Ein kleines Dorf im Kanton Freiburg mit einer großen Botschaft auf dem Kirchhof.
Hier liegen die Toten noch rund um die Kirche und wenn am Sonntag die Menschen zur Messe gehen, dann gehen sie auch über die Gräber ihrer Vorfahren. Sie sind sich bewusst: wir stehen immer auf den Schultern anderer. Aber noch etwas anderes fällt auf: alle Gräber sind gleich. Ein kleiner Sockel mit dem Namen und darüber ein Holzkruzifix versehen mit einem kleinen Dach als Schutz gegen den Regen. Hier gibt es keine Mini-Mausoleen, keine Grab-Monumente, die noch nach dem Tod verkünden wie reich doch der Lebende war und wie groß er sich selbst gesehen hat oder ihn seine Angehörigen sehen wollten.
„Im Tod sind alle gleich“ – lautet Botschaft auf dem Kirchhof von Jaun. „Das letzte Hemd hat keine Taschen“ weiß der Volksmund. Doch mancher will mit Granit-, Marmor- oder Bronzemassen das Wort Lügen strafen. „Nackt kam ich hervor aus dem Schoß meiner Mutter, nackt kehre ich dahin zurück“, heißt es im Buch Hiob (Kapitel 1, Vers 21) Ich gehe mit leeren Händen, aber in meinen Leib ist eingeprägt mein Leben mit allen seinen Erfahrungen, mit verschenkter und empfangener Liebe, mit seinen Leiden, Schmerzen, Enttäuschungen, mit seinen Erfolgen und seinem Scheitern, mit meinem Versagen, meinen Fehlern und Defiziten, mit meiner Sünde, mit allem, was mich in meinen Lebensjahren unverwechselbar gemacht hat. Und dieser Leib wird auferstehen und sich Gottes Gericht stellen.
Der Anblick der Gräber löst Assoziationen aus: sie stehen dort in Reih und Glied, wie eine kleine Armee, alle ausgerichtet nach Osten, in Richtung aufgehender Sonne, dem alten Sinnbild des auferstandenen Christus, der wie die Sonne die Nacht den Tod besiegt hat. So rufen uns die Toten auf dem Kirchhof in Jaun zu: „Von dort her erwarten wir Jesus Christus, den Herrn, als Retter, der unseren armseligen Leib verwandeln wird, in die Gestalt seines verherrlichten Leibes.“ (Philipperbrief Kapitel 3, Vers 20)