Fastelovends-Minsche

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(Diese Predigt wurde am 28.1.2024 beim Mundartgottesdienst in Bonn-Tannenbusch in rheinischer Mundart gehalten)

Es ist eine schwierige Zeit – im Heiligen Land ist Krieg und an mehr als 30 Stellen auf dieser Erde. In unserem Land gehen Hundertausende auf die Straße, weil sie Angst haben, dass die Braunen wieder das Sagen bekommen, die Bahn streikt, man kommt nicht von hier nach da, die Bauern demonstrieren, alles wird teurer. Dürfen wir da überhaupt Fastelovend feiern?

Wer so fragt, hat überhaupt nicht verstanden, was Fastelovend ist. Klar, es ist zuerst mal die Zeit im Jahr, die Wochen vor Aschermittwoch, wo man sich maskiert, wo „die Aap gemaaht“ wird, wo alle verrückt spille, wo es Prinzen und Prinzessinnen gibt, wo jeder weiß, am Aschermittwoch ist alles vorbei.

Aber Fastelovend ist mehr:

Vor über 50 Jahren habe ich auf einer Tagung des Bundes deutscher Karneval (der ist für die Karnevalisten so wie für uns der Vatikan in Rom) hier in Bonn eine Definition von Fastelovend gehört, die ich schon damals mehr als treffend fand: “Durch Frohsinn dem Menschen Freude bereiten, um dem Frieden zu dienen.”

Und das ist dann nicht nur auf ein paar Wochen beschränkt, sondern ist eine innere Einstellung, die das ganze Jahr gilt.

Eine innere Einstellung aber braucht ein Fundament.
Wir haben eben vom Propheten Jeremia gehört:
Gesegnet der Mensch, der auf den HERRN vertraut / und dessen Hoffnung der HERR ist. 8 Er ist wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist / und zum Bach seine Wurzeln ausstreckt: (Jer 17,7-8)

Gott – er ist das Fundament.
Ist Euch schon mal aufgefallen, wie oft in den kölschen Liedern von Gott und vom Himmel die Rede ist:
Wir lieben das Leben, die Liebe und die Lust.  Wir glauben an den lieben Gott und hab´n noch immer Durst, singen die Höhner.
Die Bläck Föss wissen: Es gibt ein Leben nach dem Tod
Und Kasalla singt Op die Liebe, un et Lävve, Op die Freiheit und d’r Dud
Kumm mer drinke uch met denne die im Himmel sin.
Und in dieser Session: Ich will üch danze sin, wenn ich ne Engel bin.

Der Herrgott hat alles geschaffen, deshalb sind alle Menschen gleich; egal, wo sie herkommen, was sie glauben, wen sie lieben. Das steht so gar im Grundgesetz; das ist das, was wir Christen glauben. Wer etwas anderes sagt, wie die Typen von der AFD will nichts Gutes, nichts Gutes für unser Land, nichts Gutes für die Menschen.
Alle Menschen sind gleich – das muss im Karneval gelebt werden, wo alle mit allen feiern.

Gott ist das Fundament.
Und was ist unsere Aufgabe? Haben Sie noch die Definition im Ohr: Durch Frohsinn Freude bereiten, um dem Frieden zu dienen.

Jesus hat den Menschen gesagt – wir haben es eben gehört: Ihr seid das Salz der Erde. (Mt 5,13)
Wir wissen alle: eine Suppe ohne Salz ist ungenießbar. Wenn Jesus sagt: wir sind das Salz, dann meint er wohl, dass wir den Menschen helfen können, dass sie ihr Leben auch genießen können. Wir sind das Salz in der Suppe der Welt.

Und Jesus meint auch: „Ihr seid das Licht der Welt.“ Im Leben ist nicht alles nur hell, es gibt auch düstere Stunden. Dann ist es gut, wenn ein Mensch da ist, der Licht in die Dunkelheit bringt. Dann ist es gut, wenn ich erlebe, dass es auch Freude gibt.
Das muss kein Riesen-Bohei sein, das können auch kleine Dinge sein: ein gutes Essen, schöne Musik, ein kleines Geschenk, ein Spaziergang miteinander, alles, was dem anderen gut tut, was das Leben schöner und heller macht.
Die Nähe von Menschen kann gesund machen – an Leib und Seele. „Rötsch doch jet nöher, wie Fründe dat maache.“ Das ist dann vielleicht nicht mit einem Mal getan; aber regelmäßig verabreicht kann dies auch die härtesten Herzen weich machen.

Menschen, die so leben – die an Gott glauben und die die Welt durch ihre Freude für die anderen genießbar und heller machen – das sind Fastelovens-Minsche (Fastelovends-Menschen), nicht nur in der Session. Sie brauchen keine Maske, kein Mütze, keine Uniform. Aber ein paar Wochen im Jahr können sie ausgelassen feiern.

„Handwerker des Friedens“

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Volkstrauertag – kann man eigentlich Trauer befehlen? Kann man einem ganzen Volk vorschreiben, an einem Tag zu trauern? Wir wissen Trauer ist etwas ganz persönliches, individuelles. Der Prozess dauert bei dem einen länger als bei der anderen.

Und heute sollen wir trauern, obwohl die meisten von uns gar nicht mehr direkt betroffen sind von den Opfern der beiden Kriege. Tun wir das, weil das so üblich ist und es dem guten Ton entspricht?

Die meisten zivilisierten Länder kennen einen solchen Tag. In den meisten Ländern heißt er „Gedenktag“ oder „Erinnerungstag“. Mit dieser Bezeichnung kann ich mich dann schon eher anfreunden. Der ehemalige Bundespräsident Gauck hat 2016 eine gute Richtung vorgegeben als er unter anderem sagte:

  • Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.
  • Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren.
  • Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde.
  • Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten.
  • Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt gegen Fremde und Schwache Opfer geworden sind.

Und er zog den Schluss daraus:
Unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.

Unsere Verantwortung gilt dem Frieden. Das ist der Auftrag des heutigen Tages und dieser Verantwortung können wir uns mit einer Stunde am Sonntagmorgen und einer Kranzniederlegung nicht entledigen:

Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.“, hat uns Jesus in der Bergpredigt zugerufen.

„Der Friede ist der Name Gottes“ und „wer den Namen Gottes anruft, um den Terrorismus, die Gewalt und den Krieg zu rechtfertigen, beschreitet nicht den Weg des Herrn.“ So heißt es im gemeinsamen Friedensappell, den Papst Franziskus und die Teilnehmer am Friedenstreffen der Religionen 2016 in Assisi unterzeichnet haben. Alle können demnach „Handwerker“ des Friedens sein.

Handwerker des Friedens nicht nur in der großen Politik, Handwerker des Friedens in der eigenen Familie, im Berufsleben, im Freundeskreis.

Bei dieser Gelegenheit mahnt uns Franziskus, der großen Krankheit unserer Zeit entgegenzutreten: der Gleichgültigkeit. „Wir dürfen nicht gleichgültig bleiben. Die Welt hat heute einen brennenden Durst nach Frieden.“

Vielleicht erinnern sich die Älteren unter Ihnen noch an Wolfgang Borchert. Der Schriftsteller verstarb 1947 im Alter von 26 Jahren. Sein letztes Gedicht klingt wie ein Manifest.
Der Text beginnt mit folgenden Zeilen:
Du. Mann an der Maschine und Mann in der Werkstatt. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keine Wasserrohre und keine Kochtöpfe mehr machen – sondern Stahlhelme und Maschinengewehre, dann gibt es nur eins: Sag NEIN!“
Genauso soll das „Mädchen hinterm Ladentisch und Mädchen im Büro“ reagieren, der „Besitzer der Fabrik“, der „Forscher im Laboratorium“, der „Dichter“, der „Arzt“, der „Pfarrer“, der „Kapitän“, der „Pilot“, der „Schneider“, der „Richter“, der „Mann auf dem Dorf und Mann in der Stadt“.
Und schließlich:  “Du. Mutter in der Normandie und Mutter in der Ukraine, du, Mutter in Frisko und London, du, am Hoangho und am Mississippi, du, Mutter in Neapel und Hamburg und Kairo und Oslo – Mütter in allen Erdteilen, Mütter in der Welt, wenn sie morgen befehlen, ihr sollt Kinder gebären, Krankenschwestern für Kriegslazarette und neue Soldaten für neue Schlachten, Mütter in der Welt, dann gibt es nur eins: sagt NEIN!

Wir sollen Handwerker des Friedens sein und müssen bekennen: wir haben in den letzten 70 Jahren nicht NEIN gesagt! Wir haben den Durst der Welt nach Frieden nicht gestillt – weder in der großen und oft auch nicht in unserer kleinen.

Kehren wir noch einmal zurück zum Volkstrauertag. Trauer hat immer etwas mit Tränen zu tun.

„Tränen lügen nicht“ sang in den siebziger Jahren Michael Holm. Er hat recht. Tränen lügen nicht. Sie drücken aus, wofür es keine Worte gibt. Es gibt Dinge, die mit keiner anderen Antwort zufrieden sind, als mit Tränen.

Tränen erzählen von Träumen, von Schmerz und von Trauer, von Befreiung, Freude und Glück, von Wut und Reue über Sünde und Schuld, von Liebe, Verzeihung und Vergebung. Sie erzählen von ungelebtem Leben, nicht genutzten Chancen, Erfahrungen eigener und fremder Schuld, von Unterdrückung, Verlust und Trauer.

Sie sind vielleicht die menschlichste aller menschlichen Ausdrucksformen. Sie begleiten uns ein Leben lang von den ersten Tränen, die wir selbst auf den Armen unserer Mutter vergossen haben bis zu den Tränen, die andere an unserem Grab vergießen.

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Eine der schönsten Bitten finde ich im Alten Testament im Psalm 56 „Sammle meine Tränen in einem Krug, / zeichne sie auf in deinem Buch!“

Ein wunderschönes Bild: Keine Träne ist umsonst geweint. Gott zählt sie alle und heiligt sie, weil wir ihm so kostbar sind.

Der Prophet Jeremia schreibt sogar vom Weinen Gottes: “ Ach, wäre mein Haupt doch Wasser, / mein Auge ein Tränenquell: Tag und Nacht weinte ich.“ (Jer 8,23) Gott selbst kennt die Gabe der Tränen.

Im letzten Buch der Bibel sagt der Seher Johannes: “ Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen. (Offb 21, 4)
Es ist die große Vision vom neuen Himmel und der neuen Erde, die Vision vom himmlischen Jerusalem. Dorthin lädt Gott uns ein.
Wie oft sind unsere Tränen verbunden mit der Klage: „Ich habe keinen Menschen“. Keinen Menschen, der mich versteht, keinen, der mir zuhört, keinen, der mich tröstet, keinen, der mir beisteht, keinen, der meine Trauer, meine Freude und meine Hoffnung mit mir teilt. Gott selbst wendet sich uns zu. Er hat jeden von uns ganz persönlich im Blick. Der Gott, der unsere Tränen abwischt! Ein Bild für die Nähe und Geborgenheit, die Gott uns im Glauben schenkt.
Wo auch nur eine Träne auf dieser Welt geweint wird; Gott weiß es. Unser Leben mit Freud und Leid ist in seinen guten Händen aufgehoben. Das ist der Trost, der uns an einem solchen Tag auch geschenkt wird.