Die Taufe – der Rettungsgriff Christi

Was aber bedeutet die Taufe?  Die Osternacht gibt uns eine dreifache Antwort:

  1. Hinabgestiegen in das Reich des Todes

Quelle: Wikipedia

In der Ostkirche wird auf vielen Ikonen die Auferstehung dargestellt, wie Jesus hinabsteigt in die Unterwelt und Adam und Eva mit einem typischen Rettungsgriff wie ihn auch heute noch Retter in unterschiedlichen Situationen praktizieren, herausreißt aus ihren Gräbern. Dahinter steckt das alte Weltbild, das die Welt in Etagen einteilt, Himmel, Erde, Unterwelt.

„Hinabgestiegen in das Reich des Todes“ – heißt es im Glaubensbekenntnis. Jesus hat sich weder das Leben noch das Sterben einfach gemacht. Sein Abstieg ging tief, mitten in das Reich des Todes hinein. Bis in die tiefste Tiefe ist er nach unten hinabgestiegen. Bis an den „toten Punkt“. Vielleicht kennen Sie das auch aus Ihrer Biografie. Den „toten Punkt“, wo alles zusammenbricht. Wo es weder ein zurück noch ein nach vorne gibt.

Als Toter ist Jesus zu den Toten hinabgestiegen. In ihm ist Gott zu den Toten gekommen und der hat ihn dort nicht gelassen. Er hat den Tod besiegt. Auf den Darstellungen der Ostkirche sind Adam und Eva zu sehen. Sie stehen stellvertretend für die ganze Menschheit. Mit einem Rettungsgriff zieht der Auferstandene sie aus der Macht des Todes. Genau das geschieht in der Taufe. Jesu Rettungsgriff fasst uns an den Handgelenken und zieht uns hinein in seine Auferstehung.

  1. Geht!

Haben Sie noch das Evangelium von eben im Ohr: Erschreckt nicht! Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier. […] Nun aber geht! Er geht euch voraus nach Galiläa! (Mk 16,7) Nun aber geht – jede entscheidende Begegnung in der Bibel ist verbunden mit dem Auftrag „Geht!“ Papst Franziskus spricht immer wieder von den „Sofa-Christen“, die die Welt vom Sofa aus betrachten oder sie unter ihrem Balkon vorbeiziehen lassen.

Die Sofa-Christen überhören geflissentlich das Wort „Geht“. In Ihrem Taufschein steht zwar, dass sie getauft sind. Aber sie brechen nicht mehr auf, sie gestalten nicht mehr ihre Welt aus der Botschaft des Evangeliums. Wenn in unserer Gesellschaft der „Untergang des christlichen Abendlands“ beklagt wird, dann liegt das nicht an REWE, der den „Traditionshasen“ verkauft, sondern an den „Sofa-Christen“ unserer Tage.

Erliegen Sie nicht dieser Versuchung. Lassen Sie sich stattdessen nach Galiläa schicken, d.h. dorthin, wo Sie Augen- und Ohrenzeuge der Botschaft Jesu werden können. Dafür brauchen Sie nicht ins Heilige Land zu reisen. Es genügt, wenn Sie in der Bibel lesen.

  1. Es liegt an uns!

Noch einmal möchte ich an das Evangelium von eben erinnern. An den letzten Satz: „Da verließen sie das Grab und flohen; denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten niemandem etwas davon; denn sie fürchteten sich.“ (Mk 16,8) Das ist der ursprüngliche Schluss des Markus-Evangeliums. Ende. Aus. Wo bleibt die Botschaft? Sie sagten niemandem etwas davon.
Wo sind all die Geschichten von den Jüngern, von Maria von Magdala, der Apostolin der Apostel. Von Johannes, Petrus, den Emmaus-Jüngern und Thomas? – Markus weiß davon nichts! Dieser ursprüngliche Schluss des Markus-Evangeliums provoziert. Ein paar Jahrhunderte nach der Urfassung des Markus-Evangeliums taucht plötzlich noch ein zweiter Schluss auf, der die Provokation der ursprünglichen Fassung auflösen will.
Markus hat eine Absicht mit diesem Schluss. Er will seine Hörerinnen und Hörer herausfordern. Wenn die Frauen am Ostermorgen schweigen, dann müssen wir reden! Die Botschaft des jungen Mannes im weißen Gewand muss weitergesagt werden: „Er ist auferstanden“. Als Getaufte ist dies unsere erste Pflicht: Zeuge, Zeugin der Auferstehung zu sein – damit die Botschaft nicht in Vergessenheit gerät.

 

Auf geht’s: von Bethlehem nach Jerusalem

In alten Kirchen sieht man oft auf dem Triumphbogen rechts und links die Darstellungen zweier Städte: Bethlehem und Jerusalem. Zwischen beiden spannt sich der Bogen. Zwischen beiden liegt eine eigentümliche Spannung.
Bethlehem – wer denkt da nicht an die Weihnachtsgeschichte, an das Kind im Stall, an die Chöre der Engel, die Hirten, die Anbetung durch die Weisen aus dem Morgenland? Der Name der Stadt steht für Geborgenheit und Wärme, Liebe und Freude, für die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes.
Jerusalem – andere Bilder drängen sich auf: die: Auseinandersetzungen Jesu mit den Pharisäern und dem Hohen Rat, die Vertreibung der Geschäftemacher aus dem Tempel, der Prozess Jesu, sein Leidensweg, sein Tod am Kreuz. Hektik und Lärm, Gesetze und Norm, Rücksichtslosigkeit und Profitgier, Leid, Schmerz und Tod.
Bethlehem wird zum Synonym für das Fest, die Feier im menschlichen Leben, während Jerusalem mehr den Alltag mit seinen Eigengesetzlichkeiten repräsentiert.

Heute beginnt wieder der Weg von Bethlehem nach Jerusalem. Und dabei begleitet uns das Fest der Taufe des Herrn wie ein Proviantpaket für den Weg. Die Zusage, die Gott jedem und jeder von uns in der Taufe gegeben hat: „Ich bin Gottes geliebter Sohn, Gottes geliebte Tochter“ und der Auftrag, der dieser Erwählung entspricht, ist der Proviant in unserem Lebensrucksack !

Jesus, der „Immanuel“, der Gott-mit-uns, geht mit uns den alltäglichen Weg nach Jerusalem. Er kennt die Strecke gut, denn er ist diesen Weg schon einmal vor uns gegangen.

siehe auch: „Katholische für Fortgeschrittene“

 

Jesus steht in der Schlange – keine VIP-Behandlung für den Mann aus Nazareth

Wer schon einmal in England war, weiß, dass die Briten eine Eigenschaft haben, die uns weitgehend fehlt. Sie können in der Schlange stehen und haben sogar ein eigenes Verb Schlangestehendafür. So stehen sie geduldig an, keiner drängelt vor, jeder ist dran, wenn er oder sie an der Reihe ist.

„Zusammen mit dem ganzen Volk ließ auch Jesus sich taufen“, heißt es im Evangelium – Ich stelle mir das bildlich vor: da steht Jesus in der langen Schar derer, die von Jerusalem herabgekommen waren, um den Täufer zu hören und sich als Zeichen ihrer Buß Gesinnung taufen zu lassen. Ein lange Schlange! Da steht vor ihm vielleicht der Soldat, der andere misshandelt oder erpresst hat, da steht hinter ihm der Reiche, der statt zu teilen immer noch mehr wollte, da steht neben ihm die gescheiterte Existenz und vielleicht auf der anderen Seite der, der nicht mehr weiter weiß und schon abgeschlossen hat mit seinem Leben. Keine Sonderbehandlung für den Mann aus Nazareth, keine VIP-Lounge, kein Vorrang vor anderen. Er steht in der Schlange. Er hat wie wir als Mensch gelebt, in allem uns gleich, außer der Sünde – so beten wir im Hochgebet der Messe.

Er ist bei denen, die mit sich selbst ins Reine kommen wollen, wie die anderen steigt er in den Jordan. Er taucht ein in die Fluten der Schuld und des Versagens, steht mitten in den Sünden der Menschen.
Er steht nicht nur damals in einer Reihe mit den Menschen, auch heute scheut er sich nicht, mit uns gemeinsam vor dem Vater zu stehen.

AhrweilerIn der Pfarrkirche in Ahrweiler gibt es eine Malerei der Taufe Jesu. Jesus steht in der Ahr – hinter ihm die Kulisse der Stadt mit ihren Stadttoren. Für den mittelalterlichen Künstler war klar: das ist keine Geschichte von anno dazumal; das, was wir heute feiern, ist Gegenwart.

Jesus taucht auf und der Himmel öffnet sich – wie an Weihnachten auf den Feldern Bethlehems.
Himmel und Erde sind nicht mehr unendlich weit von einander entfernt und Gegensätze, sondern sie rücken zusammen.
Der Geist Gottes ist am Werk und schafft Neues zwischen Menschen und Gott.
Eine Stimme vom Himmel berichtet uns von dem innigen, ja intimen Verhältnis zwischen Gott und diesem Jesus: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden.“ 

Was dort am Jordan geschehen ist, ereignet sich in jeder Taufe: Wir werden zu Kindern Gottes, zu „Erben Gottes, Miterben Christi“ (Röm 8,17) Wir sind geliebte Kinder Gottes, Geliebte Söhne und Töchter.

Zu einem Zeitpunkt, da wir nicht vorweisen konnten: Weder außerordentliche Schönheit, weder Majestät noch Intelligenz, zu einem Zeitpunkt, da wir hilflos angewiesen waren auf andere, ist auch für uns der Himmel aufgegangen.

Wer getauft ist, hat nicht nur die Erde, das Diesseits im Blick – wer getauft ist, lebt mit der Option für den Himmel und er darf diese einbeziehen in jedem Augenblick seines Lebens.

Du bist mein geliebter Sohn, du bist meine geliebte Tochter, so wie Du bist! Das ist der „cantus firmus“, der unser ganzes Leben durchzieht vom Augenblick der Taufe an. Wenn das doch in unseren Kopf – in unser Herz ginge!

Bei Gott hat seine Stelle das menschliche Geschlecht! Mit diesen Worten endet Bachs Weihnachtsoratorium. Gleichzeitig markieren sie den Anfang einer neuen Geschichte Gottes mit uns Menschen!

Es tut gut, am Anfang des Jahres nicht nur auf die Taufe Jesu zu schauen, sondern sich der eigenen Taufe zu erinnern.
Das Fest heute, die Erinnerung an die Taufe Jesu, schließt den Weihnachtsfestkreis ab. Es zeigt uns, was durch die Menschwerdung Gottes in unserem Leben anders geworden ist, welches Vertrauen Gott in den Menschen steckt, was Gott uns zutraut.

Wir haben wieder einmal noch 352 Tage Zeit, entsprechend zu leben.

Bildnachweis: PA/epa/Berliner Morgenpost