Die Trone, die du laachs, bruchs du net krieche.

Predigt am 2.3.2025 in Dernau in Mundart (Hier die hochdeutsche Fassung)

Wussten Sie eigentlich, dass es in Deutschland 236 Lachclubs gibt? Alle paar Wochen trifft man sich dort, um miteinander zu lachen. Vielleicht auch deshalb weil Lachen gesund ist. Man bewegt viele Muskeln und es kommt es zu einer vermehrten Sauerstoffaufnahme in den Lungen. Die Durchblutung wird verbessert und der Kreislauf stabilisiert.

Der heutige Karnevalssonntag lädt gerade zu ein, ein wenig über das Lachen nachzudenken. Lachen ist im Gottesdienst etwas Ungewohnntes. Es passt anscheinend nicht zur heiligen Handlung. Im Karneval singt man: die Trone, die du laachs, bruchs du net krieche. Schon allein deshalb lohnt sich das Lachen.

Der Himmel hat den Menschen als Gegengewicht zu den vielen Mühseligkeiten des Lebens drei Dinge gegeben: Die Hoffnung, den Schlaf – und das Lachen,“ soll der große Philosoph Immanuel Kant gesagt haben.

Der Theologe Karl Rahner fordert uns geradezu auf: „Lacht manchmal, lacht unbeschwert. Fürchtet nicht, ein bisschen dumm zu lachen und ein bisschen zu oberflächlich.“ Denn: „Du bist ein Mensch“, sagt das Lachen.“ Recht hat er: nur Menschen können lachen, Tiere, Maschinen und Computer können das nicht. Das Lachen ist menschlich. Es erinnert mich daran, dass ich Mensch bin, ein Geschöpf Gottes. Deshalb betete Rahner: Ich danke Dir Gott, dass ich bin, dass Du mich geschaffen hast, mich ins Leben gerufen hast, Dich für mich entschieden hast. Ausgerechnet für mich.
Das kann einem schon ein Lachen oder zu mindestens ein Lächeln entlocken.

Machen wir es praktisch: „ Der liebe Gott weiß, dass ich kein Engel bin, ein bisschen Teufel steckt doch in jedem drin,singen die Höhner. Recht haben sie. Was da von allen lautstark mitgesungen wird, ist biblische Botschaft, die von vielen vergessen worden ist. Der Teufel, der Versucher, wir haben ihn gleichsam wegrationalisiert. Wir sprechen von der Umwelt, von den Medien, von den anderen, die uns beeinflussen, statt von uns selbst zu reden, die das Böse tun.

Der liebe Gott weiß, dass ich kein Engel bin, das mit dem Himmel, das kriegen wir schon hin – das klingt nach der rheinischen Überzeugung „der liebe Gott is net esu – ist nicht so“ d.h. er nimmt es nicht so genau. Wohlwollend gesehen, heißt es aber auch, dass der Weg in den Himmel nicht unmöglich ist, vor allem dass der Weg in den Himmel nicht gleichgesetzt werden darf mit Freudlosigkeit und Angst.

Menschen, aus deren Leben das Lachen ausgewandert ist, die aber viel Geld und Einfluss haben, stellen gerne einen Hofnarren an. Sie lagern die Freude, den Klamauk und das Lachen aus. Die Fürsten hielten sich solche Hofnarren, auch die Bischöfe begannen Hofnarren anzustellen, als ihre Macht zunahm, aber ihre eigene Humorfähigkeit abnahm. Es hat nicht jeder den Humor eines Johannes XXIII., der als er zum ersten Mal als Papst auf der Loggia von St.Peter steht, angesichts der engen Kleidung (er war ja etwas fülliger) murmelt: Alle freuen sich, nur nicht der Schneider.

Heiterkeit des Herzens ist Leben für den Menschen“,  hieß es eben in der Lesung.

Menschen, die viel lachen oder andere zum Lachen bringen, sind ein echtes Geschenk füreinander. Sie helfen nicht selten, das Leben zu bewältigen oder wenigstens leichter zu machen. Am Besten ist es, wenn man über sich selbst, über den eigenen Betrieb lachen kann. So mancher Witz enthält eine versteckte Wahrheit.

Zwei Beispiele:

  • Zwei Spinnen treffen sich in der Kirche. Sagt die eine: „Ich wohne in der Orgel, grässlich!! Immer dieser Krach, der Wind, ich sage  dir, einfach grässlich!!“ Darauf die andere: „Mir geht es hervorragend. Ich wohne im Opferstock, da ist immer Ruhe!“
  • Im Pfarrbüro spricht ein Mann vor und fragt, wann denn der Herr Pfarrer seinen Hund beerdigen könne. „Ihren Hund?! „Also ich glaube nicht, dass der Herr Pfarrer bereit ist, einen Hund zu beerdigen!“, lehnt die Mitarbeiterin das Ansinnen ab. „Na dann“, zuckt der Mann die Achseln, „in dem Fall nehme ich die 500 Euro wieder mit und frage den evangelischen Pfarrer!“  „Ach so ist das!“, meint die Sekretärin, „Warum haben Sie mir denn nicht sofort gesagt, dass Ihr verstorbener Hund Katholik war!“

Natürlich kann es Situation geben, in denen einem nicht zum Lachen zumute ist. Dann kann man nur hoffen, dass wahr wird, was die Bläck Föös in einem Lied besingen. „Do han sen en dr Ärm genomme on alles wor wieder joot – heißt der Refrain einer Beschreibung des Alltags, einer Kündigung, eines Autounfalls.
Manchmal kann die Nähe eines Menschen froh machen, lautet die hochdeutsche Zusammenfassung dieser Botschaft.

Die Höhner singe:
Minsche wie mir dun kriesche un laache
Minsche wie mir sin nit jän allein
Rötsch doch jet nöher, wie Fründe dat maache
Minsche wie mir, jo Minsche wie mir!

Fastelovend-Menschen wissen das. Sie wissen auch: „Am Aschermittwoch ist alles vorbei“ – Nicht alles, das Lachen muss bleiben, denn „das Lachen ist die Sonne der Seele“ (Victor Hugo)[1]. Und ohne Sonne wäre es nur noch Dunkel in unserer Welt.

[1] Das vollständige Zitat lautet: Das Lachen ist die Sonne der Seele, die aus dem menschlichen Antlitz den Winter vertreibt“.

Im Gottesdienst wurden auch folgende Songs zitiert:

Hück steiht de Welt still,
För ne kleine Moment
Wenn mr öm sich röm alles verjiss
Hück steiht de Welt still
Un us nem kleine Augebleck weed Iwigkeit
Wenn mer he zesamme sin
Cat Ballou

Wenn mir zosamme sin
Kann kumme, wat will
Denn sulang mir uns noch han
Kann uns nix passiere
Sulang mir he noch stonn
Jeiht et schon wigger
Cat Ballou

Das Gloria-Lied von den Höhnern.

Der Narr

eine Predigt zu Karneval

Sieger Köder

Ein lachender Clown, geschminkt und in buntem Gewand, schaut in den Spiegel und erblickt sein Gegenbild: einen traurigen Clown. Egal, ob Clown, Pierrot oder Harlekin, das Lachen und das Weinen zeichnen den Narren aus. Wer eben noch Purzelbäume geschlagen hat, kann plötzlich ganz nachdenklich werden. Wer eben noch über das ganze Gesicht gelacht hat, dem fließen plötzlich die Tränen über die Wangen.

Die Narren stehen nicht im Mittelpunkt des Geschehens. Wie die Clowns treten sie zwischendurch auf, stolpern und fallen, machen ihre Bemerkungen und bringen die Menschen zum Lachen. Die Clowns sind nicht die Helden unter der Zirkuskuppel, nicht die begnadeten Artisten auf dem Hochseil oder Dompteure im Raubtierkäfig. Sie sind wie unsereiner. Deshalb gilt ihnen unsere Sympathie. Mit ihrem Lachen und ihrem Weinen erinnern sie uns an unsere Fähigkeiten, vor allem aber auch an unsere Schwächen.

Das heißt es in einer kölschen Ballade:


Minsche wie mir dun kriesche un laache
Minsche wie mir sin nit jän allein
rötsch doch jet nöher wie Fründe dat maache
Minsche wie mir jo Minsche wie mir!

 Ja, Clowns, sin Minsche wie mir.

Logisch denkende, auf ihre Klugheit bedachte Zeitgenossen haben es recht schwer mit dem Narren, denn ihnen wurde über Jahre und Jahrzehnte eingebleut, sich „ordentlich zu benehmen“ oder – noch schlimmer – sich „erwachsen zu benehmen“ und nur Dinge zu tun, deren Nutzeffekt deutlich erkennbar und kurzfristig realisierbar ist.

Die Höhner singen davon in einem ihrer Lieder:

Als Kind wird mir schon klargemacht.
Du kriss Ärjer, wenn du widder zu laut lachs,
den Sonntagsanzug dir versaus,
in der Schule dich mit andern Jungs verhaus.
Sei schön brav un still,man krich nicht immer alles, was man will.

Das Resumee in diesem Lied ist nichts anderes als die Sehnsucht nach dem Narren in uns, der Dinge tut, die sich der der Gesellschaft angepaßte Mensch nun einmal nicht erlaubt:
Lust auf Leben –Lust auf Liebe – Lust auf Lust!, heißt es in dem Lied.
Lust auf Bratkartoffel und nen fetten Kuß
Lust auf Leben  – Lust auf Liebe –Lust auf Doll

Lust mein Maul nicht zu halten, wen ich soll
Lust auf dicke rote Grütze und auf jede kleine Pfütze
Lust auf Leben-  Lust auf Liebe- Lust auf Lust!

Man hört so richtig den schmatzenden Kuss und die vorlaute Rede, sieht den bekleckerten Mund und die spritzende Pfütze. Wer möchte da nicht dabei sein?

Der Spiegel vor’m Gesicht

Vor 500 Jahren entstand in Basel aus der Feder des Sebastian Brant eine satirische Schrift „Das Narrenschiff“. Der Autor benutzt die Figur des Narren, um den Menschen ihre Schwächen und Laster vor Augen zu halten, sie aufzurütteln, zur Selbstbesinnung zu bringen und zu bessern.

Nichts anderes ist die eigentliche Funktion der Büttenreden im Karneval. Hier können die kleinen Leute denen „da oben“ ungeschminkt und durch das Narrenkostüm die Wahrheit sagen auch sich selbst den Spiegel vorhalten. Das mag erheiternd sein und manchmal nachdenklich machen.

Auch in unseren Karnevalsschlagern wird uns dieser Spiegel vorgehalten, ohne dass wir uns dessen immer so bewusst sind. Schauen wir auf zwei Karnevalslieder, die schon einige Jahrzehnte lang gesungen werden: „Am Aschermittwoch ist alles vorbei, die Schwüre von Treue sie brechen entzwei, von all’ deinen Küssen darf ich nichts mehr wissen. Wie schön es auch sei, es ist alles vorbei!“ Und ein anderes: „Du kannst nicht treu sein, neun, nein das kannst du nicht, wenn auch dein Mund mir wahre Liebe verspricht. In deinem Herzen hast du für viele Platz und darum bist du auch nicht für mich der richt’ge Schatz.“

Was da zuerst einmal nach Libertinage klingt, nach dem Motto „im Karneval ist alles erlaubt“ entpuppt sich bei näherem Hinsehen als sehr realistische Weltsicht: Ohne wahre Treue kann der Mensch nicht leben, das bestätigt jeder, der schon einmal die Untreue eines anderen erfahren hat. „Schwüre von Treue“ taugen nichts und auch der Kuss schmeckt nur, wenn er wirklich aus Liebe geschieht. Und noch etwas: die grosse Sehnsucht des Menschen ist es, nicht austauschbar zu sein. Wir wollen den Platz im Herzen eines Menschen nicht mit vielen teilen. Wer deshalb jedem die Treue verspricht, kann nicht wirklich lieben.

Nemm mich su wie ich ben, einfach su wie ich ben, ich weiss genau, dat ich Fehler hann, doch anders kann ich net sin, heißt eine neuere Version des gleichen Themas. Wir wollen geliebt werden um unserer selbst willen, nicht wegen unseres Titels, unserer Rolle, unseres Geldes, unseres Aussehens – und das über den Aschermittwoch hinaus – so lesen wir es im Spiegel des Narren.

Die Welt braucht die Clowns, braucht die Narren, die uns immer wieder lehren: Die aufregenden Taten der Großen mögen zwar die große Welt verändern, aber unser Leben, unsere kleine Welt wird von anderen Quellen gespeist. So kann sich der Clown an der Blume erfreuen oder an der Seifenblase, die im Scheinwerferlicht glitzert:

Et sind die kleene Sache, wenn du an Kölle denks, die dir et Heimweh maache, wenn du en de Welt eröm hängst, singen die Bläck Föös.

Und sie erzählen von einer anderen Sehnsucht des Menschen, der Sehnsucht nach Geborgenheit und Heimat, die in kleinen Dingen erfahrbar wird.

Die Mächtigen, die sich oft einen Hofnarren hielten, der als Einziger am Hofe dem König die Wahrheit sagen durfte, ohne dafür geköpft zu werden, hatten trotzdem ein gespaltenes Verhältnis zur Narretei. Es war ihnen supekt und so verboten sie es nicht selten Auch die Kirchenoberen taten sich schwer damit, konnten mit dem offenen Wort der Narren nicht immer etwas anfangen. Als nach dem I. Weltkrieg der Karneval im Rheinland wieder auflebte, gab es sogar ein Hirtenwort des Kölner Erzbischofs, das alle Versuche im Keim ersticken sollte.

Die Ballade der Höhner über den Narren, erzählt sehr drastisch, wie man mit dem Narren umgeht, der die Kreise der Mächtigen und Wichtigen, der ach-so Sittsamen und Angepassten stört.

Sie haben versucht, ihn zu erzieh’n,
ihn bedroht, geschlagen und angespien,
Zerschlugen den Spiegel und sperrten ihn ein,
sie dachten, jetzt würd endlich Ruhe sein.,
Sie schlossen die Augen und hörten nicht zu
verlangten nach Ordnung, verlangten nach Ruh’.

Christus – der Narr

Als ich das Lied zum ersten Mal hörte, war meine erste Assoziation: ein Bild von Roland Litzenburger, das Christus als Narrenkönig zeigt. Christus – der Narr. Ein legitimer Vergleich?

Als die Verwandten Jesu ihn nach seinen ersten Predigten in die Familie nach Nazareth zurückholen wollten, sagten sie: „Er ist von Sinnen“. D.h. er ist außer sich, er ist verrückt.

Und so sollte es auch bleiben: So mancher Vergleich, mit denen er den führenden Gruppen der Gesellschaft die Leviten las, klingt durchaus komisch, zum Beispiel: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in den Himmel. Oder wenn er das heuchlerische Verhalten der Pharisäer kommentiert: Ihr siebt Mücken aus und verschluckt Kamele.

Eine solche Predigt schafft nicht nur Freunde; sie bringt vor allem diejenigen gegen den närrischen Propheten auf, die getroffen sind und nicht genügend Witz besitzen, um auch über sich selbst lachen zu können.

Vieles was Jesus sagt, klingt verrückt: ob es die Feindesliebe ist, die grenzenlose Barmherzigkeit Gottes, auf die der Mensch angewiesen ist, die Notwendigkeit, in jedem Menschen ihn selbst zu erkennen, oder die Forderung zur unbedingten Nachfolge.

Paulus spricht von der „Torheit der Verkündigung“ (1 Kor 1,21) und sagt: „wir verkünden Christus, den Gekreuzigten, für die Heiden eine Torheit“, ( 1 Kor 1,23).

Verstehen wird dies nur, wer in eine Beziehung zu Christus tritt. So wie in der Ballade die, die den Narren wunderbar fand, Zugang zu seiner Botschaft hatte..

Er schaute zum Himmel, sein Herz in der Hand,
las in den Sternen, was keiner verstand.
Sie konnte die Botschaft der Sterne versteh’n
Sie nahm ihn ganz einfach so wie er war.

In dieser Beziehung erkennt sie: Dieser Narr wird zum Salz für Welt. Er macht die Welt genießbar, mit der ungeheuren Kraft wie wir sie in einer Prise Salz erleben.

Christus – der Narr. Der Vergleich scheint legitim. Der Narr, nicht der dumme August, der nicht ernst sein kann. Eher wie jener Clown von Sieger Köder, dessen Lächeln nicht verschwindet auch wenn er sich traurig im Spiegel sieht.

Wir sind Narren um Christi willen“, sagt uns Paulus im ersten Korintherbrief (1 Kor 4,10). Wir sind eingeladen, den Narren in uns zu entdecken. In vielen unserer Anliegen, Sorgen und Ängsten stände uns das Lächeln der Kinder Gottes gut zu Gesicht, die wissen, dass allein die Sonne Schatten werfen kann. Wir sind eingeladen als „Clowns des lieben Gottes“, die Freiheit zu leben und das Salz dieser Welt zu sein – auch über den Aschermittwoch hinaus.

Den ganzen Songtext „Der Narr“ lesen Sie hier

 

 

Fastelovends-Minsche

(c)NoName_13/pixabay

(Diese Predigt wurde am 28.1.2024 beim Mundartgottesdienst in Bonn-Tannenbusch in rheinischer Mundart gehalten)

Es ist eine schwierige Zeit – im Heiligen Land ist Krieg und an mehr als 30 Stellen auf dieser Erde. In unserem Land gehen Hundertausende auf die Straße, weil sie Angst haben, dass die Braunen wieder das Sagen bekommen, die Bahn streikt, man kommt nicht von hier nach da, die Bauern demonstrieren, alles wird teurer. Dürfen wir da überhaupt Fastelovend feiern?

Wer so fragt, hat überhaupt nicht verstanden, was Fastelovend ist. Klar, es ist zuerst mal die Zeit im Jahr, die Wochen vor Aschermittwoch, wo man sich maskiert, wo „die Aap gemaaht“ wird, wo alle verrückt spille, wo es Prinzen und Prinzessinnen gibt, wo jeder weiß, am Aschermittwoch ist alles vorbei.

Aber Fastelovend ist mehr:

Vor über 50 Jahren habe ich auf einer Tagung des Bundes deutscher Karneval (der ist für die Karnevalisten so wie für uns der Vatikan in Rom) hier in Bonn eine Definition von Fastelovend gehört, die ich schon damals mehr als treffend fand: “Durch Frohsinn dem Menschen Freude bereiten, um dem Frieden zu dienen.”

Und das ist dann nicht nur auf ein paar Wochen beschränkt, sondern ist eine innere Einstellung, die das ganze Jahr gilt.

Eine innere Einstellung aber braucht ein Fundament.
Wir haben eben vom Propheten Jeremia gehört:
Gesegnet der Mensch, der auf den HERRN vertraut / und dessen Hoffnung der HERR ist. 8 Er ist wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist / und zum Bach seine Wurzeln ausstreckt: (Jer 17,7-8)

Gott – er ist das Fundament.
Ist Euch schon mal aufgefallen, wie oft in den kölschen Liedern von Gott und vom Himmel die Rede ist:
Wir lieben das Leben, die Liebe und die Lust.  Wir glauben an den lieben Gott und hab´n noch immer Durst, singen die Höhner.
Die Bläck Föss wissen: Es gibt ein Leben nach dem Tod
Und Kasalla singt Op die Liebe, un et Lävve, Op die Freiheit und d’r Dud
Kumm mer drinke uch met denne die im Himmel sin.
Und in dieser Session: Ich will üch danze sin, wenn ich ne Engel bin.

Der Herrgott hat alles geschaffen, deshalb sind alle Menschen gleich; egal, wo sie herkommen, was sie glauben, wen sie lieben. Das steht so gar im Grundgesetz; das ist das, was wir Christen glauben. Wer etwas anderes sagt, wie die Typen von der AFD will nichts Gutes, nichts Gutes für unser Land, nichts Gutes für die Menschen.
Alle Menschen sind gleich – das muss im Karneval gelebt werden, wo alle mit allen feiern.

Gott ist das Fundament.
Und was ist unsere Aufgabe? Haben Sie noch die Definition im Ohr: Durch Frohsinn Freude bereiten, um dem Frieden zu dienen.

Jesus hat den Menschen gesagt – wir haben es eben gehört: Ihr seid das Salz der Erde. (Mt 5,13)
Wir wissen alle: eine Suppe ohne Salz ist ungenießbar. Wenn Jesus sagt: wir sind das Salz, dann meint er wohl, dass wir den Menschen helfen können, dass sie ihr Leben auch genießen können. Wir sind das Salz in der Suppe der Welt.

Und Jesus meint auch: „Ihr seid das Licht der Welt.“ Im Leben ist nicht alles nur hell, es gibt auch düstere Stunden. Dann ist es gut, wenn ein Mensch da ist, der Licht in die Dunkelheit bringt. Dann ist es gut, wenn ich erlebe, dass es auch Freude gibt.
Das muss kein Riesen-Bohei sein, das können auch kleine Dinge sein: ein gutes Essen, schöne Musik, ein kleines Geschenk, ein Spaziergang miteinander, alles, was dem anderen gut tut, was das Leben schöner und heller macht.
Die Nähe von Menschen kann gesund machen – an Leib und Seele. „Rötsch doch jet nöher, wie Fründe dat maache.“ Das ist dann vielleicht nicht mit einem Mal getan; aber regelmäßig verabreicht kann dies auch die härtesten Herzen weich machen.

Menschen, die so leben – die an Gott glauben und die die Welt durch ihre Freude für die anderen genießbar und heller machen – das sind Fastelovens-Minsche (Fastelovends-Menschen), nicht nur in der Session. Sie brauchen keine Maske, kein Mütze, keine Uniform. Aber ein paar Wochen im Jahr können sie ausgelassen feiern.

Die Welt braucht den Narren!

Sieger Köder

Ein lachender Clown, geschminkt und in buntem Gewand, schaut in den Spiegel und erblickt sein Gegenbild: einen traurigen Clown. Egal, ob Clown, Pierrot oder Harlekin, das Lachen und das Weinen zeichnen den Narren aus. Wer eben noch Purzelbäume geschlagen hat, kann plötzlich ganz nachdenklich werden. Wer eben noch über das ganze Gesicht gelacht hat, dem fließen plötzlich die Tränen über die Wangen.

Die Narren stehen nicht im Mittelpunkt des Geschehen. Wie die Clowns treten sie zwischendurch auf, stolpern und fallen, machen ihre Bemerkungen und bringen die Menschen zum Lachen. Die Clowns sind nicht die Helden unter der Zirkuskuppel, nicht die begnadeten Artisten auf dem Hochseil oder Dompteure im Raubtierkäfig. Sie sind wie unsereiner. Deshalb gilt ihnen unsere Sympathie. Mit ihrem Lachen und ihrem Weinen erinnern sie uns an unsere Fähigkeiten, vor allem aber auch an unsere Schwächen.

Das heißt es in einer kölschen Ballade der Höhner: https://youtu.be/UH6ygd2QGUQ

Minsche wie mir dun kriesche un laache
Minsche wie mir sin nit jän allein
rötsch doch jet nöher wie Fründe dat maache
Minsche wie mir jo Minsche wie mir!

Ja, die Clowns sin Minsche wie mir!

Logisch denkende, auf ihre Klugheit bedachte Zeitgenossen haben es recht schwer mit dem Narren, denn ihnen wurde über Jahre und Jahrzehnte eingebleut, sich „ordentlich zu benehmen“ oder – noch schlimmer – sich „erwachsen zu benehmen“ und nur Dinge zu tun, deren Nutzeffekt deutlich erkennbar und kurzfristig realisierbar ist.

Die Höhner singen davon in einem ihrer Lieder:  https://youtu.be/5A90J6agFAM

Als Kind wird mir schon klargemacht.
Du kriss Ärjer, wenn du widder zu laut lachs,
den Sonntagsanzug dir versaus,
in der Schule dich mit andern Jungs verhaus.
Sei schön brav un still,man krich nicht immer alles, was man will.

Das Resumee in diesem Lied ist nichts anderes als die Sehnsucht nach dem Narren in uns, der Dinge tut, die sich der der Gesellschaft angepaßte Mensch nun einmal nicht erlaubt:
Lust auf Leben –Lust auf Liebe – Lust auf Lust!, heißt es in dem Lied.
Lust auf Bratkartoffel und nen fetten Kuß

Lust auf Leben  – Lust auf Liebe –Lust auf Doll
Lust mein Maul nicht zu halten, wen ich soll
Lust auf dicke rote Grütze und auf jede kleine Pfütze
Lust auf Leben-  Lust auf Liebe- Lust auf Lust!

Man hört so richtig den schmatzenden Kuss und die vorlaute Rede, sieht den bekleckerten Mund und die spritzende Pfütze. Wer möchte da nicht dabei sein?

Der Spiegel vor’m Gesicht

Vor 500 Jahren entstand in Basel aus der Feder des Sebastian Brant eine satirische Schrift „Das Narrenschiff“. Der Autor benutzt die Figur des Narren, um den Menschen ihre Schwächen und Laster vor Augen zu halten, sie aufzurütteln, zur Selbstbesinnung zu bringen und zu bessern.

Nichts anderes ist die eigentliche Funktion der Büttenreden im Karneval. Hier können die kleinen Leute denen „da oben“ ungeschminkt und durch das Narrenkostüm die Wahrheit sagen und auch sich selbst den Spiegel vorhalten. Das mag erheiternd sein und manchmal nachdenklich machen.

Auch in unseren Karnevalsschlagern wird uns dieser Spiegel vorgehalten, ohne dass wir uns dessen immer so bewusst sind. Schauen wir auf zwei Karnevalslieder, die schon einige Jahrzehnte lang gesungen werden https://youtu.be/08Mv0uKgz2I : „Am Aschermittwoch ist alles vorbei, die Schwüre von Treue sie brechen entzwei, von all’ deinen Küssen darf ich nichts mehr wissen. Wie schön es auch sei, es ist alles vorbei!“ Und ein anderes: https://youtu.be/Vq2WRcmNahg  „Du kannst nicht treu sein, neun, nein das kannst du nicht, wenn auch dein Mund mir wahre Liebe verspricht. In deinem Herzen hast du für viele Platz und darum bist du auch nicht für mich der richt’ge Schatz.“

Was da zuerst einmal nach Libertinage klingt, nach dem Motto „im Karneval ist alles erlaubt“ entpuppt sich bei näherem Hinsehen als sehr realistische Weltsicht: Ohne wahre Treue kann der Mensch nicht leben, das bestätigt jeder, der schon einmal die Untreue eines anderen erfahren hat. „Schwüre von Treue“ taugen nichts und auch der Kuss schmeckt nur, wenn er wirklich aus Liebe geschieht. Und noch etwas: die grosse Sehnsucht des Menschen ist es, nicht austauschbar zu sein. Wir wollen den Platz im Herzen eines Menschen nicht mit vielen teilen. Wer deshalb jedem die Treue verspricht, kann nicht wirklich lieben.

Nemm mich su wie ich ben, einfach su wie ich ben, ich weiss genau, dat ich Fehler hann, doch anders kann ich net sin, heißt eine neuere Version des gleichen Themas. https://youtu.be/ryxQ03a2WFU Wir wollen geliebt werden um unserer selbst willen, nicht wegen unseres Titels, unserer Rolle, unseres Geldes, unseres Aussehens – und das über den Aschermittwoch hinaus – so lesen wir es im Spiegel des Narren.

Die Welt braucht die Clowns, braucht die Narren, die uns immer wieder lehren: Die aufregenden Taten der Großen mögen zwar die große Welt verändern, aber unser Leben, unsere kleine Welt wird von anderen Quellen gespeist. So kann sich der Clown an der Blume erfreuen oder an der Seifenblase, die im Scheinwerferlicht glitzert:

Et sind die kleene Sache, wenn du an Kölle denks, die dir et Heimweh maache, wenn du en de Welt eröm hängst, singen die Bläck Föös. https://youtu.be/T3aowYSpzSI

Und sie erzählen von einer anderen Sehnsucht des Menschen, der Sehnsucht nach Geborgenheit und Heimat, die in kleinen Dingen erfahrbar wird.

Die Mächtigen, die sich oft einen Hofnarren hielten, der als Einziger am Hofe dem König die Wahrheit sagen durfte, ohne dafür geköpft zu werden, hatten trotzdem ein gespaltenes Verhältnis zur Narretei. Es war ihnen supekt und so verboten sie es nicht selten Auch die Kirchenoberen taten sich schwer damit, konnten mit dem offenen Wort der Narren nicht immer etwas anfangen. Als nach dem I. Weltkrieg der Karneval im Rheinland wieder auflebte, gab es sogar ein Hirtenwort des Kölner Erzbischofs, das alle Versuche im Keim ersticken sollte.

Die Ballade der Höhner über den Narren, erzählt sehr drastisch, wie man mit dem Narren umgeht, der die Kreise der Mächtigen und Wichtigen, der ach-so Sittsamen und Angepassten stört.

Sie haben versucht, ihn zu erzieh’n,
ihn bedroht, geschlagen und angespien,
Zerschlugen den Spiegel und sperrten ihn ein,
sie dachten, jetzt würd endlich Ruhe sein.,
Sie schlossen die Augen und hörten nicht zu
verlangten nach Ordnung, verlangten nach Ruh’.

Christus – der Narr

Roland Litzenburger

Als ich das Lied zum ersten Mal hörte, war meine erste Assoziation: ein Bild von Roland Litzenburger, das Christus als Narrenkönig zeigt. Christus – der Narr. Ein legitimer Vergleich?

Als die Verwandten Jesu ihn nach seinen ersten Predigten in die Familie nach Nazareth zurückholen wollten, sagten sie: „Er ist von Sinnen“. D.h. er ist außer sich, er ist verrückt.

Und so sollte es auch bleiben: So mancher Vergleich, mit denen er den führenden Gruppen der Gesellschaft die Leviten las, klingt durchaus komisch, zum Beispiel: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in den Himmel. Oder wenn er das heuchlerische Verhalten der Pharisäer kommentiert: Ihr siebt Mücken aus und verschluckt Kamele.

Eine solche Predigt schafft nicht nur Freunde; sie bringt vor allem diejenigen gegen den närrischen Propheten auf, die getroffen sind und nicht genügend Witz besitzen, um auch über sich selbst lachen zu können.

Vieles was der Jesus sagt, klingt verrückt: ob es die Feindesliebe ist, die grenzenlose Barmherzigkeit Gottes, auf die der Mensch angewiesen ist, die Notwendigkeit, in jedem Menschen ihn selbst zu erkennen, oder die Forderung zur unbedingten Nachfolge.

Paulus spricht von der „Torheit der Verkündigung“ (1 Kor 1,21) und sagt: „wir verkünden Christus, den Gekreuzigten, für die Heiden eine Torheit“, ( 1 Kor 1,23).

Verstehen wird dies nur, wer in eine Beziehung zu Christus tritt. So wie in der Ballade die, die den Narren wunderbar fand, Zugang zu seiner Botschaft hatte.https://youtu.be/mahHH1_WpmQ

Er schaute zum Himmel, sein Herz in der Hand,
las in den Sternen, was keiner verstand.
Sie konnte die Botschaft der Sterne versteh’n
Sie nahm ihn ganz einfach so wie er war.

In dieser Beziehung erkennt sie: Dieser Narr wird zum Salz für Welt. Er macht die Welt genießbar, mit der ungeheuren Kraft wie wir sie in einer Prise Salz erleben.

Christus – der Narr. Der Vergleich scheint legitim. Der Narr, nicht der dumme August, der nicht ernst sein kann. Eher wie jener Clown von Sieger Köder, dessen Lächeln nicht verschwindet auch wenn er sich traurig im Spiegel sieht.

Wir sind Narren um Christi willen“, sagt uns Paulus im ersten Korintherbrief (1 Kor 4,10). Wir sind eingeladen, den Narren in uns zu entdecken. In vielen unserer Anliegen, Sorgen und Ängsten stände uns das Lächeln der Kinder Gottes gut zu Gesicht, die wissen, dass allein die Sonne Schatten werfen kann. Wir sind eingeladen als „Clowns des lieben Gottes“, die Freiheit zu leben und das Salz dieser Welt zu sein – auch über den Aschermittwoch hinaus.
Hier der ganze Songtext: Der Narr