden des Ahrtals, von Heimersheim bis Liers, wo ich immer wieder Gottesdienst gefeiert habe.
Ich denke besonders auch an die Menschen und deren Angehörige, die ich auf ihrem letzten Weg begleitet habe.

Und an die Vielen, die bei den Erlebnissen beteiligt waren:

Für den Rheinländer beginnt das Jahr mit Karneval. Am Karnevalssonntag durfte ich die Bonner Stadtsoldaten in der Rolle des Kurfürsten Clemens August beim traditionellen Sturm auf das Rathaus unterstützen. Wir haben gesiegt und konnten Prinz und Bonna den Weg bereiten. Sie übernahmen den Stadtschlüssel und die Herrschaft bis Aschermittwoch.

 

 

In den Tagen danach verzeichnet mein Kalender eine besondere Begegnung: ich konnte meinem Freund Stephan Damiano während seines Deutschlandaufenthalts ein großes Franziskus-Kreuz überreichen und ihm mit auf den Weg geben nach Italien. Es hängt jetzt in der kleinen Kapelle seines Spirituellen Zentrums „Piccolo Castello“in Nottiano in der Nähe von Assisi. Im September war ich sehr berührt als ich es vor Ort anschauen konnte. Es erzählt auch von einer langen Geschichte mit Franziskus und Stephan Damiano.

 

Über Ostern war ich wieder in meiner fast schon zweiten Heimat, in Jerusalem. Wieder durfte ich die Gemeinschaft der Borromäerinnen von St.Charles in der Karwoche, an den Ostertagen und in der Osterwoche begleiten. Ich habe große Hochachtung vor den Schwestern und ihrer Arbeit im Gästehaus und vor allem im Kindergarten. Sie sind für mich Handwerkerinnen des Friedens. Zu meinem jährlichen Aufenthalt gehört immer auch ein Ausflug mit den Volontären nach Galiläa. Ob 2024 eine Reise möglich sein wird, ist angesichts der politischen Lage ungewiss.

Mit den „Freunden christlichen Reisens“ ging es im Mai nach Mitteldeutschland „auf den Spuren der Romanik“. Stationen waren u.a. Goslar, Magdeburg, Halberstadt, Quedlinburg, Naumburg und auf der Rückfahrt noch Erfurt.
Zum letzten Mal war ich in diesem Sommer auf der Insel Juist. Nach acht Jahren musste ich Abschied nehmen von der Insel, auf der ich oft mehrmals im Jahr Dienst getan habe. Aber für einen Menschen mit einer Körperlänge von 1,92 m ist die neue Unterbringung im Dachgeschoss nicht angenehm. Deshalb gibt es leider keine Wiederholung.

Im Sommer verzeichnet mein Kalender viele Zelebrationen im Sacre coeur-Kloster in Pützchen und in Gemeinden des Ahrtals. Ich bin gerne dort, die Menschen sind mir ans Herz gewachsen.

Mein Highlight in jeder Hinsicht war die Romfahrt mit einer kleinen Gruppe aus meiner Internetgemeinde lukas19 nach Rom im September. Wir haben die gemeinsame Bahnfahrt (!) genossen und mit dem ÖPNV Rom erobert. Ein Abstecher nach Assisi gehörte ebenso zum Programm wie die Papstaudienz, bei der „lukas19“ auf dem Petersplatz für alle hörbar begrüßt wurde. Es war eine der schönsten, wenn nicht sogar die schönste Reise nach Rom.
Leider endete die Reise für mich in der letzten Nacht mit einem nächtlichen Sturz im Hotel und einem Bruch des rechten Fußgelenks. Der ADAC hat mich ausgeflogen und die sehr guten Ärzte im Petrus-Krankenhaus in Bonn haben mich operiert.
Drei Wochen Krankenhaus und vier Wochen Reha haben mich wieder einigermaßen mobilisiert. Großer Dank an den Physiotherapeuten Manuel im Krankenhaus und die Therapeutinnen und Therapeuten in der Klinik Jülich in Neuenahr. Seit Ende Oktober bin ich wieder zuhause. Hier werde ich von der Caritas-Pflegestation bis Ende des Jahres bestens mit sehr viel Empathie betreut und versorgt. Danach werde ich wieder vieles allein können und bewerkstelligen. Meine Dankbarkeit gegenüber vielen drückt die Schraube aus, die zwei Monate in meinem Bein steckte und die jetzt an meiner Krippe liegt.

Wenn ich so zurückschaue auf das Jahr, dann sind meine Erinnerungen verbunden mit den Namen vieler Menschen, die alle ich nicht im Einzelnen nennen kann. Mein Kalender verzeichnet viele Freundschaften und Treffen mit Einzelnen. Ich denke besonders auch jene, die mir in den Wochen der Krankheit beigestanden haben. Ich lege alle diese Menschen an Weihnachten an der Krippe nieder und bitte für sie, dass Gott ihnen vergelte, was sie mir Gutes getan haben, und sie behüte.

Weihnachten kehren die Stunden des Jahres heim – dankbar schaue ich zurück.

Wilfried Schumacher

Weihnachten, so sagen wir, kehren de Stunden des Jahres heim.
Stunden, angefüllt mit Leid und Schmerz,
mit Enttäuschung und Versagen.
Stunden voller Freude und Glück,
Sympathie, Geborgenheit und Liebe.
Stunden mit Menschen.
Stunden in Einsamkeit.
Verlorene Stunden.
Gesegnete Stunden.

Weihnachten kehren die Stunden des Jahres heim.
Und übers Jahr gesehen
spüren wir unsere Unzulänglichkeit,
unsere Sehnsucht nach Geborgenheit,
nach Heil und Erlösung.

Weihnachten kehren die Stunden des Jahres heim,
heim zu Gott, heim zu diesem Kind,
das zu uns spricht:
Ich bin der Anfang und das Ende. (Offenb. 22, 13)

Weihnachten kehren die Stunden des Jahres heim,
heim zu diesem Kind,
das alle Stunden annimmt
und sie wandelt auf seine Weise,
sie erfüllt mit seiner Liebe.

Die Freude und die Last eines ganzen Jahres
kann ich an der Krippe niederlegen bei diesem Kind, dem SEIN sind die Zeiten.

© Wilfried Schumacher