Je öfter ich nach Jerusalem komme, umso mehr wird mir bewusst, wie unwichtig die Orte tatsächlich für mich sind. Es ist interessant, durch diese orientalische Stadt zu streifen, diesen Schmelztiegel der Religionen. Aber ob das Grab nun hier oder dort war, der Abendmahlssaal richtig lokalisiert ist oder Jesus wirklich an genau diesem Ort geweint hat, wo sich heute die Kirche „Dominus flevit“ erhebt, berührt mich wenig. Ich stehe staunend vor der langen Tradition dieser Orte und spüre gleichzeitig, dass die Geschichten, die dort verortet werden, sich in mir, in meinem Inneren abspielen müssen.
Das Wort von Angelus Silesius aus dem 17.Jahrhundert bewahrheitet sich wieder einmal: „Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, und nicht in dir: Du bliebest doch in alle Ewigkeit verloren.“ Gerne will ich die Orte zum Anlaß nehmen, um nachzudenken, mich zu besinnen und festzustellen, dass die alten Geschichten auch von meinem Leben erzählen: ich erlebe es auch, dass ein Stück Himmel auf Erden kommt wie damals bei den Hirten in Bethlehem (Lk 2). Ich kenne auch tränenreiche Stunden in meinem Leben und finde mich wieder im dem Wort des Psalms 56: „Sammle meine Tränen in deinem Krug“. Und ich bin dem österlichen Leben auf der Spur – um nur einige Beispiele zu nennen.
Ich freue mich in dem Land zu sein, dass Jesu irdische Heimat war. Es inspiriert mich. Gelassen kann ich die Menschenmassen sehen, die sich in die Grabeskirche, in die Geburtskirche oder an andere Orte drängen und dort oft stundenlang warten müssen, um für ein paar Sekunden an dem Ort sein zu können, der seit Jahrhunderten mit einer Stelle aus dem Neuen Testament verbunden wird. Ich brauche kein Kreuz auf der Schulter, um den Kreuzweg zu gehen, und erst recht keine Dornenkrone auf dem Kopf, auch wenn es sie im Angebot gibt.
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Dornenkrone im Angebot
Je öfter ich nach Jerusalem komme, umso mehr wird mir bewusst, wie unwichtig die Orte tatsächlich für mich sind. Es ist interessant, durch diese orientalische Stadt zu streifen, diesen Schmelztiegel der Religionen. Aber ob das Grab nun hier oder dort war, der Abendmahlssaal richtig lokalisiert ist oder Jesus wirklich an genau diesem Ort geweint hat, wo sich heute die Kirche „Dominus flevit“ erhebt, berührt mich wenig. Ich stehe staunend vor der langen Tradition dieser Orte und spüre gleichzeitig, dass die Geschichten, die dort verortet werden, sich in mir, in meinem Inneren abspielen müssen.
Das Wort von Angelus Silesius aus dem 17.Jahrhundert bewahrheitet sich wieder einmal: „Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, und nicht in dir: Du bliebest doch in alle Ewigkeit verloren.“ Gerne will ich die Orte zum Anlaß nehmen, um nachzudenken, mich zu besinnen und festzustellen, dass die alten Geschichten auch von meinem Leben erzählen: ich erlebe es auch, dass ein Stück Himmel auf Erden kommt wie damals bei den Hirten in Bethlehem (Lk 2). Ich kenne auch tränenreiche Stunden in meinem Leben und finde mich wieder im dem Wort des Psalms 56: „Sammle meine Tränen in deinem Krug“. Und ich bin dem österlichen Leben auf der Spur – um nur einige Beispiele zu nennen.
Ich freue mich in dem Land zu sein, dass Jesu irdische Heimat war. Es inspiriert mich. Gelassen kann ich die Menschenmassen sehen, die sich in die Grabeskirche, in die Geburtskirche oder an andere Orte drängen und dort oft stundenlang warten müssen, um für ein paar Sekunden an dem Ort sein zu können, der seit Jahrhunderten mit einer Stelle aus dem Neuen Testament verbunden wird. Ich brauche kein Kreuz auf der Schulter, um den Kreuzweg zu gehen, und erst recht keine Dornenkrone auf dem Kopf, auch wenn es sie im Angebot gibt.
Der Hasen und der Löffel drei
Wer nach Paderborn kommt, staunt: hier öffnet sich ein Fenster in die (Kirchen-)Geschichte unseres Landes. Die Stadt über (!) der Pader wurde von Karl dem Großen an der Kreuzung zweier wichtiger Straßen gegründet. Die Zerstörungen des II.Weltkrieges haben die Zeugnisse der Vergangenheit wieder ans Licht gebracht.
Die Touristen zieht es zu dem Hasenfenster, von dem jedes Schulkind lernt:“ Der Hasen und der Löffel drei und doch hat jeder Hase zwei“. Sie passieren die Bartholomäus Kirche, die älteste Hallenkirche nördlich der Alpen.
Im Dom erinnert sich der Besucher an den Hl. Liborius, den Kirchen-, Stadt- und Diözesanpatron, dessen Verehrung untrennbar mit der Stadtgeschichte verbunden ist. Ein wahrhaft europäischer Heiliger, der einmal im Jahr mit der Liborius-Woche geehrt wird, und der als Chefredakteur der katholischen Hauspostille „Liborius-Blatt“ – aber dies ist wohl mehr ein Gerücht.
Wer mit offenen Augen bzw gut geführt durch die Stadt geht, begegnet auch dem Adam und Eva-Haus, einem Renaissance Fachwerkbau, der nicht nur die Geschichte aus dem Paradies erzählt.
Ein erster Tag auf dieser Reise des Bauvereins – mit viele interessanten Eindrücken.
Zukunftsorientierte Pastoral statt Museum
Als die Augustiner vor 6 Jahren die Kirche in der Würzburger City neu gestalteten, hatte die Pastoral den Primat vor einem rückwärtsgewandten Denkmalschutz. Es wurde ein Gottesdienstraum geschaffen, der viele Menschen anzieht. Eine zukunftsorientierte Gestaltung in einem alten Gemäuer. So kann Kirche überleben!
Ein „Zwischenraum“ für die Trauer der Menschen lädt alle Trauernden und Traurigen zum Verweilen ein. Ein Kreuzweg „aus der Sicht“ Jesu lässt den Gefühlen des Betrachters Raum. Links: Jesus am Kreuz sieht noch einmal die Stadt Jerusalem. Rechts: Jesus stirbt am Kreuz und blickt hinein in ein ewiges Licht. In der Mitte: Jesus am Karsamstag.
Sein letztes Marienbild
Für die Wallfahrtskirche „Maria im Weingarten“ schuf Tilmann Riemenschneider 1521 die Rosenkranzmadonna. Damals erhoffte man sich eine Wiederbelebung der Wallfahrt zur schmerzhaften Mutter (Pieta aus dem Jahre 1340). Martin Schongauer mit seinen Grafiken lieferte die Vorbilder für die Darstellungen in den 5 Medaillons der Rosenkranzmadonna, die von 50 (5×10) Rosen umgeben ist. Eine AnnaSelbdritt aus der Riemenschneider-Umgebung komplettiert die Andachtsbilder in der kleinen Kirche aus dem 15.Jahrhundert.
Jesus, das arme Schwein
Es ist nicht zu leugnen, unsere Kirche, wir haben ein Sprachproblem. Obwohl wir uns auf allen Kanälen zu Gehör bringen, werden wir nicht mehr verstanden, weil die Bilder, die wir im Kopf haben, nicht mehr kompatibel sind mit den Bildern unserer Gesprächspartner.
Ein Beispiel: gestern hieß es im Evangelium: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt.“ Wenn das jemand gehört hätte, der nicht sehr viel Ahnung, nicht sehr viel Praxis des Glaubens hat, er hätte nur „Bahnhof“ verstanden. Diejenigen, die sich in der Bibel und im Katechismus auskennen, haben dagegen sofort die Texte und Bilder im Kopf parat: das Bild vom Lamm, das zur Schlachtbank geführt, den Kreuzestod Jesu, das Gottesknechtlied des Propheten Jesaja usw.
Aber der Mensch, der fremd in unsere Mitte kommt: was versteht der? Lämmer kennt er allenfalls aus dem Streichelzoo oder in Knoblauch gegart auf dem Teller.
In einer Predigthilfe fand ich eine provokante Formulierung (von Andreas Fink), die mich zum Nachdenken brachte. Statt „Seht das Lamm Gottes!“ „übersetzte“ er: „Seht das arme Schwein Gottes!“
Da mag mancher Fromme denken, dies sei vielleicht schon Gotteslästerung. Aber ist es nicht so? Jenseits aller theologischen Formulierung müssen wir feststellen: Jesus ist ein armes Schwein gewesen.
Er wird unterwegs geboren, während seine Eltern auf Reisen sind. Bei den Menschen, in ihren Häusern und Gaststätten findet die Gebärende keinen Platz. Er kommt in einem Stall zur Welt, hat keine feine Wiege, sondern wird in eine Futterkrippe gebettet.
Die ersten Menschen, die von ihm Notiz nehmen, sind Hirten, Menschen ohne ehrenwerten Beruf. Auch sie waren arme Schweine.
Der erwachsene Jesus war kein rundum beliebter Zeitgenosse. Er war ein Querdenker, ein Exot, ein Wanderprediger, für manche gar: ein religiös Verrückter. Einfache Leute, Fischer vom See Genezareth, liefen hinter ihm her. Und schließlich krepiert er qualvoll am Galgen, auf einem Hügel, draußen vor der Stadt. Für die Menschen, die ihn am Kreuz sterben sahen, war dieser Mann einer, dem es richtig dreckig ging. Jesus war in der Tat ein armes Schwein.
Ich gebe zu: „Das arme Schwein“ ist kein Hochdeutsch, sondern eher Umgangssprache. Aber die ungewohnte Formulierung öffnet einen anderen Zugang zu dem Text.
Jemanden als „armes Schwein“ zu bezeichnen, birgt die Gefahr, ihn hochnäsig, mitleidig, von oben herab zu betrachten. Davor will Jesus selbst uns bewahren, in dem er sich bei seiner Taufe nicht nur in eine Reihe mit den „armen Schweinen“ der damaligen Gesellschaft stellt, sondern weil er uns in seinem Evangelium sagt: Ihr begegnet mir in diesen Menschen.
Denn die Hungrigen, die Durstigen, die Nackten, die Kranken, die, die im Gefängnis sitzen – das sind alles „arme Schweine“, um noch einmal diesen Begriff zu gebrauchen. Das was Ihr ihnen getan habt, das habt Ihr mir getan, sagt Jesus uns.
„Das arme Schwein“ – ein Beispiel dafür wie plötzlich ein biblischer Text anders, vielleicht auch verständnisvoller zu uns spricht. Auch wenn diese umgangssprachliche Formulierung theologisch nicht in die Tiefe geht. Aber unter uns leben viele religiöse Analphabeten. Ihnen müssen wir uns verständlich machen. Solange wir das als Kirche nicht tun, schauen wir hochnäsig auf sie herab, machen sie zu „armen Schweinen“ – oder wie immer wir sie beschreiben wollen.
Greccio – Bonn
Greccio 19.10.2013
Wie an den Felsen geklebt erscheint das Kloster von Greccio. Dort hat der Heilige Franziskus 1223 die erste Krippendarstellung gebaut. Die Menschen sollten mit eigenen Augen sehen, in welcher Einfachheit Gott Mensch wurde. Nicht im Palast der reichen Herren, sondern in der Armut des Stalles von Bethlehem. Die Menschen seiner Zeit haben das Zeichen verstanden. Der Wald von Greccio war erfüllt von den Lobgesängen der Menschen. Inzwischen sind die Krippen in unseren Häusern zur Wohnzimmer-Dekoration verkommen und auch in vielen Kirchen ergötzt man sich an kunstvollen Darstellungen ohne sich von dem Ereignis selbst berühren zu lassen. Die Krippe im Bonner Münster an diesem Weihnachtsfest 2013 will dem Vorbild des Heiligen Franziskus nacheifern: so wie er das Weihnachtsgeschehen im Wald von Greccio ansiedelte, so werden wir das Ereignis von Bethlehem in der Kulisse unserer Stadt darstellen. Das wird manche Betrachterin und manchen Betrachter verwirren, aber hoffentlich wird die Botschaft genau wie hier in Greccio verstanden.
Das Tor ist offen – in ein (noch) unbekanntes Land
Tore und Türen gibt es seitdem Menschen sich Häuser und Städte gebaut haben. Wir kennen alte Pforten, schmucke Haustüren, einfache Scheunentore, hochherrschaftliche Portale, Eingangstüren zu Kirchen und Klöstern – Türe und Tore in allen Variationen, oft geben sie uns Auskunft, über das, was uns dahinter erwartet.
Für mich ist der Jahreswechsel immer wie ein Tor, das wir durchschreiten in ein Gebäude, in eine Stadt, in ein Land, das noch niemand betreten hat. Es wird auch von uns abhängen, wie wir es nach 12 Monaten verlassen werden.
Zuerst aber schließt sich in dieser Nacht hinter uns ein Tor. Das Jahr 2012 geht zu Ende. Jeder und jede von uns zieht in diesen Tagen im Stillen Bilanz: was hat das Jahr mir gebracht? Persönlich, beruflich. Für den einen gab es eine neue Arbeitsstelle, für andere einen Studienplatz oder den Einstieg in den wohlverdienten Ruhestand nach einem langen Arbeitsleben. Viele feierten Hochzeit, viele hielten ihr erstes Kind im Arm, andere trennten sich, standen vor den Scherben ihrer Beziehung. Schmerzvoll war die schwere Operation, die plötzliche Erkrankung. Traurig war der Tod eines lieben, vertrauten Menschen, traurig war der Abschied aus einer gewohnten Umgebung. Aufregend der Aufbruch in neue Welten. Jeder und jede hat seine eigenen Bilanz.
Als Stadtdechant schaue ich zufrieden auf das Jahr zurück. Was in unseren Gemeinden, in den Vereinen und Verbänden, in den kirchlichen Institutionen, in den kirchlichen Kindertagesstätten, Schulen, Altersheimen und Krankenhäusern tagtäglich geleistet wird, produziert zwar keine Schlagzeilen und taucht in den üblichen Jahresbilanzen der Medien nicht auf. Aber ohne dieses Engagement von Hauptamtlichen und vielen Ehrenamtlichen wäre unsere Stadt ärmer und kälter.
Die Tür 2012 wird unwiderruflich hinter uns geschlossen. Es bleiben uns nur noch ein paar Stunden, um vielleicht das eine oder andere wieder gut zu machen oder ins Lot zu bringen.
Vor uns liegt ein neues Jahr, seine Tür ist noch verschlossen. Nach dem Willen des Papstes soll es eine „Tür des Glaubens“ sein, die nicht erst um Mitternacht geöffnet werden wird, sondern die uns offen steht seit unserem ersten Atemzug.
Ein „Jahr des Glaubens“ hat Benedikt XVI. ausgerufen. Da geht es natürlich zuerst einmal um unseren ganz persönlichen Glauben. Das, was uns vertraut ist, soll noch einmal aus der einen oder anderen Perspektive betrachtet, soll verstärkt werden, und uns so helfen, als glaubende Menschen zu leben.
Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben„, bekennen die Apostel in der Apostelgeschichte. Der Glaube drängt danach, öffentlich zu sein. Besonders angesichts der Tatsache, dass immer mehr Menschen die Türe des Glaubens nicht durchschreiten, sondern für sich selbst verschließen.
Viele Menschen in unserem Land sind lange den falschen Propheten auf den Leim gegangen, die der Meinung waren, Religion solle Privatsache sein. Religion habe in der Öffentlichkeit nichts zu suchen und der Staat müsse sich weltanschaulich neutral verhalten. Deshalb sei der öffentliche Raum von religiösen Symbolen und Inhalten freizuhalten und Religion haben nur in Kirchen, Tempeln und Moscheen stattzufinden.
In der Tat: die Politik tut sich schwer, religionspolitische Themen anzupacken. Die jüngste Debatte um die Beschneidung hat dies deutlich gemacht. Dabei hat die Mehrzahl der Bevölkerung ein religiöses Bekenntnis und dokumentiert dies auch öffentlich. Deshalb müssen wir uns dagegen wehren, dass die Religion in die Gotteshäuser abgedrängt wird. Wir brauchen keine Privilegien, sondern den öffentlichen Diskurs. Ein Beispiel: wir Christen müssen im Stande sein, unseren nichtchristlichen Zeitgenossen zu erklären, welche die Konsequenzen unser Glaubens an den Schöpfergott für Beginn und Ende des menschlichen Lebens hat, oder ganz praktisch, warum es beispielsweise gut sein soll, den Sonntag arbeitsfrei zu halten.
Ich will nicht einer religiösen Politik das Wort reden oder eine politische Religion fordern. Wohin das führt, können wir in anderen Teilen der Welt sehen. Die Politik braucht die Religion, damit sie selbst nicht religiös wird – die Religionen brauchen die Politik, damit sie zivil bleiben.
Aber es geht darum, dass die eigene Überzeugung, die eigenen Werte sich auch im politischen Handeln ausdrücken. Wer statt der eigenen Werte den Populismus zum Masstab macht, sein Mäntelchen nur in dem Wind der öffentlichen Meinung hängt, dessen Tun wird hohl und unglaubwürdig. Dies gilt für Politiker und auch für Kirchenleute, für Wirtschaftsleute genauso wie für Lehrer. Wir brauchen Menschen mit Überzeugungen, die man nicht an der Garderobe des Welttheaters abgibt – gleich welche Vorstellung gerade gespielt wird.
Die überall propagierte weltanschauliche Neutralität gibt es letztlich nicht! Die Art und Weise, wie ich die Welt anschaue und das meint „Welt-anschauung“, ist von vielen Dingen geprägt. Von Umwelt, Erziehung, Bildung, politischer Einstellung, und erst recht von meiner Religion, ob sie nun christlich, jüdisch, muslismisch, buddhistisch oder areligiös ist. Weltanschauliche Neutralität bedeutet oft, dass man allen ein bißchen Recht gibt. Aber dadurch werden Probleme nicht gelöst, sondern nur verdeckt.
Deshalb gilt für alle Christen in dieser Stadt: bekennen Sie sich zu ihrem Glauben in ihrem alltäglichen Handeln, in der Politik, der Wirtschaft, in der Forschung, wo auch immer. Wir können nicht einerseits den Fundamentalismus beklagen, sei es in der eigenen, sei es in der anderen Religion und andererseits unbeteiligt zuschauen und unsere eigene Überzeugung zur Privatsache erklären.
An der Schwelle des neuen Jahres möchte ich mir und uns allen mit den Worten des seligen Johannes Paul II. zurufen: „Habt keine Angst! Öffnet, ja reißt die Tore weit auf für Christus!“
Unsere Stadt hat nicht nur christliche Wurzeln und eine maßgeblich von Christen bestimmte Geschichte. Sie muss auch eine christliche Gegenwart haben, die wir gerne gestalten im Dialog mit den anderen Religionen wissend „um die gemeinsame Verantwortung für die Gesellschaft, für den Staat, für die Menschen“. (Benedikt XVI.)
(c) Foto: pixelio/Andrea Damm
Weihnachten – Das Fest der Sympathie Gottes mit uns
„Viele halten Weihnachten für ein verlogenes Fest, weil so viel von Liebe gefaselt wird, der Alltag aber dann wieder ganz anders aussieht.“ So klagte Kardinal Lehmann in einer Tageszeitung schon zu Weihnachten 2009. Aber nicht nur unsere kleine eigene Welt sieht so ganz anders aus als dieses Fest. Auch die große Welt scheint ihm zu widersprechen: Millionen von Menschen verhungern, Naturkatastrophen bringen immer wieder neues Leid, Wirtschaftskrise, Finanzmarkt- und Bankenkrise verschärfen die soziale Situation, bewaffnete Konflikte flammen immer wieder auf und der Terrorismus verbreitet seine Angst.
Lohnt es sich da überhaupt noch nach Bethlehem zu gehen oder schaffen wir nicht besser selbst zuerst einmal Ordnung?
Wo überhaupt ist Bethlehem? Der geographische Ort scheint nicht das Ziel zu sein. Die Stadt und die benachbarten Ortschaften sowie die sogenannten Hirtenfelder sind heute Teil der palästinensischen Autonomiegebiete. Unmittelbar nördlich der Stadt verläuft die Sperranlage mit der teilweise 8 m hohen Mauer. Eine deprimierende Situation!
Aber es gibt Bethlehem nicht nur auf den Karten dieser Welt. Es ist vor allem ein Ort auf der Landkarte unsere Seele. Dort, wo wir einerseits spüren, was alles nicht in Ordnung ist, wo wir selbst leiden, erfahren, wer und was uns alles fremdbestimmt, und wo wir andererseits unsere Sehnsucht erleben nach Frieden und Zufriedenheit, nach Harmonie und Heil, nach Liebe die wir empfangen und Liebe die wir verschenken können.
Dorthin wollen wir uns aufmachen, weil wir nur dort die Botschaft verstehen können, die uns heute verkündet wird.
„Der Sohn Gottes hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden“ – so bekennen wir das, was wir heute feiern, im Glaubensbekenntnis. „Ein Skandal für den modernen Geist“ (Benedikt XVI.) Dass Gott auf diese Weise Mensch wird, stört die weit verbreitete Überzeugung, Gott dürfe zwar in Ideen und Gedanken wirken – aber nicht an der Materie. Genau das aber ist der springende Punkt: „wenn Gott nicht auch Macht über die Materie hat, dann ist er nicht Gott.“ (Benedikt XVI.)
Gott wird Mensch, wird einer von uns, mit unseren Schmerzen, mit unseren Leiden, mit unseren Freuden, und auch mit unserem Tod. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab,“ so wird Jesus selbst im Gespräch mit Nikodemus dies kommentieren. Gott hat also Sympathie für uns Menschen, nicht in dem banalen Sinn, dass wir jemanden sympathisch oder unsympathisch finden, sondern in der ursprünglichen Bedeutung „sym-patheia“ Mit-leiden. „Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“, schreibt der Apostel Paulus in seinem Brief an die Philipper.
Gott hat Sympathie für uns Menschen bis hinein in den Tod, den er mit uns teilt – jetzt kommen wir alle mit ins Spiel. Es mag zwar hier wie im Theater zugehen: schöne Musik, emsige Akteure, hoffentlich gute Worte, aber hier wird kein Stück gespielt, hier gibt es keine Zuhörer oder Zuschauer, hier ist jeder mitten drin.
Gott hat Sympathie für jeden einzelnen von uns – ganz gleich wer wir sind, ganz gleich, was wir mitbringen, ob wir unsere Erfolge, unsere Fähigkeiten, unser Können vor uns her tragen, oder ob wir damit beschäftigt sind, die Scherbenhaufen im Leben zusammenzukehren, Zerbrochenenes zu kitten oder Zerrissenes zu flicken. Gott hat Sympathie für uns – verstehen können wir das nur im Bethlehem unserer Seele.
Was das konkret bedeutet, haben wir hier vorne versucht, darzustellen und möchten wir auch mit dem Titelbild unseres Liedblattes illustrieren.
Hier vorne haben wir das Kind eben auf einen Brotteller gelegt, um anzudeuten, dass er die Nahrung sein will, die uns das eigentliche Leben schenkt. Gott macht sich für uns zum Brot, das uns täglich nährt, ohne dass wir nicht leben und nicht überleben können. Das haben wir uns nicht ausgedacht, das hat schon der heilige Augustinus so gesehen.
Und auf dem Liedblatt noch einmal anders dargestellt: wir sehen den Heiligen Franziskus, der das Jesuskind hoch hebt, davor einen Priester, der die Hostie in den Händen hält, und daneben die Krippe. In ihr eine geöffnete Bibel, eine Schale mit Hostien und ein Kelch mit Wein. So erfährt der glaubende Mensch auch heute den Menschgewordenen Gott: in der Schrift und in der Feier der Eucharistie, der heiligen Messe. Weihnachten ist nicht etwas, das irgendwann einmal war; sondern hier und jetzt, in dieser Stunde, erleben wir es.
Bethlehem, wir haben es übersetzt „Brothausen“, ist also nicht nur ein Ort in Palästina, finden wir nicht nur auf der Landkarte unserer Seele, jede Kirche ist Bethlehem.
So wie die Hirten, die zur Krippe kamen, so wie die Weisen aus dem Morgenland, die den neugeborenen König suchten, können auch wir nicht bleiben, sondern müssen wieder aufbrechen, hinaus in unseren Alltag, der uns auch hierher geführt.
Aber wir nehmen von hier die Botschaft mit, dass Gott Sympathie hat für den Menschen. Das Kind von Bethlehem bestätigt unsere Menschenwürde, es lässt uns spüren, wir sind Gott etwas wert, jeder Mensch ist Gott etwas wert.
So wie Gott für uns Brot geworden ist, das lebensnotwendig ist so können wir die Botschaft von Weihnachten weiter tragen wenn wir einander zum Brot werden, genießbar, nährend und stärkend. Wir müssen nicht mit allen Menschen heute anfangen, wenn wir es an diesem Fest mit einem schaffen, dann verändert sich schon die Welt.
Bildnachweis: Titel: Sieger Köder, Weihnachten in Greccio, Kinderdorf Ellwangen, Franziskuskapelle, Rechte und Genehmigung durch Schwabenverlag –
Miteinander teilen – auf dem Weg nach Brothausen – Predigt am 4.Advent 2012
Wir sind fast am Ziel. Das Ortsschild „Brothausen“ steht vor uns. Noch ein paar Schritte, nur noch eine kurze Weile und wir erreichen Brothausen, Bethlehem. Das deckt sich auch mit der Erfahrung unseres Alltags: die meisten Vorbereitungen sind getan, die Weihnachtsbäume geschmückt, die Geschenke eingekauft, das Essen vorbereitet.Da kann man sich schon fast genüsslich zurücklehnen und den alten Text in der Lesung genießen, der einem seit Kindertagen vertraut ist: Du, Betlehem-Efrata, so klein unter den Gauen Judas, aus dir wird mir einer hervorgehen, der über Israel herrschen soll. Das Wort des Propheten Micha, das noch einmal eine Rolle spielen wird bei der Begegnung der drei Weisen aus dem Morgenland mit König Herodes.
Man könnte so richtig in Weihnachtsstimmung kommen, wenn der Kontext nicht wäre, in dem die Worte des Propheten Micha gesprochen wurden.
Wir wissen nicht viel über ihn, er lebte etwa 600 Jahre vor Christi Geburt. Vermutlich war er ein einfacher Mann, ein Schafzüchter oder Bauer; denn in vielem, was er im Auftrag Gottes den Reichen und Mächtigen von damals sagte, klingt die Erfahrung, die Wut und der Zorn des geschundenen kleinen Mannes mit. Uns würde die Laune vergehen, würden wir alles hören, was er den Menschen seiner Zeit zu sagen hatte.
Seiner Zeit? Oder vielleicht doch auch unserer Zeit?
Weh denen, die auf ihrem Lager Unheil planen und Böses ersinnen. Wenn es Tag wird, führen sie es aus; denn sie haben die Macht dazu. Sie wollen Felder haben und reißen sie an sich, sie wollen Häuser haben und bringen sie in ihren Besitz. Sie wenden Gewalt an gegen den Mann und sein Haus, gegen den Besitzer und sein Eigentum. – Wer denkt bei solchen Worten des Propheten nicht an die Immobilien Spekulanten unserer Tage, an die, die Häuser kaufen, modernisieren und die Mieter auf die Straße setzen, die anschließend die hohen Mieten nicht mehr bezahlen können?
Sie fressen mein Volk auf, sie ziehen den Leuten die Haut ab / und zerbrechen ihnen die Knochen; sie zerlegen sie wie Fleisch für den Kochtopf, / wie Braten für die Pfanne. – Auch das klingt sehr aktuell angesichts einer Finanz- und Wirtschaftskrise, die Reiche reicher und Arme ärmer werden läßt. Nicht irgendwo, fern ab in Griechenland, sondern hier vor unserer Haustür „Wohlhabende Stadt mit vielen Armen In Bonn ist die Schere zwischen Reich und Arm besonders ausgeprägt“, titelte in dieser Woche die Zeitung als der Armutsbericht der Bundesregierung vorgelegt und von den Wohlfahrtsverbänden kommentiert wurde.
Und auch dieses Wort beschreibt keineswegs nur die Zustände vor über 2500 Jahren: Verschwunden sind die Treuen im Land, kein Redlicher ist mehr unter den Menschen. Alle lauern auf Blut, einer macht Jagd auf den andern. Sie trachten nach bösem Gewinn und lassen sich’s gut gehen. Angesichts mancher Nachrichten möchte man meinen, das Wort des Propheten reicht bis in unsere Tage.
„Wo um Gottes Willen soll denn das schließlich hinführen?“, fragte mich in den letzten Tagen eine ältere Frau, die mit all den schlechten Nachrichten, die auf uns einströmen nicht mehr zurechtkam?Wo soll denn das alles hinführen? Vielleicht haben sich das auch die Zuhörer des Mischa gefragt, denen er in all ihrer Verzweiflung auch Hoffnung geben wollte. Immer werden Kinder geboren, selbst unter den grausamsten Zuständen, und unter ihnen wird eines Tages eins sein, sagt Micha, aus dem für die geplagten Menschen wirklich ein Segensbringer werden wird.
Das macht die Sache für uns heute nicht einfach. Glauben wir doch, daß in Jesus Christus der Messias bereits gekommen ist. Aber wir stellen fest: Es gibt nicht weniger Unzufriedenheit und nicht weniger Mißmut, es herrscht nach wie vor Krieg und tagtäglich von Menschen produziertes Leiden.
Hat die messianische Hoffnung bzw. deren Erfüllung in Jesus von Nazareth deshalb ihre Kraft verloren? Hat sie versagt? Haben nicht doch jene recht, die sich im Namen der Vernunft, der Profitmaximierung oder welcher Maxime auch immer gar nicht auf diese Hoffnung einzulassen, die stattdessen schon längst ihre Felle ins Trockene gebracht haben?
„Und er wird der Friede sein“ sagt Micha von dem Herrscher, der geboren wird.
Frieden – im Hebräischen „Shalom“, ein Wort, das über die landläufige Bedeutung von Frieden weit hinausgeht und auch Dimensionen wie Heil, Wohlergehen, Glück, Leben in rechter Ordnung etc. miteinschließt – alles, das man nicht kaufen kann, das dort heranwächst, wo Menschen es miteinander teilen.
Das ist die Antwort. Deshalb stehen unsere beiden Menschen kurz vor Brothausen und teilen miteinander das Brot, wohlwissend, es geht beim täglichen Brot, nicht nur um das Lebensmittel für unseren Leib, vielmehr sind auch ganz andere Grundbedürfnisse gemeint, die um eines menschenwürdigen Lebens willen befriedigt sein wollen.
Teilen tut gut. In einem neuen geistlichen Lied heißt es: „Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht und das Wort, das wir sprechen, als Lied erklingt, dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut…
Wir erleben es in unserem eigenen Leben: die Anhäufung materiellen Reichtums kann unseren Hunger und Durst nach einem erfüllten Leben nicht stillen. Was für unsere kleine Welt gilt, das gilt auch für die globalen Zusammenhänge: unsere Welt kann nur überleben als eine menschenfreundliche Welt, wenn sie lernt, zu teilen.
Wenn jeder gibt, was er hat, dann werden alle satt! Die Menschen auf unserem Weg nach Brothausen sind kurz vor dem Ziel. Sie werden nur ankommen, wenn sie teilen.