oder: wie eine alte Geschichte auch von uns erzählt
Es gibt viele Darstellungen der drei Sterndeuter, die man später zu Königen gemacht hat. Eine finde ich besonders interessant: die schlafenden Könige in verschiedenen Buchmalerein oder auf einem Kapitell in der Kathedrale von Autun aus dem 13.Jahrhundert.
Mich fasziniert das Kapitell in Autun: man sieht die drei, die unter einer Decke stecken, vertraut miteinander. Sie machen gemeinsame Sache. Alle tragen Kronen, zwei schlafen, einer hat die Augen geöffnet. Man sieht einen Engel, der mit seiner rechten Hand den Ringfinger eines der drei Männer berührt und mit seiner ausgestreckten Linken auf den Stern zeigt.
Dieses letzte Detail lässt mich glauben, dass der Künstler einen Zeitpunkt eingefangen hat, von dem in der Schrift nicht die Rede ist. (das kommt ja schon mal vor): die Drei ruhen sich aus vor der letzten Etappe ihres Weges.
Sie sind erschöpft – der lange Weg, der hinter ihnen liegt, steckt ihnen in den Knochen. Einem Stern zu folgen, ist oft mühsam. Er ist auch ein unsicherer Begleiter, weil er sich manchmal hinter den Wolken verbirgt und nur in der Nacht sich zeigt.
Der weite Weg war doch nicht so einfach, wie sie es sich vielleicht vorgestellt hatten, als sie aufgebrochen waren.
Und dann die Begegnung mit Herodes, dem sie einen gehörigen Schrecken eingejagt haben mit ihrer Frage „Wo ist der neugeborene König der Juden?“
Er hatte ihnen seine ganze Macht demonstriert, ließ alle Hohenpriester und Schriftgelehrten zusammenrufen. Ein König kann das: die ganze Intelligenz um sich versammeln – auch ein König kann nicht alles wissen.
Die Erinnerung lässt die Drei noch erschaudern. Auch die Worte der Schriftgelehrten aus ihrer Schrift waren seltsam: „Aber du, Betlehem-Efrata, / bist zwar klein unter den Sippen Judas, aus dir wird mir einer hervorgehen, / der über Israel herrschen soll“, hatte einer ihrer Propheten namens Micha geschrieben. Seltsam, ein Königssohn soll in einem kleinen Kaff zur Welt gekommen sein. Sie schüttelten alle drei den Kopf. Das überrascht, wirft alle ihre Erwartungen über den Haufen.
Und dann diese Heimlichtuerei des Königs. Niemand sollte etwas mitkriegen, wenn er ihnen sagt: „Geht und forscht sorgfältig nach dem Kind“ und sie dann nach Bethlehem schickt.
Das alles musste erst einmal innerlich sortiert werden. Sind wir eigentlich noch auf dem richtigen Weg? War es richtig, diesen König zu fragen? Sie legen sich schlafen – morgen ist auch noch ein Tag, dann sehen wir weiter.
Das ist für mich der Moment, den Meister Gislebertus auf seinem Kapitell eingefangen hat. Ein Engel kommt und weckt sie ganz zärtlich. Er weist hin auf den Stern, auf die Sehnsucht, die sie bis hierhin geführt hat.
Diese Sehnsucht lässt sie nach all dem Erlebten wieder aufbrechen.
Sie finden das Kind, knien nieder, huldigen ihm, und bringen ihm ihre Gaben.
Wenn wir so die alte Geschichte, die wir von Kindesbeinen an kennen, betrachten, dann wird uns vielleicht bewusst, dass die Geschichte nicht nur von drei Sterndeutern damals handelt, sondern auch von uns.
- Wer glaubt, folgt einem Stern, folgt seiner Sehnsucht.
- Wer glaubt, trägt diese Frage mit sich: „Wo finde ich diesen neugeborenen König der Juden, den Herodes selbst „Christus“ nennt.
- Wer glaubt, kennt auf seinem Weg auch die Erschöpfung, die Zweifel, die Bedenken, die müde werden lassen.
- Wer glaubt, erfährt, dass Gott sich nicht beirren lässt von den Mächten dieser Welt.
- Wer glaubt, kann erfahren, dass Gott sich zärtlich nähert und an die alten Sehnsüchte erinnert, an den Stern, der einen ans Ziel führt.
- Wer glaubt, muss bis zuletzt mit den Überraschungen Gottes leben.
Wenn es so ist, dass die Geschichte so gesehen auch von uns erzählt, dann sei abschließend die Frage gestattet: welche Gaben bringe ich mit zu diesem Kind?
Und schließlich: Dass sie auf einem anderen Weg heimkehren, verwundert nicht: Charles de Foucauld sagt: Wenn man Jesus gesehen hat, muß man auf einem anderen Weg heimgehen; auf dem Weg der Bekehrung nicht auf dem Weg der Vergangenheit.