Interview mit der Bonner Rundschau (veröffentlicht 13.10.2014)
Monsignore Schumacher, was erwarten Sie von der Synode?
Ein offenes, freimütiges Gespräch. Dazu hat der Papst zu Beginn der Synode mehrfach eingeladen. Dabei darf kein Teilnehmer seinen eigenen Standpunkt zum einzig richtigen erklären. Gemeinsam müssen sie den richtigen Weg suchen. Die zwei Wochen in diesem Oktober sind ja nur der Auftakt. Im Herbst 2015 gibt es die Fortsetzung.
Können die Synodalen überhaupt Entscheidungen fällen, wenn es um eine Herzensangelegenheit wie die Liebe geht?
Die Synodenteilnehmerinnen und -teilnehmer sind allesamt Menschen und somit auch zur Liebe fähig. Aber das Thema der Synode ist die Familie! Jeder der Bischöfe, der in einer Familie aufgewachsen ist, kann da natürlich mitreden. Gleichzeitig hat die Umfrage, die Papst Franziskus vor Jahresfrist in Auftrag gegeben hat, gezeigt, dass die meisten Bischöfe der Welt einen sehr realistischen Blick für die Probleme haben, denen sich die Familie gegenübersieht.
Beschäftigt sich die Synode einer universellen Kirche mit einem Problem, das gar nicht universell, sondern eher ein westliches ist?
Wer glaubt, es gebe nur in der westlichen Welt Schwierigkeiten für die Familie, der sollte einmal dorthin schauen, wo Polygamie herrscht, wo es arrangierte Ehen gibt, wo Kastenwesen das Leben bestimmt oder man nichts weiß von einem verpflichtenden Eheband, um nur einmal einige Problemfelder anderer Kontinente zu nennen.
Zurück zu Bonn: Können Sie deuten, warum bei uns immer mehr Ehen und Familien zerbrechen, auch unter Katholiken? Gibt es so etwas wie eine Wegwerfmentalität in Sachen Herzensbindung?
Sie greifen ein Wort von Papst Franziskus auf, der in verschiedenen Zusammenhängen von der „Wegwerfmentalität“ spricht. Dabei geht es ihm um den Wert und die Würde des Menschen schlechthin. Die hat der Mensch, weil er Mensch ist, und nicht, weil er geliebt wird, weil er etwas leistet oder weil er dieses oder jenes kann oder schafft. Ich maße mir kein Urteil darüber an, weshalb immer mehr Ehen und Familien zerbrechen. Jede Geschichte ist anders. Und ich selbst habe nie unter der Herausforderung gelebt, die an Eheleute oder Familienväter gestellt sind. Was wir in der Kirche zur Zeit lernen – und das gilt für Priester und Laien gleichermaßen – ist, dass der Bruch einer Ehe ein persönliches Schicksal ist, über das wir nicht den Stab brechen dürfen. Brüche in der Biografie müssen anders geheilt werden, als dass man den vorherigen Zustand wiederherstellt. Unsere Aufgabe ist es, die Menschen mit ihren Nöten zu begleiten.
Eine von Ihnen 2013 in Auftrag gegebene Umfrage hat gezeigt, dass auch im Stadtdekanat Bonn viele Katholiken die Lehrmeinungen der Kirche etwa zur Sexualität oder zur Familie gar nicht kennen oder wenn sie sie kennen, nicht befolgen. Ihre Schlussfolgerung daraus?
Die Bonnerinnen und Bonner sind nicht anders als die Mehrzahl der Katholiken in unserem Land. Sie brauchen eine kirchliche Verkündigung, die Ehe und Familie nicht allein buchstabiert unter dem Vorzeichen der allein auf die Zeugung von Nachkommenschaft gerichteten Sexualität, sondern die auch spricht von Liebe und Beziehung, von Lust und Leben, von Fürsorge und Verantwortung. Wir haben den Zugang zu vielen Menschen verloren, weil wir Theologen zu viel von Methoden gesprochen haben. Stattdessen sollten wir darauf vertrauen, dass die Menschen wissen, was ihrer artnerschaft gut tut, wenn sie sich leiten lassen von der Überzeugung: Die Ehe ist eine von Gott auf Dauer angelegte, umfassende Lebensgemeinschaft von Mann und Frau, die auch ihren sexuellen Ausdruck findet als Sinnbild und Symbol der Liebe.
Was tut die katholische Kirche in Bonn für Familien?
Wir tun sehr viel: In unseren 50 Kindertagesstätten sind 2600 Kinder von vier Monaten bis sechs Jahren. Wir haben 13 Familienzentren, in denen Familien praktische Hilfe erfahren. Es gibt acht Schulen in kirchlicher Trägerschaft. Wir sind an 26 Standorten in der Offenen Ganztagsschule engagiert. Wir unterhalten eine Familienbildungsstätte und eine Ehe-, Familien- und Lebensberatung. Es gibt „Frühe Hilfen Bonn – Das Netzwerk für Vater, Mutter, Kind“. In unseren Gemeinden gibt es Familiengottesdienste, Familienkreise, Öffentliche Büchereien, Kinder- und Jugendgruppen. Damit stützen wir die Familien.
Das hört sich gut an, trifft aber nicht alle.
Wir werden wir uns gleichzeitig auch verstärkt den Situationen zuwenden, die von diesen Angeboten nicht erfasst werden beziehungsweise die andere Hilfen benötigen. Wir haben jetzt erst die Volltext-Antworten der Umfrage von 2013 ausgewertet. Das sind über 500 Seiten. Jetzt müssen wir daraus die richtigen Schlüsse ziehen.