Predigt an Fronleichnam in Dernau/Ahr
Auf die Predigt könnte ich heute eigentlich verzichten, denn sie und ich, wir alle sind heute die Predigt. Wenn wir nach der Messe in Prozession durch die Straßen unseres Ortes ziehen, dann ist das ein Bekenntnis, wie eine Predigt auf vielen Beinen. Aber was erwartet uns da draußen?
Nicht nur Menschen, die Beifall klatschen, die das gut finden, dass wir uns auf den Weg machen, auch wenn sie selbst nicht mitgehen.
Es wird auch viele geben, die den Kopf schütteln und sich abwenden. Die von alten Zöpfen reden, die man endlich abschneiden müsste.
Andere werden innerlich und hoffentlich nicht lautstark schimpfen, weil unsere Kirche nicht den besten Ruf hat.
Damit meine ich nicht nur die Missbrauchsfälle, ich meine auch den Umgang der Kirche mit Frauen, mit Wiederverheirateten Geschiedenen, mit Menschen, die unverheiratet, zusammenleben, mit queeren Menschen. Ich meine auch die endlosen Diskussionen um die Strukturen, die Zusammenlegungen von Gemeinden, das Schließen von Kirchen.
Unsere Kirche hat wahrlich nicht mehr den besten Ruf. Es hat sich auch einiges getan in den letzten Jahren. Aber oft erlebe ich unsere Kirche wie eine Springprozession: zwei Schritte vor und wieder einen zurück.
Und trotzdem trauen wir uns heute raus – wir wagen es. Weil wir eine Botschaft haben – eine dreifache Botschaft.
- Die Eucharistie ist niemals etwas rein Privates.
Das wird schon hier in der Kirche deutlich, das zeigt sich erst recht, wenn wir gleich auf die Straße gehen. Menschen unterschiedlichen Alters, Geschlechts, sozialen Standes und unterschiedlicher politischer Auffassungen sind hier versammelt. Wir haben uns einander nicht ausgesucht.
Das ist kein exklusiver Freundschaftsclub, sondern eine Gemeinschaft, die geeint ist durch den Glauben an Christus und durch den Ruf Christi, den wir im Eucharistischen Brot anbeten und verehren.
Deshalb entfernt uns diese Feier nicht von den Menschen, erst recht nicht in dem Sinne, dass hier drinnen die heile Welt sei und draußen die böse.
Weil wir dem folgen, der vor dem Menschen niederkniete, um ihm die schmutzigen Füße zu waschen, sind wir herausgefordert: es geht darum die Welt, die große wie unsere kleine, zu einem Ort zu machen, wo es sich gut, vor allem aber menschenwürdig leben lässt.
Deshalb wagen wir uns raus – weil wir uns als Christen nicht selbst genügen.
- Wir feiern Fronleichnam im Gehen.
Gleich in der Prozession gehen wir, wir machen einen Schritt und noch einen Schritt so wie im „richtigen Leben“.
- Da geht es manchmal vorwärts ohne jede Mühe,
- da kommt man aber auch mal ins straucheln,
- da stolpert man
- da geht es anscheinend nicht mehr weiter,
- da läuft man im Kreis,
- da will man nicht mehr.
Wir spüren es jeden Tag. Wir alle brauchen Gefährten und Gefährtinnen,
- die mit uns gehen, die den Weg mit uns teilen,
- die uns halten können, wenn wir straucheln,
- die uns die Richtung weisen, wenn wir die Orientierung verloren haben,
- die uns aufhelfen und Mut machen, wenn es nicht mehr weitergeht.
Wenn wir gleich mit der Monstranz durch die Straßen ziehen dann machen wir dadurch deutlich, dass Christus für uns der ist, der uns zum Gefährten wird, wenn menschliche Gefährtenschaft nicht oder nicht mehr möglich ist.
Gleichzeitig bekennen wir, dass in jedem, der mit uns geht, dass in jedem, der uns die Hand hält, in jedem, der uns Mut macht, uns Christus selbst begegnet.
Deshalb wagen wir uns raus – weil wir den Menschen sagen wollen: wir können nur miteinander, wir können nur mit Euch!
- Wir tragen Christus durch unsere kleine Welt.
Wir vertrauen die Straßen, die Häuser, auch die kaputten, die geflickten und die wieder aufgebauten, die Menschen, die in diesen Häusern wohnen und arbeiten, den ganzen Ort der Güte Gottes an.
Wir bringen gleichsam vor seine Augen die Leiden der Kranken, die Einsamkeit der Jungen und Alten, die Versuchungen und Ängste, das ganze Leben hier im Tal.
Im Bewusstsein, dass all unser Bemühens endlich ist, verehren wir den, dessen Auferstehung den Sieg über den Tod, über die Endlichkeit darstellt.
Die Eucharistie ist die Begegnung mit der Liebe, die stärker ist als der Tod. Deshalb wagen wir uns raus, um dem so oft Leblosen das Leben zu zeigen.
„Der Weg der Kirche ist der Mensch“ – hat der Heilige Johannes Paul II. gesagt.
Ob die Menschen die Botschaft dieser Prozession verstehen, hängt auch von uns ab.
Der Weg der Kirche ist der Mensch – unser Weg endet nicht hier in der Kirche. Er führt nach dem Schluss-Segen weiter zu den Menschen.