Den alten Adam niederreißen – Gedanken zu Joh 2,13-25

Modell des Tempels in Jerusalem

  1. Der „ungeliebte“ Tempel.
    Immer und immer wieder lesen wir im Alten Testament von der Kritik Gottes an den Opfern der Menschen. (Amos, 5,21 ff.; (Jes 1,11.14).

Die Menschen glaubten sich mit Gott im Reinen, wenn sie bestimmte Opfer erfüllten, gleichzeitig vergaßen sie jedoch die zentralen göttlichen Gebote, die Forderung der Gottes- und der Nächstenliebe. Dieser „Kultformalismus“ wird auch in den Psalmen kritisiert, etwa wenn es im Psalm 51 heißt: „Schlachtopfer willst du nicht, ich würde sie dir geben; an Brandopfern hast du kein Gefallen. Das Opfer, das Gott gefällt, ist ein zerknirschter Geist, ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz, wirst du, Gott, nicht verschmähen“.

Das ist es, was Gott will: nicht die vielen kleinen Öpferchen für jede Sünde, je nach Bedeutung und Gewichtigkeit, nicht nur die Abwendung von einzelnen Taten, sondern die grundsätzliche Hinwendung zu ihm. „Gib mir dein Herz“ (Sprüche 23,26), spricht er zu uns. Nicht das Opfer, nicht irgendeinen Teil, sondern uns selbst will Gott.

Als der König David sich beim Propheten Natan beklagt, dass er selbst in einem Zedernhaus wohne, die Bundeslade Gottes aber nur einem Zeltdach stehe, lehnt Gott den Tempelbau ab.(2 Sam 7) Nicht die Menschen sollen ihm ein Haus bauen, er selbst wird David ein Haus bauen, d.h. er wird seinem Geschlecht Bestand geben.

Es scheint, als ob nicht nur die Opfer, sondern auch der Tempelbau bereits eine Abkehr vom Ursprünglichen waren. Zeichen einer beklagenswerten Anpassung an die Umwelt. Der Tempel wird zum Synonym dessen, was Menschen aus dem Bund mit Gott gemacht haben. Es ist so, als ob dieses „Haus des Vaters“ zerstört werden müsse, um zu dem Ursprünglichen vorzustoßen.

Der alte in 46 Jahren errichtete Tempel wird zerstört und in 3 Tagen ein neuer errichtet, ein Tempel aus lebendigen Steinen, in dem neue Opfer dargebracht werden, in dem das neue Gottesvolk sich versammelt, das nicht mehr vom Makel der Untreue gekennzeichnet ist. ( 1 Petr 2,4ff)
Inwieweit ist dieser Aspekt der „Tempelreinigung“ nicht auch ein Bild dafür ist, was in unserer Gemeinschaft, in unserer Kirche immer wieder geschehen kann und geschieht, das wir uns nämlich vom Ursprünglichen entfernen, das Rituale und Formalismen verdecken, was eigentlich Sache ist?

Müssten wir nicht den Herrn bitten, dass er auch durch unsere Kirche, durch unsere Gemeinschaft mit der Geißel hindurchzieht, das hinauswirft, was nicht hineinpasst, umstößt, was ihm nicht entspricht und so für ein fruchtbares, ordnendes Chaos sorgt ?

  1. Bringt rechte Opfer dar.

In den heidnischen Tempeln lautete der Grundsatz: „Do ut des“, d.h. ich gebe, um zu bekommen. Das richtige Opfer sollte die Götter gnädig stimmen, sollte Schutz einbringen, Hilfe im Krieg, fruchtbare Ernte und was immer der Mensch von seiner Gottheit erwartete. Alles geschah nach der Devise „Wenn ich Gott etwas gebe, dann erhalte ich etwas zurück“.

Anders dagegen im Tempel zu Jerusalem. Hier sollte  gefeiert werden, dass Gott jedem menschlichen Tun mit seiner Gnade zuvorkommmt. Das Leben ist geschenkt, es kommt umsonst von Gott. Es gab nichts zu handeln zwischen Mensch und Gott. Keinen Preis, den der Mensch hätte zahlen können, um Gottes Handeln zu beeinflussen.

Im Bereich des Tempels erleben wir nun Handel, Kaufen und Verkaufen. Nicht mehr das Umsonst, nicht mehr die Gnade, sondern das Gesetz des Marktes bestimmt das Leben hier.
Aber: der Tempel ist der Ort der Gnade. Kein Handel darf hier getrieben werden.

Da erinnern wir uns auch an Praktiken in der Kirchengeschichte und auch heute, die dieses vergessen lassen. Ich denke da an all jene Dinge, die verlangt wurden bzw. die freiwillig getan wurden, um Gottes Handeln zu beeinflussen, um sich gleichsam schon auf Erden die Eintrittskarte für das Himmelreich verschaffen zu können.

Es gib keinen Preis, den wir zahlen könnten, denn er ist ein für allemal gezahlt, nicht in einer Währung dieser Welt, sondern „mit einem kostbaren Blut, wie von einem Lamm ohne Fehl und Makel“ (1 Petrus 1,19). Das rechte Opfer ist allein mein Leben, das sich vollzieht in dieser Spannung von Gottes- und Nächstenliebe, das immer wieder eintaucht in die Geborgenheit seiner Nähe und gleichzeitig geprägt ist von der Zuwendung zu den Menschen. Mein Leben wird so zu einem Echo seiner Gnade, nicht aber zu ihrer Voraussetzung.

Wißt ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“. (1 Kor 3,16) Wir sind also Orte der Gnade. Orte, wo sich diese Gnade Gottes ereignet, wo sie greifbar, spürbar, erlebbar wird. Wenn jedoch dieser Tempel allzusehr beherrscht ist von den Gesetzen des Marktes, wenn das Geld und alles was damit zusammenhängt, der Gewinn und der Profit, das Haben und das Haben müssen, mich beherrscht, dann werde ich für diese Einbrüche der Gnade Gottes in mein Leben keinen Blick mehr haben, dann sind meine Hände zuerst einmal beschäftigt mit dem Halten und Festhalten, dem Nehmen und Ergreifen, und später ist auch mein Herz erfüllt davon und nicht mehr offen für Gottes Zuwendung.

Hier setzt der Herr an mit seiner Reinigung, hier will, hier muss er vieles aus meinem Leben vertreiben, vieles umstürzen, ein Chaos anrichten.

3.  „Der neue Adam“.
Hinter der Zahl 46 verbirgt sich der Name Adam. Für die Juden und auch für die Griechen haben nämlich die Buchstaben gleichzeitig auch die Bedeutung von Zahlen. So entspricht der Buchstabe A, im Griechischen Alpha, im Hebräischen Aleph der 1. Der Buchstabe D, im Griechischen Delta, im Hebräischen Daleth der 4. Und der Buchstabe M, im Griechischen My, im Hebräischen Mem der Zahl 40. Dies ergibt im Griechischen zusammengezählt zweimal A gleich 2, plus 1 mal 4 gleich 6 plus 40 gleich 46.

Es ist also der alte Adam, der alte Mensch, der durch die Sünde korrumpierte Mensch, der hier eingerissen wird und auferweckt wird Christus, der neue Adam, der mit Gott in jener Harmonie lebt, die Gott von Anfang der Schöpfung an für ihn gedacht hat.

Das Wort Adam ist im Hebräischen verwandt mit dem Wort Duma, das Schweigen, Stille bedeutet, und mit dem Wort Dome, das gleichen bedeutet. Adam ist also das Ebenbild Gottes, der, der ihm gleicht, und zwar im Schweigen in der Stille. Dann ist er gleichsam bei Gott zu Haus und Gott bei ihm, ist er das Haus Gottes.

(1 Kön 6,7). Stille und Schweigen prägen auch den Bau des Tempels.
Wenn vom Adam, vom Menschen also die Rede ist, muss Gott mitgedacht werden, das Geschöpf ist nicht vom Schöpfer zu trennen, es ist unlösbar mit ihm verbunden.

Der zweite Buchstabe des Wortes Adam, das D, im Hebräischen das Daleth bedeutet Tür.

Zum Menschen gehört nicht nur das „Bei-Gott-sein“, sondern auch das Geöffnetsein, das „Bei- den- Menschen“ sein, die Beziehung, die Gastfreundschaft.

Der letzte Buchstaben des Wortes Adam, im Hebräischen das Mem. Dieses Wort bedeutet Wasser. Wasser fließt und ist ein Bild für die Zeit. Wasser fließt immer auf ein Ziel zu – ist Zeichen der Hoffnung, die in jedem Menschen lebt, der im Fließen der Zeit sein Leben gestaltet.

So haben wir also nun ein Bild von diesem neuen Adam, der in der Stille dem Geheimnis seiner Gottebenbildlichkeit nachspürt, der geöffnet lebt in einem Beziehungsgeflecht und der ein Ziel hat.

Ich denke mir, dass spätestens an diesem Punkt die Tempelreinigung nun auch für uns zu einem ganz persönlichen Erlebnis wird. Nicht die Juden, wir sollen den alten Adam in uns niederreißen, jenen Adam, der nicht Gott gleichen, sondern Gott sein wollte, auf sich fixiert, auf sich beschränkt. Und auferstehen muß in uns der neue Adam, der uns nur gelingen wird, wenn Christus selbst Hand anlegt.

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