oder: wenn der Pfarrpatron plötzlich mit einem spricht.
Predigt beim Patrozinium in Dernau
Beim Adventskonzert vor knapp zwei Wochen hatte ich einen besonderen Platz. Ich saß dort rechts außen und hatte einen guten Blick auf die Figur des Heiligen Johannes, der sich dort hinter dem Weihnachtsbaum jetzt etwas versteckt.
Dort steht er, zu Füßen den Adler, sein Symboltier, und in der Hand einen Kelch, aus dem eine Schlange hervorlugt. Das erinnert an die Legende, die von ihm erzählt wird.
Am meisten faszinierte mich, dass der Künstler des 18.Jahrhunderts diese Figur so dynamisch dargestellt hat. Gegensatz zu den Heiligen Silvester, Sebastian und Quirinus, die steif und starr hier auf ihren Podesten stehen, steckt in der Figur des Johannes Bewegung drin.
Vielleicht ist das eine erste Aufforderung unseres Pfarrpatrons: seid eine Gemeinde in Bewegung. Wir erleben es, die Welt dreht sich schnell, manchmal zu schnell. Wir müssen nicht hinterher hecheln, sondern mit ihr in Bewegung bleiben, alles prüfen und das Gute behalten.(1 Thess 5,21)
Als ich da saß, der wunderbaren Musik lauschte, habe ich den heiligen Johannes gefragt, was willst du uns denn noch sagen? Ich meine zwei Fragen und zwei Aufforderungen gehört zu haben – aber vielleicht habe ich mich auch verhört. Sie können es selbst überprüfen.
Das erste, was ich von ihm hörte: Schau im ersten Kapitel meines Evangeliums nach. Dort findest Du das erste Wort Jesu in meinem Evangelium. (Joh 1,35-39)
Jesus beginnt sein öffentliches Wirken mit einer Frage. Er fragt die Schüler des Täufers, die ihm neugierig nachgehen: „Was sucht ihr?“ Eine Frage, die ins Herz trifft.
Unsere Existenz ist eine fragende Existenz. Kinder können nerven mit ihren Fragen. Durch Fragen lernen sie ihre Welt kennen. Fragen öffnen für das Neue. Sie halten Überraschungen für uns bereit,
Was suchst du? fragt Jesus auch mich. Was suchst du? Ja, was suche ich? Es ist nicht die Frage was muss ich tun, oder wie soll ich denn sein? Es geht nicht darum, was ich darf und was nicht, sondern es geht darum, wer ich bin. Was bewegt mich?
Die Antwort auf diese so knappe Frage Jesu kann viele Jahre beanspruchen.
Die Antwort, die die Jünger im Johannes Evangelium geben, klingt etwas seltsam, so als seien sie in ihrer Neugier ertappt worden: „Wo wohnst du?
„Und jetzt“, sagt mir der Apostel und Evangelist Johannes, „schau genau hin. Das zweite Wort Jesu im meinem Evangelium ist eine Einladung nicht nur an die fragenden Jünger: Kommt und seht!“
Sie gingen mit ihm und sahen, wo er wohnte. Und dann kommt ein Satz, der mich immer neu fasziniert: „es war um die zehnte Stunde“. Das erinnert mich daran, wie mir Goldhochzeitspaare oft erzählen, dass sie noch genau wissen, wann, wo und wie es gefunkt hat.
Der Evangelist Johannes erinnert sich auch noch nach 50 Jahren: als wir mit diesem Jesus zusammen waren, das war nachmittags um 4 Uhr. Da muss etwas passiert sein zwischen Jesus und den Jüngern, etwas, dass sich so tief in die Seelen eingeprägt hat, dass sie sich noch nach Jahrzehnten an den Zeitpunkt erinnerten.
Und da bin ich bei unserer Gemeinde. Jeder Gemeinde in der Nachfolge Jesu ist aufgetragen, wie der Herr immer wieder die Menschen einzuladen „Kommt und seht!“ Finden sie bei uns das, was Johannes in seinem ersten Brief schriebt: Denn das ist die Botschaft, die ihr von Anfang an gehört habt: Wir sollen einander lieben? – Und vor allem: hinterlässt das Spuren in ihnen?
Das ich schon eine Menge Johannes, das uns beschäftigt. Du hast von zwei Fragen und zwei Aufforderungen gesprochen. Was denn noch?
Und ich hörte, wie er mir sagt: Blättere jetzt ganz ans Ende meines Evangeliums, in das letzte Kapitel. Da liest Du das letzte Wort Jesu in meinem Text, gerichtet an Simon Petrus: Du folge mir nach!
Jetzt wird es ernst! Nicht nur Hören, nicht nur sagen „Herr, Herr!“ sondern auch nachfolgen, hinter ihm hergehen, sich von ihm die Richtung zeigen lassen. Auch dieser Aufforderung geht eine Frage voraus: „Simon, hast Du mich lieb?“ Wörtlich übersetzt: „Bist Du mir Freund?“ (Joh 21,15-22)
Jesus lieben – ganz schön schwer. Aber ihm Freund sein. Das kann ich schon eher.
Das Gegenteil von Liebe ist nicht der Hass, sondern die Gleichgültigkeit. Die Gleichgültigkeit macht, dass der andere uns egal ist, es ist als existiere er nicht. Einander gleichgültig sein – ist auch das Ende jeder Freundschaft.
Hast Du mich lieb? Willst du mir Freund/Freundin sein? , fragt Jesus auch mich. Ich kann jetzt antworten, indem ich das Credo aufsage oder andere fromme Texte. Aber Freundschaft hat etwas mit Leidenschaft zu tun, manchmal auch mit etwas verrückt sein. Auf jeden Fall aber ist der Freund in mir lebendig, prägt er mein Leben und nicht nur die Sonn- und Feiertage. Nur, wenn ich dazu bereit bin, kann ich der Aufforderung nachkommen „Du folge mir nach!“
Die Menschen, die 1763 dieser Kirche und der Gemeinde diesen Patron ausgesucht haben, haben sich gewiss etwas dabei gedacht. Vielleicht auch das, was ich meine gehört zu haben. Amen