Wenn man den Medien glauben darf, dann hat der Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten bei den Europawahlen, Martin Schulz am Donnerstagabend in einer Fernsehdebatte zur Europawahl am 25. Mai gesagt, jeder solle persönlich seinen Glauben zeigen können, der öffentliche Ort jedoch müsse „neutral“ sein. Es gebe in Europa „das Risiko einer sehr konservativen Bewegung zurück“. Dies müsse in Sinne der Anti-Diskriminierung „bekämpft“ werden. Unter PR-Gesichtspunkten kann man sich schon wundern, weshalb Schulz wenige Meter vor dem Zieleinlauf noch dieses Faß aufmacht. Andererseits bestätigt sich, was wir in unserer Gesellschaft allerorts auch in Bonn beobachten: die Verleugnung der geschichtlich-kulturellen Wurzeln und eine Angst vor jeder religiösen Festlegung. Die „weltanschauliche Neutralität“ – was immer das auch ist – und die „Äquidistanz“ zu allen Religionen wird zur Maxime des Handelns erhoben.
Der hl. Johannes Paul hat schon 2003 gefordert: „Europa, kehre du selbst um! Sei du selbst! Entdecke wieder deine Ursprünge. Belebe deine Wurzeln!«
Europa hat viele Wurzeln:
die griechisch – antike Wurzel – hat uns die Demokratie geschenkt, die nicht bloß Volksherrschaft in der Beliebigkeit von Mehrheiten ist, sondern die – wie schon Platon gesagt hat – an die „Eunomie“ – an das „gute Recht“ gebunden ist.
die christlich – griechische Wurzel – Paulus gelingt die Verkündung Jesu Christi in einer Synthese zwischen dem Glauben Israels und dem griechischen Geist. Hier müssen wir die Überzeugung ansiedeln, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, weil der Mensch von Gott geschaffen, geliebt, erlöst, begabt und berufen ist.
die christlich – lateinische Wurzel –
Die „Res publica christiana“ des Mittelalters stellte sich dar in einem Rechtssystem, das Stämme und Nationen übergreifend war, in einer gemeinsamen Kultur, in Universitäten, deren Gelehrte für uns kaum vorstellbare Wege zurücklegten und so zeigten, dass es für das Wissen keine Grenzen gibt. Die Konzilien des Mittelalters sind so etwas wie „europäische Konferenzen“ gewesen.
die christlich – slawische Wurzel
Im 9. Jahrhundert wirkten die Brüder Cyrill und Methodius im byzantinischen Reich: Um die slawischen Völker zu evangelisieren, schufen sie ein Alphabet für ihre Sprache. So konnte die kulturelle Identität dieser Völker gewahrt werden.
Wer die Wurzeln vergisst, kann weder die Gegenwart bestehen, noch an der Zukunft mitbauen. Vielleicht ist das ein Problem des Kontinents, in dessen geplanter Verfassung das Wort „Gott“ nicht auftauchte. Wir verleugnen unsere Geschichte, die geprägt ist vom Christentum, dessen Zeichen das Kreuz ist.
Wer auf die Geschichte Europas schaut, sieht bei aller Unzulänglichkeit immer Menschen am Werk, die einen Plan im Herzen trugen, den Johannes uns in seiner Offenbarung übermittelt. Eine Stadt ohne Trauer, ohne Klage, ohne Mühsal. Das himmlische Jerusalem. Eine großartige Vision, die nicht nur der Zukunft vorbehalten bleiben soll. Mitten unter uns soll die „Neue Stadt“ Wirklichkeit werden. Der „Stadtplan“ des himmlischen Jerusalems ist auch ein Plan für das Europa der Zukunft. In ihm brauchen wir die unbedingte Wertschätzung des einzelnen Menschen.
Unser Bonner Münster ist erbaut über den Gräbern „europäischer Heiliger“, deren Verehrung heutige Grenzen überschritten hat. Mit ihnen bezeugen wir unseren Glauben in Europa.
Wir wissen aus der jüngsten Vergangenheit, dass der Mensch, der sich von Gott emanzipiert, sich selbst, irgendeine Idee, eine Sache zu Gott, zum letzten Maßstab machen muss. In dieser Anmaßung meint er auch über menschliches Leben verfügen zu können. Der Mensch, der sich selbst als Gott aufspielt, tötet am Ende Menschen.
Deshalb wehre ich mich gegenüber allen neutralen Tendenzen. Sie zerstören unsere Identität. So wie ich die religiösen Wurzeln anderer Länder und Kontinente achte, so erwarte ich auch, dass unsere respektiert werden und dass sie auch in aller Öffentlichkeit gezeigt werden dürfen.
Wenn ich einer anderen Religion abgehören würde oder Atheist wäre, ich würde genüsslich zuschauen, wie sich das christliche Europa selbst abschafft, indem es sich von seinen Wurzeln abschneidet.
Martin Schulz – daran beteilige ich mich nicht!