Meine Facebook-Timeline quillt über von Fronleichnamfotos: Bilder, wie wir sie aus katholischen Gegenden gewohnt sind. Kostbare Monstranzen, Blumenteppiche, geschmückte Altäre, Ministranten, Kommunionkinder („Engelche“, wie man im Rheinland sagt – der Witz ist bekannt), Weihrauchfässer, aus denen riesige Weihrauchwolken dampfen, Fahnen, Schützen, Ritter, Priester in festlichen Gewändern, Musikkapellen und was sonst noch so alles dazu gehört.
Ich erinnere mich an bestimmt 60 Fronleichnamsfeste an unterschiedlichen Orten: meistens im Rheinland und auch in Bayern. Als Messdiener fing es an und als Stadtdechant hörte es auf. Das Singen und Beten der Menschen klingt noch in meinen Ohren, ebenso wie die Schellen der Ministranten, ich rieche noch den Duft der Blumen und des Weihrauchs und denke noch ergriffen an die Prozession in Schweigen angesichts der Missbrauchsfälle im Jahre 2010.
Heute war alles anders! Zuerst einmal: es gibt kein Bild von unserer Prozession auf Juist in der Timeline. Es gab nichts von alledem, was wir rheinischen Katholiken zu Bestandteilen einer Prozession zählen würden (siehe oben). Und trotzdem war es ein ergreifendes Fronleichnamsfest an einem Tag, der hier kein Feiertag ist. Es waren wohl 80 – 100 Leute (gezählt hat niemand), die nach der Messe in der kleinen Pfarrkirche einmal „um den Block zogen“, während die Touristen in den Pferdekutschen oder auf ihren Fahrrädern anscheinend teilnahmslos vorbeifuhren. Zwei Altärchen gab es unterwegs, wo wir kurz anhielten, um uns noch einmal an die Geschichte des Abraham zu erinnern, von der in der Liturgie die Rede war, bevor der Segen jeweils erteilt wurde.
„Du sollst ein Segen sein“, sagte Gott dem Abraham. „Wer Segen ausspricht, erwartet etwas von Gott, öffnet eine neue Dimension -verlässt das KleinKlein der Alltäglichkeiten. Wer um Segen bittet für sich oder andere, erwartet die Sichtbarkeit Gottes in der Welt. Wer sich unter den Segen stellt erwartet etwas: die Spürbarkeit Gottes in seinem Leben. Segnen heißt Hoffnung haben, Zukunft haben, dem Leben trauen. Ein Segen sein für andere -nicht Richter sein über andere, nicht Lehrer sein, nicht Herrscher sein.“ (aus der Predigt in der Messe)
Bewegend zu erleben, wie sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der zweiten Station einander zusprachen: „Du sollst ein Segen sein!“ bevor sie selbst gesegnet wurden.
Es war alles anders heute und doch das Wesentliche war da: Christus in der Gestalt des Brotes der Eucharistie inmitten einer Schar von Menschen, die miteinander gingen und sangen. Alles ganz einfach. Das hatte schon fast etwas Biblisches (Mt4,25). Etwas, das sich in die Seele einprägt – und das scheint nachhaltiger zu sein als Dutzende Fotos in der Timeline.