Jesus kommt nach Dernau? Er ist schon da

Predigt am Palmsonntag 2025 in Dernau – Gedanken zum Esel im Anschluß

In jenen Tagen hörte die Volksmenge,
die sich in Dernau auf das Osterfest vorbereitete,
Jesus komme nach Dernau.

Da nahmen sie Palmzweige, zogen hinaus, um ihn zu empfangen,
und riefen: Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn, der König Israels!

Würden wir, würde die Menge sich aufmachen, ihn zu empfangen?

  • Er ist keine Weinprinzessin, die freudig in ihrer Heimat begrüßt wird.
  • er ist auch kein Mitglied einer populären Musikgruppe, die hier im Sommer musizieren

Jesus, wer würde dir entgegen gehen?

Vielleicht würden wir uns die Zeit nehmen. Heute noch – aber morgen früh haben wir wieder andere Verpflichtungen. Wenn wir es überlegen, so ganz recht wäre uns das nicht, wenn Du gerade jetzt kämst, vielleicht nach Ostern, oder nach dem Weinfrühling, nein, da sind Sommerferien, vielleicht dann doch erst im Herbst, obwohl soviel Zeit hätten wir dann auch nicht, da ist ja Winzerfest und Martinsmarkt, und dann kommt der Advent und Weihnachten. Ganz schön viel los, Jesus – und dann kommst du auch noch.

Was würden wir rufen, wenn wir es denn passend machen würden?
Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn, der König Israels!

Klingt nicht mehr so ganz zeitgemäß; ein bisschen verstaubt.
Und außerdem, wir hätten da ne Menge Fragen – endlich könnte er uns auf alle Fragen eine Antwort geben, alle unsere Vorbehalte entkräften.
Wir könnten endlos diskutieren bis wir alles verstanden haben, was nicht zu verstehen ist.Ob wir dann noch jubeln werden, werden wir sehen. Vielleicht wechseln wir auch sofort zum „Kreuzige ihn!“

Wer bewahrt uns davor, dass wir unsere Sehnsüchte nicht auf ihn projizieren – so wie es die Menschen damals getan haben?
Endlich jemand, der dem Hickhack der Politik ein Ende macht.
Endlich jemand, der wirklich für blühende Landschaften sorgt.
Endlich ein Heiland für alles Unheile in meinem Leben und in der Welt.

Doch wehe, wenn die Erwartungen enttäuscht werden. „Hosanna“ und „Kreuzige ihn„; dazwischen gibt es nichts.

Also: Jesus – dein Kommen brächte uns schon in Verlegenheit.

Jesus kommt nach Dernau – eine Wunschvorstellung?
GottseiDank ist er schon da –

aus der Passionsgeschichte, aus der wir eben einen Ausschnitt gehört haben, wissen wir es.
Sie erzählt

  • Von der Todesangst (im Garten Getsemani)
  • Vom Verrat des Freundes
  • Von der Untreue des Freundes
  • Von Hohn und Spott, vom Mobbing der Soldaten
  • Von falschen Zeugen
  • Vom ungerechten Urteil
  • Vom gottverlassenen Sterben

Aber auch

  • Von der Liebe der Frau, die Jesus salbt und ihm Gutes tut
  • Von der Unterstützung des Simon von Cyrene
  • Von der kleinen Liebestat einer Veronika
  • Von der Mutter, den Frauen und den Freunden, die unter dem Kreuz aushalten.

Szenen der einen Passion, die sich so oder ähnlich in unserem Leben, im Leben der Menschen wiederholen.

Da finden wir ihn:
bei denen, die Not leiden,
bei denen, die sich verraten und betrogen fühlen,
bei denen, die gemobbt werden,
bei denen, die sich gegen böse Gerüchte wehren müssen,

und bei denen, die die Not der anderen lindern, Menschen beistehen, wie etwa die Johanniter, die  hier im Tal tätig sind.

Jesus kommt nach Dernau – das war die Idee.
Er will weder zum Bürgermeister, noch in die Winzergenossenschaft, noch in die Kirche hier.

Er will dorthin, wo Menschen leiden und wo die kleine Tat der Liebe das Leben und das Leiden leichter macht.

Auf dem Dernauer Dorfplatz steht ein Esel. Dort hat unser Gottesdienst zum Palmsonntag begonnen, denn da war doch etwas mit einem Esel.

Hier die Einladung zur Prozession: Meine Lieblingsrolle: der Esel.

Wenn ich mir eine Rolle in der Passionsgeschichte aussuchen müsste, wüsste ich wohl, welche ich gern spielen möchte: die des Esels, auf dem Jesus in die Stadt reitet.

In unseren Breiten gibt es das Wort vom „dummen Esel“ – eine Bezeichnung, die wir im Orient nie hören würden – dort werden die Esel wegen ihrer Orientierungsgabe sehr geschätzt, so daß keine Karawane ohne Esel loszieht. Ein Esel findet den Weg, den er einmal gegangen ist, mit absoluter Sicherheit wieder, sogar nachts, sogar noch nach Jahren. Aber das allein ist nicht der Grund meiner Auswahl.

Mich fasziniert immer wieder, wenn ich das Evangelium des Palmsonntags höre, das Wort „Der Herr braucht ihn!“ Ο κύριος steht da im griechichen Text, Kyrios, das ist der Titel des auferstandenen Christus – da leuchtet in dieser Szene am Anfang dieser Woche schon das Ende auf.

Vom Herrn gebraucht, aber nicht verbraucht zu werden – das spüre ich schon als Sehnsucht in mir.

Wir könnten heute damit anfangen. Wie sähe unsere Welt aus, wenn alle, die an diesem Palmsonntag einen Palmzweig zur Erinnerung an die Ereignisse in Jerusalem mit nach Hause nehmen, zu wahren Zeugen Jesu, zu Zeugen dieses Kyrios, zu Zeugen dieses Friedenskönigs würden?
Wenn wir alle verwirklichen würden, was wir in einem alten Kirchenlied singen. „Laß uns den Haß, das bittre Leid fortlieben aus der dunklen Zeit!
Ich bleibe dabei, die Rolle des Esels stände uns allen gut an –  denn der Herr braucht uns.


Sie können gerne meine Gedanken ergänzen oder auch widersprechen! Nutzen Sie die Kommentarspalte unten. Oder die Kommentarspalte auf dieser Seite: https://wilfried-schumacher.de/2025/03/07/fastenzeit-in-dernau/
Sie müssen Ihren Namen nicht veröffentlichen. Sie können auch nur die Anfangsbuchstaben Ihres Namens nehmen oder Sie schreiben „anonym“.

Mit der Gemeinde in Dernau freue ich mich über Ihre Beteiligung. Wenn Sie hier nicht schreiben wollen, können Sie mir auch persönlich schreiben.