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Predigt am 10.8.2025 Kolpingfest – https://blog.wilfried-schumacher.de/eine-himmlischere-welt-ist-eine-menschlichere-welt/
Predigt am 24.8.2025 – https://blog.wilfried-schumacher.de/nicht-wir-in-den-himmel-der-himmel-zu-uns/
Archiv für den Monat: August 2025
Nicht wir in den Himmel – der Himmel zu uns!
Jesus spricht von der engen Tür und der verschlossenen Tür – Bilder, die herausfordern und zugleich Hoffnung schenken. Es geht nicht darum, irgendwann in den Himmel zu kommen, sondern darum, dass der Himmel schon heute zu uns findet. Was das bedeutet und warum es unser Leben verändern kann, darum geht es in diesem Beitrag.
Welche Gefühle löst das Bild einer verschlossenen Tür in Ihnen aus? Vielleicht wirkt es bedrückend, vielleicht macht es Angst. Niemand steht gern draußen vor einer geschlossenen Tür. Und doch gebraucht Jesus dieses Bild: die enge, schmale Tür und die verschlossene Tür. Warum?
Die enge Tür macht deutlich: es geht um jeden Einzelnen. Man kann nicht in der Masse hindurch, nicht heimlich durchschlüpfen. Jeder muss bewusst eintreten. Aber: diese Tür ist offen. Offen für Menschen, die Gott suchen, die ihm vertrauen. Auch eine enge Tür kann einladend sein – weil sich dahinter eine neue Welt eröffnet.
Jesus sagt: ‚Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen.‘ Im griechischen Urtext steht für „bemüht Euch“ das Wort agonizein – es erinnert an ‚Agonie‘, den Todeskampf. Damit wird klar: es geht nicht um ein bisschen Mühe, sondern um Ernsthaftigkeit, um einen wirklichen Einsatz.“
Der Evangelist verbindet das Stichwort „Tür“ mit einem weiteren Bildwort Jesu. Die Geretteten werden als Festgesellschaft dargestellt, die mit dem Hausherrn Mahl feiert. Alle Plätze an der Tafel sind besetzt, die Tür wird abgeschlossen.
Bald erscheinen noch einige Nachzügler. Sie haben nach der Devise gelebt: „Nichts ist auf Erden so wichtig, dass es nicht auf morgen verschoben werden könnte. Der liebe Gott hat Zeit und kann warten“.
Den draußen Stehenden sagt der Hausherr: „Ich kenne euch nicht.“ „Die draußen bleiben, erwidern: ‚Wir haben doch mit dir gegessen und getrunken.‘ Sie berufen sich auf Bekanntschaft – wie wir es aus dem Alltag kennen: ‚Ich kenn da jemanden …‘ Beziehungen können hilfreich sein. „He, ich kenn dich doch! Wir haben uns doch da oder dort getroffen“.
Jemanden zu kennen, der wieder jemanden kennt, kann gut sein. Etwa, wenn man schnell Hilfe braucht oder dringend benötigtes Material.
In unserer Welt bekommt der Mensch oft dadurch einen Wert, dass er von jemandem gekannt wird! Wehe dem, der niemanden kennt.
Da kann man nur sagen: Hoffentlich kennt Gott uns am Ende unseres Lebens! Verständlich ein solches Denken – aber es verführt uns, all‘ unser Bemühen darauf zu konzentrieren, in den Himmel zu kommen.
Der frühere Aachener Bischof Klaus Hemmerle hat es auf den Punkt gebracht: ‚Wir Christen sind nicht auf Erden, um in den Himmel zu kommen, sondern damit der Himmel zu uns kommt.‘ Das stellt vieles auf den Kopf – und genau darin liegt die Botschaft Jesu.“
Jesus lehrte seine Jünger im Vaterunser nicht zu beten: „Lass uns in Dein Reich kommen!“ sondern „Dein Reich komme!“
Das ist Jesu Mission, den Himmel auf die Erde zu bringen. Die taumelnde Welt, von der ich schon vorletzten Sonntag gesprochen habe, soll himmlischer werden – auch in Dernau.
Kirche beschäftigt sich viel mit sich selber – mit Strukturen und nötigen Reformen. Wir fragen uns, wo gibt es Sonntag noch eine Messe? Was ist mit dieser und jener Tradition? Warum haben die Frauen nicht mehr zu sagen in der Kirche? Und und und. Sie kennen die Diskussionen – alle sind wichtig.
Aber oft vergessen wir darüber unsere eigentliche Berufung und Sendung: dafür zu sorgen, dass der Himmel auf die Erde kommt, wenigstens anfanghaft.
Es beginnt hier in der Messe. Die Wandlung ist das Wichtigste. Aber nicht nur die Gaben müssen verwandelt werden, sondern auch die Versammelten müssen sich wandeln lassen. „Leib und Blut Jesu Christi werden uns gegeben, damit wir verwandelt werden.“ sagte Papst Benedikt XVI. in diesen Tagen vor 20 Jahren beim Weltjugendtag in Köln.
Diese Verwandlung – so der Papst damals – „muß sich im Leben zeigen. Es muß sich zeigen in der Fähigkeit des Vergebens. Es muß sich zeigen in der Sensibilität für die Nöte des anderen. Es muß sich zeigen in der Bereitschaft zu teilen. Es muß sich zeigen im Einsatz für den Nächsten, den nahen wie den äußerlich fernen, der uns angeht.“
Genau darum geht es: wenn wir mit Jesus den Himmel auf die Erde bringen wollen. Nicht allein, sondern gemeinsam mit allen Menschen guten Willens – hier und heute, auch in Dernau.
Predigt am 24.8.2025 in Dernau
Eine himmlischere Welt ist eine menschlichere Welt
Am 10. August 2025 feierte die Kolpingfamilie Dernau ihr 60-jähriges Jubiläum – und zugleich die feierliche Einweihung des „Kolpingkellerchens“. Dieser Raum, gegenüber der Kirche gelegen, war bei der Flutkatastrophe 2021 schwer beschädigt worden und konnte dank Hilfe und Solidarität aus ganz Deutschland wiederhergestellt werden. In der Predigt zum Festgottesdienst geht es darum, biblische Hoffnung, die Gedanken seligen Adolph Kolping und die Geschichte des Dorfes zu einer Einladung werden zu lassen, Licht und Zeichen der Hoffnung in einer „taumelnden Welt“ zu sein.
„Steht auf und gebt der Welt ein Lebenszeichen.
In jedem von euch brennt dasselbe Licht.
Noch ist es dunkel, doch die Nacht wird weichen.
Schenkt der Welt ein menschliches Gesicht.“
Diese Worte aus dem Musical „Kolpings Traum“ , das zum 200.Geburtstag Adolph Kolpings im Jahre 2013 entstanden ist, sind mehr als nur ein Lied. Sie sind eine Botschaft – ein Ruf.
Heute treffen sie auf uns:
• Wir feiern das 60-jährige Jubiläum unserer Kolpingfamilie
• und die Einweihung des Kolpingkellerchens.
Das „Kolpingkellerchen“ gegenüber der Kirche ist mehr als ein Raum:
Es erzählt von Zerstörung und Flut, von Hilfe und Solidarität, von Hoffnung und Neubeginn.
Es steht sinnbildlich für unser ganzes Dorf:
Was zerstört war, wächst nach und nach neu. Was dunkel war, wird hell.
Im Evangelium haben wir von einer Situation gehört, die nicht einmalig ist: Jesus sieht die Menschenmenge – hungrig, erschöpft.
„Hungrig und erschöpft“ – vielleicht auch Bild für die Menschen heute.
Sie hungern „nach Frieden, nach Gerechtigkeit, nach einer Mitwelt, in der man das Wasser trinken und die Luft atmen kann, ohne dass sie schaden.“, wie es der Pastoraltheologe Paul Zulehner in einer Rede in dieser Woche in Wien sagte. Sie sind erschöpft, sie leben in einer „taumelnden Welt“.
Jesus sagt damals: „Ich will sie nicht hungrig nach Hause gehen lassen.“ Und fragt die Jünger: „Wieviel Brot habt Ihr?“
Sieben Brote und ein paar Fische – mehr ist nicht da.
Doch Jesus lässt sie teilen und segnet sie. Und es reicht für alle!
Das Wunder beginnt nicht erst bei Gott –
es beginnt dort, wo Menschen ihr Weniges teilen.
Ist das nicht auch die Erfahrung nach der Flut?
• Jeder brachte, was er konnte: Zeit, Kraft, Werkzeuge, Spenden.
• Aus Wenigem wurde viel.
• Mutlosigkeit verwandelte sich in Hoffnung.
Gott wirkt dort, wo Menschen teilen.
Der Theologe, den ich eben zitierte, sagte dazu am Mittwoch: „Christen werden zu Himmelsgeschenken und zu Hoffnungshebammen für die Welt. Eine himmlischere Welt ist eine menschlichere Welt“ auch in Dernau.
So wird unser Kolpingkellerchen, das heute Nachmittag der Bischof einweiht, zu einem Zeichen für vieles, was wir im Dorf erleben:
• Es ist Solidarität zum Anfassen.
• Es ist Hoffnung zum Greifen.
• Es ist Gemeinschaft, die bleibt.
„Auf unser tätiges Christentum kommt’s an … wir müssen es frisch und wohlgemut ins bürgerliche Leben hinaustragen.“ so sprach Kolping schon vor fast 200 Jahren.“
Hier – und in vielen Häusern unseres Dorfes – lebt dieses tätige Christentum.
Nicht nur in der Kirche. Nicht nur in der Liturgie. Sondern im Alltag.
Das Lied, das ich am Anfang zitierte, legt Adolph Kolping diese Worte in den Mund:
„Steht auf und gebt der Welt ein Lebenszeichen!“
Schenkt der Welt ein menschliches Gesicht.
Hier im Altar, in dem Bergkristall ist eine Reliquie von Adolph Kolping. Sie erinnert uns immer wieder, was das bedeutet:
• Nicht stehen bleiben beim Dank.
• Nicht nur unter uns bleiben.
• Hinausgehen – Licht sein – Hoffnung schenken.
Heute feiern wir nicht nur einen Raum oder ein Jubiläum.
Wir feiern die Erfahrung: Gott ist mitten unter uns.
In geteiltem Leid und Freude.
In helfenden Händen.
Und wir hören den Ruf:
„Steht auf und gebt der Welt ein Lebenszeichen!
Schenkt der Welt ein menschliches Gesicht.“
• Zeigen wir unser Licht.
• Schenken wir der Welt ein menschliches Gesicht.
• Machen wir die Häuser in unserem Dorf zu Orten, von denen Hoffnung ausgeht.
Dann wird Kolpings Traum weiterleben – hier bei uns, sichtbar für alle.
Das Evangelium vom „Jedermann“
In diesen Wochen verwandelt sich Salzburg wieder in eine große Bühne: Die Salzburger Festspiele laufen auf Hochtouren. Und wie jedes Jahr zieht eine Aufführung ganz besonders die Menschen an: „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal – das Spiel vom Sterben des reichen Mannes.
Es ist wohl nicht nur die einmalige Kulisse des Salzburger Domplatzes oder die prominente Besetzung, die jedes Jahr so viele Zuschauer anzieht. Es hat sicher auch mit dem Inhalt zu tun.
Gott befiehlt dem Tod, Jedermann vor seinen Richterstuhl zu bringen. Der reiche Jedermann, der sein Leben in Saus und Braus führt und kaum Mitgefühl für die Sorgen anderer kennt, gibt gerade ein prunkvolles Festmahl.
Plötzlich ertönt sein Name: „Jedermann!“ – für alle hörbar. Der Tod tritt auf und verkündet sein Ende. Schlagartig verlassen ihn die Freunde. Wo eben noch gelacht und gefeiert wurde, herrscht beklemmende Stille.
Jedermann bittet den Tod, einen Begleiter mitnehmen zu dürfen. Doch alle verweigern sich – selbst sein Vermögen, personifiziert durch den Mammon.
Erst als er Reue zeigt, findet er Begleiter: seine guten Werke und den Glauben. Der Teufel erhebt Anspruch auf seine Seele, wird aber vom Glauben abgewehrt. In einer versöhnlichen Schlussszene geht Jedermann heim in Gottes Vergebung.
Der Stoff, aus dem Hofmannsthal schöpfte, ist uralt und zugleich zeitlos aktuell. Er birgt eine große Lebensweisheit. Ich vermute, Hofmannsthal kannte das heutige Evangelium – man könnte sagen: Es ist das Evangelium vom „Jedermann“. Und mit „Jedermann“ ist jeder Mensch gemeint – Mann wie Frau.
Viele glauben: „Wer Geld hat, kann sich alles leisten, dem geht es gut.“ Doch kein Reichtum kann unser Leben absichern: Krankheiten, Unfälle oder Katastrophen wie die Flut vor vier Jahren können alles verändern.
Paulus schreibt im Kolosserbrief:
„Richtet euren Sinn auf das, was oben ist, nicht auf das Irdische! […] Ihr habt den alten Menschen mit seinen Taten abgelegt und habt den neuen Menschen angezogen, der nach dem Bild seines Schöpfers erneuert wird, um ihn zu erkennen.“ (Kol 3,2.9b-10)
Was Paulus sagt, das haben die meisten von uns schon einmal erlebt – die meisten wahrscheinlich unbewusst. Bei der Taufe wird dem Täufling ein Kleid angezogen oder übergezogen. Der Text ist also eine Tauferinnerung! Der alte Mensch wird abgelegt, der neue angezogen. So wie man sich der Arbeitsklamotten entledigt und festliche Kleidung anzieht, wenn man eingeladen ist.
In jeder Taufe geschieht das! Auch in meiner, auch in Ihrer Taufe. Ich wurde ganz neu angezogen!
Und diese Kleidung ist nicht nur etwas Äußeres, es ist die Kleidung unserer Seele, die wir auch jetzt tragen in diesem Gottesdienst, wo jeder von Ihnen sich etwas anderes angezogen hat.
Wir alle sind jetzt Gäste Gottes. Fein geschmückt durch das Kleid unserer Taufe. Mehr: wir sind nach dem Bild des Schöpfers erneuert.
Das stellt alles Irdische in ein neues Licht.
Bei Hofmannsthal geht der reiche Mann nicht unter, sondern heim zu Gott – gerettet durch Vertrauen und Glauben an Gottes Treue.
Jesus sagt nicht, wie der Mann im Evangelium auf Gottes Ruf reagiert. Wir müssen es auch nicht wissen. Denn wir wissen: Unsere Geschichte ist durch die Taufe entschieden. Es gilt nur, sie – wie Jedermann – in unserem Leben sichtbar zu machen – jeden Tag.
Predigt am 3.8.2025 in Dernau