Glückwunsch zum Geburtstag – zwei Versuche

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Pfingsten gilt als das Geburtsfest der Kirche. Ich lade Sie ein zur Geburtstagsparty. Kommen Sie mit zur Gratulation und halten wir eine Rede auf das Geburtstagskind!

Erster Versuch
Herzlichen Glückwunsch, Kirche, du hast dich gar nicht verändert, möchte man sagen. Du sitzt noch immer wie damals in Jerusalem hinter verschlossenen Türen. Du bist erstarrt, mühsam versuchst, mit immer weniger Personal immer mehr Menschen zu erreichen. Du nimmst garnicht wahr, wie viele Menschen dir täglich den Rücken kehren.

In der letzten Woche sind zwei meiner Freunde gegangen.
Die beiden sind erschüttert, sie sind verletzt, sie haben resigniert, haben keine Perspektive für die Zukunft mehr, sehen für sich und ihre Kinder keine Heimat mehr in dieser Kirche. Sie haben es sich nicht leicht gemacht. Ihre ganze Biografie ist plötzlich gegenwärtig. Sie haben gezögert, sie haben gefragt und keine Antwort bekommen, sie haben mit sich gerungen, es immer wieder versucht – bis sie nicht mehr anders konnten. Ich habe keine Argumente dagegen.

Hallo Kirche, hinter verschlossenen Türen streitest Du Dich um Dinge, die die Menschen draußen nicht mehr verstehen. Die einen predigen Barmherzigkeit, die anderen meinen, mit forcierter Dogmentreue könne man deine Attraktivität steigern.
Du hast die Türen verschlossen, weil du meinst, nur so könntest du dir die heile Welt bewahren, Dich gegen den bösen Zeitgeist behaupten und mit reiner, unbeschmutzter Seele davon kommen.

Du hast die Türen verschlossen, weil Du Angst hast vor denen draußen und Angst hast vor der eigenen Courage.
Du hast Angst vor den Frauen, du hast Angst vor queeren Menschen, Du hast Angst vor Laien. Und vor vielem anderen.Du verwechselst Einheit mit Uniformität. Überall spüre ich Angst.

Ich gestehe, diesem Geburtstagskind gratuliere ich nicht!

Zweiter Versuch:
Herzlichen Glückwunsch Kirche – deine ganze Geschichte ist voll von Menschen, die in immer wieder neuen Anläufen Deine Türen und Fenster geöffnet haben, und dafür sorgten, dass ein neuer Geist durch alte Gemäuer fegte.

Ich denke an Franziskus von Assisi, an Katharina von Siena, an Ignatius von Loyola, an Adolf Kolping, Mutter Theresa, Johannes XXIII. oder Kardinal Oscar Romero. Um nur einige zu nennen. Mitreißende, begeisterte Zeitgenossen ihrer Zeit.
Was für die Anfänge in Jerusalem galt, kann man auch von ihnen sagen: sie verstehen Gott, sie verstehen die Welt und die Welt versteht sie.

Diese Menschen gibt es auch heute:

  • es sind alle dienigen, die versuchen, die Botschaft Jesu gegen alle Widerstände, gegen alle Frustrationen und Enttäuschungen zu leben.
  • die Eltern und Großeltern, die ihre Kinder das Beten lehren,
  • die vielen, die in ihrer kleinen Welt anders denken, anders lieben, anders handeln als die Welt ihnen vorgibt und so nicht nur ihre kleine Welt verändern;
  • Es sind diejenigen, die wissen, das Glauben nur gemeinsam geht und die das miteinander versuchen, auch wenn es oft mühsam ist.
  • Es sind diejenigen, die eine einladende und nicht eine ausschliessende Kirche sein wollen.

Dieser Kirche sage ich: Herzlichen Glückwunsch!

Der Glückwunsch gilt nicht denen da oben, nicht den Klerikern und Amtsträgern, nicht anderen – sondern uns!

Wir sind Kirche, wir haben heute Geburtstag!
Wir sind die Kirche von 2023 – nicht mehr die von 1950, 60 oder 70 – auch wenn manche daran schöne Erinnerungen haben mögen.

Es liegt an uns, ob wir hinter verschlossenen Türen allein bleiben und immer weniger werden oder vom Geist erfüllt die Türen öffnen und nach draußen gehen. Mit den Menschen sind, bei den Menschen sind. Glanz gleich,  wer sie sind, wie sie sind. Wie sie leben, wen sie lieben.

Bertolt Brecht erzählt die „Geschichten vom Herrn Keuner“. Eine kurze Geschichte lautet so: Ein Mann, der Herrn K. lange nicht gesehen hatte, begrüßte ihn mit den Worten: „Sie haben sich gar nicht verändert.“ „Oh!“ sagte Herr K. und erbleichte.

Eine Kirche, die sich nicht verändert, lässt mich auch erbleichen – denn hinter verschlossenen Türen weht kein frischer Wind, vom Geist Gottes ganz zu schweigen.

Sind Sie auch ein Zachäus?

Kennen Sie eigentlich Zachäus? In der Bibel steht eine Geschichte über ihn: er war klein von Gestalt und bei seinen Mitmenschen mehr als unbeliebt. Von Beruf war er Zöllner, genauer gesagt: Oberzöllner. In biblischer Zeit kein geschätzter Beruf, denn die Zöllner, die ihre Stationen von der römischen Besatzungsmacht gepachtet hatten, waren oft willkürlich in ihrer Festsetzung der Zölle und Steuern.

Ihren Reichtum hatten sie sich auf sehr unsaubere Art erworben. Da klingt der Name des Zachäus schon fast wie Hohn, übersetzt heißt er soviel wie „rein“. Wie gesagt: er war klein von Gestalt. So wundert es nicht, dass er auf einen Baum klettert, als ein gewisser Jesus aus Nazareth in die Stadt kommt, von dem alle Welt spricht. Vielleicht weil ihm die größeren Zeitgenossen den Blick versperrten oder weil er im Blätterwerk des Baumes nicht gesehen werden wollte. Er wäre nicht der erste, der sich schuldbewusst versteckt hat – Adam lässt grüßen.

Das Überraschende geschieht: Jesus nimmt den Verborgenen wahr und lädt sich zu ihm ein. „Heute will ich in Deinem Haus zu Gast sein!“ Aber hallo, Herr Jesus – da stehen doch wohl Frommere am Wegesrand, vielleicht sogar die neugierige High Society von Jericho. Oder auch Arme, denen ja sonst deine Aufmerksamkeit gilt. Und dich zieht es ausgerechnet zu diesem Halsabschneider, mit dem ein „anständiger Jude“ keine Gemeinschaft hat. – So oder ähnlich wird man damals auf den Straßen Jerichos getuschelt haben.

Jesus, der „Freund der Zöllner und Sünder“, wie man ihn nennt, lässt sich nicht beirren. Schnell soll Zachäus seinen Aussichtspunkt, sein Versteck verlassen, damit Jesus bei ihm einkehren kann. Ohne Vorbedingung, ohne „Taufschein“ (gab es damals noch nicht – aber man weiß was gemeint ist), ohne Glaubensbekenntnis, ohne Gegenleistung. Einfach so. „Freudig“ nahm er ihn bei sich auf.

Das Zerbrochene bleibt

Kintsugi

Kintsugi

Und dann muss etwas passiert sein. Etwas hat sich ereignet zwischen Gast und Gastgeber. Ich kann es mir nur so erklären: Zachäus steht plötzlich vor dem Scherbenhaufen seines Lebens. Er will alles wieder gut machen und erlebt, dass der Gast es ist, der die Scherben neu zusammenfügt – so wie man es bei der japanischen Kintsugi-Kunst anschaulich erlebt: das Zerbrochene bleibt aber in einer neuen, kostbaren Gestalt. „Heute ist Rettung diesem Haus widerfahren“, heißt es in der Bibel.

Die Begegnung zwischen Jesus und Zachäus hat das Leben des Zöllners in Ordnung gebracht. „Heute ist ein Freudentag“, sagt Jesus in einer modernen Übersetzung. Das was keiner seiner Zeitgenossen für möglich hielt, erlebt Zachäus in seinem eigenen Haus: die Zusage, er ist ein Sohn Abrahams, verloren und wieder gefunden. Der kleine Mann ist plötzlich ein Großer im Reich Gottes!

Die bedingungslose Zuwendung Gottes, die in Jesu Wort und Handeln deutlich wird, macht das Haus des Zachäus zu einem heiligen Ort, zu einem Ort des Heils.

„lukas19“ – eine neue Möglichkeit, Kirche zu sein

Was hindert mich daran, zu glauben, dass auch mein Zuhause ein heiliger Ort ist?
Das war die Geburtstunde von „lukas19“, dem Netzwerk von Menschen, die wie ich daran glauben, dass sie Menschen wie Zachäus sind und deren Zuhause auch ein heiliger Ort ist. Dort feiern sie Gottesdienst, digital verbunden mit anderen Menschen. „lukas19“ – weil die Geschichte von dem kleinen Zachäus im 19.Kapitel des Lukas-Evangeliums aufgeschrieben ist.
Netzwerk „lukas19“ – eine neue Möglichkeit von Kirche – anders als wir es gewohnt sind und vielleicht zukunftsfähig.

Sie wollen mehr über „lukas19“ wissen – Lesen Sie HIER nach!
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Es geht auch ohne Nimbus!

„Da ist der Nimbus futsch“, dieses Bonmot aus dem Mund des unvergessenen Kardinal Frings kam mir in den Sinn als ich heute die inzwischen bestätigte Facebook-Notiz las, Papst Franziskus habe sich mit einem Augenzwinkern für sein Fehlen bei der Sitzung der argentinischen Bischofskonferenz entschuldigt „wegen kürzlich übernommener Verpflichtungen“.
Franziskus überrascht zur Zeit die Welt, die Kirche und wahrscheinlich seine Umgebung am meisten. Er lässt  den Nimbus erst gar nicht zu. Alle, die in der Vergangenheit die Gloriole „Seiner Heiligkeit“ fleissig geputzt haben, sind nun arbeitslos. Wir erleben einen Bischof von Rom (so nennt er sich selbst), der mit großer Liebe und Herzlichkeit auf die Menschen zugeht und zugleich klare Positionen bezieht.
Es geht dem Jesuiten auf dem Stuhl Petri um das Wesentliche, nicht um die Äußerlichkeiten. Der Mensch, der diesen verantwortungsvollen Dienst ausübt, bleibt sichtbar – wie in der Absage an seine Bischofskollegen.
In den Predigten der morgendlichen Messe im Gästehaus Santa Martha sagt er sehr einfache, aber sehr geistliche Worte, die mich nahezu jeden Tag aufhorchen lassen. Letzte Tage plädierte er dafür, dem Konzil nicht ein Denkmal zu setzen, das uns doch nicht berühre, sondern sich vom Geist des Konzils vorantreiben zu lassen.
Gestern wandte er sich gegen die Ideologen in der Kirche, die nur über das Müssen sprechen. Sie würden alles auf die Schultern der Gläubigen laden und das Evangelium verfälschen. Franziskus nennt sie  „Intellektuelle ohne Talent, Ethiker ohne Güte“ und fügt hinzu: „Und von Schönheit sprechen wir gar nicht, denn davon verstehen sie nichts.“
Heute morgen hat er uns dazu aufgerufen, uns nicht eine Kirche nach menschlichem Maß bauen zu wollen. Es gehe nicht um den gesunden Menschenverstand, sondern um die Weisung Jesu. Wie bei Petrus heißt die Frage auch für uns: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.“Papst Franziskus betete zusammen mit den Vatikanangestellten, die an der Messe teilnahmen, „für die Kirche, damit sie weiter wächst und gestärkt wird“: „Der Herr befreie uns von der Versuchung des gesunden Menschenverstands. Dass wir nicht gegen Jesus murren, weil er uns zu anspruchsvoll vorkommt, und dass wir nicht in Versuchung geraten, Anstoß an ihm zu nehmen!“
Für solche Worte, die zu Herzen gehen, braucht man keinen Nimbus. Er stört eher!

Frühling für die Kirche

Rom ist in diesen Wochen für manche Überraschung gut. Zuerst tritt der Papst zurück. Eine Tatsache, an die man sich als Katholik zuerst einmal gewöhnen muss; denn ein solcher Schritt stand außerhalb unseres bisherigen Denkens. Person und Amt sind nicht identisch, machte Benedikt XVI. mit seiner Entscheidung deutlich. Der neue Papst ist ein Kirchenmann aus Lateinamerika, ein Bischof mit der Option für die Armen, der sich als Papst den Namen Franziskus gibt. Er fährt am Morgen nach seiner Wahl mit einem einfachen VW Passat durch die Stadt, betet in Santa Maria Maggiore und lässt sich anschließend in das Hotel bringen, wo er noch seine Übernachtungsrechnung bezahlen muss. In seiner ersten Messe fehlen die in den letzten Jahren so selbstverständlich gewordenen Attribute päpstlicher Gottesdienste, alles ist viel einfacher geworden. Die Predigt hält er nicht vom „Thron“ aus, sondern er steht am Ambo, ohne Manuskript. Drei Dinge gibt er den Kardinälen und damit der ganzen Kirche mit auf den Weg: Gehen – Aufbauen – Bekennen! Und dies im Zeichen des Kreuzes; denn so Papst Franziskus: „Wenn wir ohne das Kreuz voranschreiten, wenn wir ohne das Kreuz aufbauen und wenn wir uns zu einem Christus ohne Kreuz bekennen, dann sind wir keine Jünger des Herrn: wir sind weltlich, wir sind Bischöfe, Priester, Kardinäle, aber keine Jünger des Herrn.“ Ich gestehe es gerne: ich freue mich über diesen Papst und ich verbinde mit ihm die große Hoffnung, dass das, wofür das II.Vatikanische Konzil eingetreten ist, unter ihm wieder an Bedeutung gewinnt. Das Konzil hat mich in meiner Jugend sehr geprägt und meinen Weg mitbestimmt. Deshalb ist es mir persönlich so wichtig. Vom Heiligen Franziskus sagt man: er war wie der Einbruch des Frühlings in Kirche und Welt. Ich hoffe und bete, dass Papst Franziskus auch wie Frühling für unsere Kirche wird. Er wird es nicht einfach haben in der römischen Kurie. Deshalb braucht er unser Gebet. Der Beistand seines Namenspatrons ist ihm gewiss.

Mission (im)possible

Jesus hat keine anderen!

Wenn es nach Fischer_Netzdem Mainstream ginge, dann wäre die Mission des Jesus von Nazareth schon im Anfang gescheitert. Ein erfolgloser Fischer, der die ganze Nacht umsonst gefischt hat und jetzt mit leerem Netz vor ihm steht. Der auch noch öffentlich bekennt: „ich bin ein Sünder“, ein Versager, ein Loser. Einen solchen Bewerber stellt man nicht ein. Mission unmöglich! Mission impossibile.

Jesus von Nazareth setzt auf ihn, obwohl das lose Mundwerk und die Selbstüberschätzung des Fischers Petrus ihn noch wütend machen und enttäuschen werden. Er weiß um die Fehler und vertraut ihm trotzdem „seinen Laden“ an. Er hat keinen anderen – damals nicht und heute nicht!

Die Kirche des Jesus von Nazareth kennt viele Heiligen, aber sie besteht von Anfang an nicht nur aus solchen. Vom Papst angefangen bis hin zum einfachen Gläubigen – alle wollen das Beste und ertappen sich wie der Apostel Paulus dabei, dass sie das Böse tun. Und doch: damals wie heute setzt Jesus auf sie. Er hat keine anderen. Für ihn ist mit ihnen Mission möglich.

Wenn doch nur alle etwas demütiger würden. Schon Karl Rahner gesagt, dass die Leitungskräfte nicht immer die besten Christen sind. Er vergleicht es mit einem Schachclub, dessen beste Spieler zu den Turnieren fahren, während andere im Vorstand sitzen. Der Vergleich mag manche fromme Seele erschüttern, aber er trifft die Sache.

Die Weihe macht aus begrenzten Menschen keine Allround-Genies. Das hat man uns lange glauben machen wollen. Priester und Bischöfe bleiben Menschen mit Stärken, Kompetenzen und Charismen, aber auch mit Schwächen und Grenzen. Immer wieder hat man den Menschen eingeredet, sie dürften von den Amtsträgern alles an Fähigkeiten erwarten, und wundert sich heute, dass die Erwartungen so hoch geworden sind. Ihnen kann niemand mehr gerecht werden – weil niemand ein Alleskönner ist!

Johannes XXIII. hatte wohl einen realistischen Blick auf sich selbst, auf die Kirche und auf die Welt. Johannes, der sich selbst nicht so wichtig nehmen wollte, propagierte für die Kirche das „Aggiornamento“. Er wollte sie auf die Höhe der Zeit bringen, was nicht bedeutet, der Zeit anpassen.

Die Welt hat in den letzten 100 Jahren eine Entwicklung durchgemacht wie in keinem Jahrhundert vorher. Dies anzuerkennen, statt zu jammern und zu klagen, wäre ein erster Schritt hin zum „Aggiornamento“. Es wäre ein erster Schritt runter vom Podest! Wer bei den Menschen ist, findet auch überzeugende Antworten auf die Fragen der Menschen von heute.

Nur demütig müssen wir bleiben, unseren selbst gebastelten Heiligenschein abnehmen. Wir tragen unseren Schatz in zerbrechlichen Gefäßen. Und die sind wir selbst. Aber Jesus hat keine anderen für seine Mission – das gibt mir Mut.

Wer die Geschichte nachlesen will:Petrus – Bibel Lukas Evangelium Kapitel 5, Verse 1 -11
Paulus – Bibel Brief an die Römer Kapitel 7, Vers 19

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