Gedanken am Osterfest 2024
Sie haben es gehört- „Er geht euch voraus nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er es euch gesagt hat.“ –Also dann auf Galiläa. Dort werden wir ihn sehen. Aber wo ist dieses Galilä?
Gewiss zuerst einmal ist das biblische Galiläa im Norden Israels westlich des Sees Genezareth gemeint. Der Name „Galiläa“ ist wohl eine Abkürzung von galil ha-gojim; das heisst: „Bezirk der Heiden“. In Jerusalem verachtete man diesen Teil des Landes, denn da wohnten Juden und Heiden. Die „reine Religion“ war da kaum zu praktizieren. „Kann aus Nazareth (in Galiläa) etwas Gutes kommen?“. Wir kennen die Frage des Nataneal, die die Vorbehalte der Frommen ins Wort bringt.
Aber ist dieses Galiläa gemeint? Müssen wir jetzt alle auf Pilgerfahrt nach Israel gehen?
Schauen wir bevor wir das Ziel ins Auge nehmen einen Moment auf den Ostermorgen in Jerusalem, so wie Markus ihn überliefert hat.
Es gibt gleich zwei Zeitangaben:
- Die erste: als der Shabbat vorüber war, kauften die Frauen die Öle – der Shabbat markiert den letzten Tag der Schöpfung, einen Abschluß. Eine Zeitangabe, die rückwärts gerichtet ist.
- Die zweite: Am ersten Tag der Woche kamen sie in aller Frühe zum Grab. – der erste Tag der Woche steht für den Neuanfang. Nichts ist an diesem Morgen alt, vertraut oder bewährt. Der Stein ist weggewälzt und das Grab ist leer!
Ein junger Mann gibt den Frauen drei Aufträge: „Seht – geht – sagt!“
- „Seht, da ist die Stelle, wo man ihn hingelegt hatte“. – das ist ein letzter Blick in die Vergangenheit. Ein letzter Blick auf den Karfreitag.
- „Geht“ –hier könnt Ihr nicht bleiben. Das ist der Ort der Toten. Immer dann wenn in der Schrift Menschen mit Gott in Berührung kommen, trifft sie das Wort „Geh!“, können sie nicht bleiben, sondern müssen aufbrechen.
- „Sagt es seinen Jüngern, vor allem Petrus: Er geht euch voraus nach Galiläa“ – die Botschaft von der Auferstehung will verkündet werden. „Zeugen der Auferstehung“ sind nötig. (Apg 1,22)
Und jetzt beginnt das Problem. Haben Sie noch den letzten Satz des Evangeliums im Ohr: „Sie sagten niemand etwas davon; denn sie fürchteten sich.“? Damit endet ursprünglich das Markus-Evangelium.
Im Markus-Evangelium finden wir keine der uns vertrauten Ostergeschichten, die so schön helfen, im Ansatz zu verstehen, was geschehen ist: kein Wort über die Begegnung des Auferstandenen mit Maria von Magdala, kein Wort von den Emmaus-Jüngern, keine Erzählung von dem zweifelnden Thomas. Nur dieser eine Hinweis: „Er geht euch voraus nach Galiläa“.
Wir werden uns also aufmachen müssen, so wie die Jünger damals. Allerdings dieses Galiläa finden wir auf keiner Landkarte, dieses Galilää ist unsere Welt. Es sind die Glaubenden und die Ungläubigen, die Frommen und die Lauen, die Heiligen und die Sünder, die Guten und die Bösen. Dieses Galiläa ist unsere Alltagswelt, das, was wir tagtäglich erleben. Dort finden wir den Auferstandenen.
Jetzt sind eigentlich Sie an der Reihe. Sie müssten sich jetzt erzählen, wie sie in Ihrem Alltag die Spuren des Auferstandenen entdecken. Vielleicht werden Sie jetzt sagen: Ich doch nicht! Wo denn?
Und dann würde ich Sie fragen: Haben Sie schon einmal „Zuwendung, Heilung, Versöhnung, Vergebung“ erlebt?
Denn davon ist in den Geschichten von Jesus die Rede, die sich Galiläa ereignet haben.
Das bleibt nicht beschränkt auf seine drei irdischen Jahre, sondern das wird auch heute noch erlebt wird: Zuwendung, Heilung, Versöhnung, Vergebung – in Ihrem Ort, unserer Welt. Spuren des Auferstandenen
Jetzt müssten Sie davon sprechen, wie Sie den Herrn getroffen haben: und zwar in all den Menschen, mit denen er sich solidarisierte: mit den Kranken, den Fremden, den Ausgestoßenen, den Leidenden.
Jetzt müssten Sie berichten von den Augenblicken in Ihrem Leben, wo es nach langer Nacht in Ihrer Seele wieder Tag wurde, wo Sie neue Hoffnung schöpften, wo es plötzlich doch wieder Zukunft gab!
„Manchmal feiern wir mitten im Tag ein Fest der Auferstehung“, heißt es in einem Kirchenlied.
Ostern ist das Fest der Hoffnung – und wir erleben es in den kleinen Hoffnungsgeschichten mitten in der Welt, mitten in unserer Welt.
Machen wir es nicht wie die Frauen im Markus-Evangelium. Schweigen wir nicht! Reden wir davon, wie wir dem Auferstandenen in unserem Galiläa, in unserer Welt begegnen. Wir brauchen keine Ostergeschichten: wir sind Maria von Magdala, wir sind die Emmaus-Jüngern, wir sind der ungläubige Thomas.
Also dann: auf nach Galiläa. Ich bin dabei. Gehen Sie auch mit?