Wenn der Himmel stumm bleibt – und ich doch bete.
Manchmal bleibt der Himmel stumm. Und doch – wer betet, bleibt nicht derselbe.
Eine Predigt über die beharrliche Witwe, das Ringen um Gottes Antwort und die Kraft, die im Gebet selbst liegt.

„Die Tragödie des modernen Menschen liegt darin, dass er den Weltraum erobert hat – aber das Gebet vergessen.“
So formulierte es Elie Wiesel, Überlebender des Holocaust und Friedensnobelpreisträger von 1986.
Die beharrliche Witwe aus dem Evangelium lädt uns ein, über das Beten nachzudenken.
In der Geschichte, die Jesus erzählt, hat diese Frau eigentlich keine Chance gegen den gottlosen Richter.
Witwen gehörten in der damaligen Gesellschaft zu den Schutzlosesten – ohne Mann, ohne Stimme, ohne Macht.
Ein Richter dagegen hatte Einfluss und Ansehen; er konnte über Leben und Tod entscheiden.
Richter gegen Witwe. Ein ungleicher Kampf also: Macht gegen Ohnmacht.
Aber die Witwe gibt nicht auf. Ihre Stärke liegt in ihrer Hartnäckigkeit – und am Ende bekommt sie ihr Recht.
Diese Entschiedenheit gilt auch für unser Gebet.
Jesus verspricht uns, dass Gott uns zu unserem Recht verhelfen wird, wenn wir „Tag und Nacht zu ihm schreien“.
Vielleicht denken Sie jetzt:
„Ich habe andere Erfahrungen gemacht. Ich habe den Himmel bestürmt, Kerzen entzündet, gefleht, geklagt, geschrien – und doch blieb der Himmel stumm.“
Sie haben recht.
Die Erfahrung der Vergeblichkeit gehört zu unserer Gebetsgeschichte – ja, sie gehört zur Gebetsgeschichte der Menschheit überhaupt.
Schon vor 3000 Jahren klagte der Psalmist:
„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Ich schreie, doch meine Hilfe ist ferne.“ (Psalm 22)
Und auf das quälende „Warum?“ gibt es auch keine Antwort.
Aber ebenso kennen wir die andere Erfahrung, die ein Beter im Alten Testament so beschreibt:
„Ich suchte den Herrn, und er hat mich erhört;
er hat mich all meinen Ängsten entrissen.“ (Psalm 34)
Beten ist in der Bibel etwas ganz Selbstverständliches.
Es gab ursprünglich gar kein eigenes Wort dafür – denn Beten war Rufen, Frohlocken, Lachen, Weinen, Schimpfen, Flehen.
Im Gebet begegnen wir den Menschen, oft verbissen und heftig, verzweifelt und zweifelnd – ganz menschlich.
Das kennen wir auch aus unserem Leben, aus unserer Gebetsgeschichte.
Aber wir erleben auch, dass es oft so viel zu tun gibt, dass das Gebet ins Hintertreffen gerät. Vieles andere scheint wichtiger.
Das kenne ich auch – und dann ist es mir ein Trost, zu wissen, dass es Menschen gibt, die an meiner Stelle beten: nicht nur in den Klöstern, auch hier bei uns, mitten im Ort.
Es berührt mich immer, wenn ich dienstagsabends zur Messe komme und einige Frauen in der Kirche den Rosenkranz beten. Sie tun es stellvertretend – für uns alle – nicht nur dienstags.
In Assisi gibt es ein Altarbild des heiligen Franziskus:
Die rechte Hand zum Himmel erhoben, die linke weist auf die Erde.
Darum geht es: Wir dürfen von Gott vieles erwarten und erbitten – Selbstvertrauen, Mut, Geduld, Phantasie, alles, was nötig ist, um aus einer Notsituation gestärkt hervorzugehen.
Aber wir dürfen nicht erwarten, dass er uns die Arbeit abnimmt.
„Bete, als hinge alles von Gott ab,
und handle, als hinge alles von dir ab.“
In dieser Spannung steht jedes echte Gebet.
Wenn also im Alltag wieder vieles drängt und das Gebet Gefahr läuft, vergessen zu werden,
dann ist es gut, Gott bewusst mit ins Lebensboot zu holen.
Wer das tut, wird erfahren: Das Gebet verändert den Beter.
Die Mystikerin Mechthild von Magdeburg, eine fromme Frau des 13. Jahrhunderts, hat es so gesagt:
„Das Gebet hat große Macht,
das ein Mensch verrichtet mit seiner ganzen Kraft.
Es macht ein bitteres Herz süß,
ein trauriges Herz froh,
ein armes Herz reich,
ein törichtes Herz weise,
ein zaghaftes Herz kühn,
ein schwaches Herz stark,
ein blindes Herz sehend,
eine kalte Seele brennend.
Es zieht den großen Gott in ein kleines Herz,
es treibt die hungrige Seele hinauf zu dem Gott der Fülle.“
Ich wünsche Ihnen,
dass Sie wenigstens eine dieser Erfahrungen schon einmal gemacht haben –
und dass Sie sie nie vergessen.
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Danke für die tolle sehr gute Auslegung und Gebetsheschichte
Ich erinnerte mich an meine weit über 30 Jahren Stundengebet und inneres Beten Teresa v Abila
Ja das war kostbar beides in kombi
Leider ist mir beides verloren gegangen
Ich freue mich aufgenommen zu werden. Danke und liebe Grüße aus Dernau.
Marietta