Als am 14.Juli dieses Jahres die Flutkatastrophe über das Ahrtal hereinbrach, stiegen die Wasser des kleinen Flusses mit irrsiniger Geschwindigkeit an. Gleichzeitig brach die elektrische Versorgung zusammen. Eine Nacht, tiefe Dunkelheit und Todesangst. Selbst als die Elektrizität zurückkehrte, blieb es in den Seelen vieler Menschen dort dunkel. Zu traumatisch sind die Erinnerungen.
Wir kennen ähnliche Stunden auch; obwohl um uns herum helles Licht leuchtet, gibt es Trauer und Leid, die unsere Seele dunkel lassen. Oder wenn wir ratlos sind, wenn wir nichts mehr verstehen, nichts mehr auf die Reihe kriegen. die Nacht der Zweifel, die Nacht der 1000 Fragen, auf die man keine Antwort kriegt.
In diese Nacht, die anscheinend nie zu Ende ist und an manchen Tagen noch dunkler empfunden wird, in diese Nacht hinein verkündet der Prophet Jesaja „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf“! (Jes 9,1)
Ich möchte ihn fragen: Jesaja wo bleibt das Licht?
Wo bleibt das Licht für die Menschen, die wie Maria und Josef keine Bleibe haben; deren Häuser ganz oder teilweise zerstört sind, deren Hab und Gut davongeschwommen ist?
Wo bleibt das Licht in diesen Tagen der Pandemie? Die Nachrichten lassen nichts Gutes vermuten.
Wo bleibt das Licht in der Nacht meiner Einsamkeit nachdem ein lieber Mensch gestorben ist oder der Partner mich verlassen hat?
Jesaja, wo bleibt das Licht in der Dunkelheit des Lebens der Armen, Alten und Behinderten, der Flüchtlinge?
Es gibt so viel Streit und Unfrieden, Angst, Unsicherheit, Finsternis? Wo ist das Licht, Jesaja?
Das Licht ist für Jesaja ein Kind, das geboren wird – zu seiner Zeit wohl das Kind des Herrschers, das eine neue Zeit verheißt.
Uns wird ein anderes Zeichen geben: „Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt“, sagt der Engel den Hirten.
Ein Kind in Windeln!?– nein, wir brauchen einen Gott, der dreinschlägt. Einen Gott, der aufräumt. Einen Gott, der endlich die Nächte in den Seelen der Welt beendet. Wir wüssten schon, was richtig wäre.
Aber er ist kein Gott nach unserem Bild, nach unserer Vorstellung. Er kommt nicht mit Macht, Glanz, Herrlichkeit – so wie die Welt es sich vorstellt. Er kommt nicht um neuen Schrecken, neue Angst zu verbreiten. „Er ist gekommen wie das Kleinste der Wesen, das Zerbrechlichste, das Schwächste.“ (Paul VI.) Gott macht sich klein – das stellt alles auf den Kopf, was Menschen normalerweise mit Gott in Verbindung bringen.
Deshalb sind wir auf Zeichen angewiesen, die uns helfen zu erahnen, zu verstehen. Das Licht ist ein solches Zeichen. Wir wissen, dass das Licht einer Kerze einen Raum erhellen kann.
Das Licht ist ein Geschenk. Wir können zwar mit technischen Mittel die Nacht zum Tage machen. Aber Licht können wir aus eigener Kraft nicht schaffen! Ebenso wenig wie wir selbst eine heile Welt bauen oder einen neuen und vollkommenen Menschen züchten können.
Das Licht ist ein Geschenk. Wenn Gott es in uns anzündet, dann können wir es weitergeben, andere wärmen und ihren Weg erhellen
Das gehört durchaus auch zu unserer Erfahrung: es gibt nicht nur Dunkelheiten. Es gibt auch Augenblicke des Lichts: bereichernde Begegnungen, Momente der Nähe und Zuwendung, Versöhnung, Erbarmen, Heilung, Freundschaft, Liebe. Es gibt Stunden von Solidarität, Mitgefühl, Hilfe.
Die Liste ließe sich lange fortsetzen. Manchmal war es vielleicht nur ein kleines Licht, aber es war gerade hell genug, dass ich neuen Mut fassen konnte und es Schritt für Schritt weiterging.
Was hindert uns daran, diese Lichter in den Dunkelheiten unseres Lebens zu deuten als Zeichen von Gottes Liebe.
Das ist die Botschaft von Weihnachten: Gott möchte uns nicht im Dunkeln sitzenlassen.
Gott möchte uns nicht im Dunkeln sitzen lassen – wahrlich ein Grund, heute ein Fest zu feiern, ein Fest des Glaubens – aber nicht nur für uns, sondern auch für andere.
Und: indem wir Ernst machen mit dem Wort aus dem Epheserbrief: „Lebt als Kinder des Lichts! Das Licht bringt lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor. (Eph 5,8)
Das ist die Weise, wie wir das Dunkel in unserer kleinen Welt besiegen können in der Hoffnung, dass es ausstrahlt auf die große Welt: durch Güte, Gutsein, durch Gerechtigkeit, Gerecht sein und durch Wahrheit, wahr sein!